17. Juni 2024

Bauen einfacher, schneller und günstiger machen

Plenarrede vom 17. Juni 2024

In meiner zweiten Plenarrede im Juniplenum habe ich mich mit der Novelle der Niedersächsischen Bauordnung befasst. Die Niedersächsische Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, das Bauen schneller, einfacher und günstiger zu machen. Gerade in Anbetracht des derzeit enorm fehlenden bezahlbaren Wohnraums ist das wichtiger denn je. Mit der heute beschlossenen Novelle gehen wir in Niedersachsen vorbildhaft voran. So sollen für den Aus- und Umbau künftig niedrigere Standards gelten, die Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden erleichtern und den Erhalt der Bausubstanz fördern, wodurch der Neubau reduziert wird.

Videomitschnitt der Rede

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Text der Rede

Es gilt das gesprochene Wort.

Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, das Bauen schneller, einfacher und günstiger zu machen. Für uns als SPD-Fraktion ist die Schaffung bezahlbaren Wohnraums absolut prioritär. Ich wiederhole: schneller, einfacher, günstiger, auch mal loslassen können, Dinge einfacher gestalten.

Die Schaffung bezahlbaren Wohnraums ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Wohnen ist nicht nur Menschenrecht – das Problem des nicht vorhandenen bezahlbaren Wohnraums ist mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ich verweise darauf, dass die Handwerkerin oder der Facharbeiter mit einem durchschnittlichen Gehalt keinen bezahlbaren Wohnraum mehr findet – oder nur noch unter sehr erschwerten Bedingungen ‑ und dass die meisten Menschen mittlerweile bis zu 40 % ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben müssen. Der Wohnungsmarktbericht der NBank hat es an den Tag gebracht: Uns fehlen bis 2040 etwa 147 000 bezahlbare Geschosswohnungen.

Wir machen heute Ernst mit der Novelle der Niedersächsischen Bauordnung, mit der integrierten Umbauordnung. Wir machen einen mutigen Schritt in genau die richtige Richtung. Die NBauO in der jetzt vorliegenden Fassung – umfassend beraten, durch diverse Anhörungen gelaufen – ist Bürokratieabbau durch Deregulierung. Wir setzen unseren Koalitionsvertrag, in dem wir eine ganze DIN-A-4-Seite dem Thema „Das Leben der Menschen einfacher machen“, dem Thema Deregulierung und Bürokratieabbau gewidmet haben, heute mit der NBauO in einem ganz entscheidenden Punkt um. Das, was wir hier machen, ist Deregulierung pur.

Für unsere NBauO haben wir bundesweit Zustimmung erfahren – ein ganz neues Gefühl für uns. Wir sind bundesweit Vorreiter. Andere Bundesländer sind, was ihre Länder-Bauordnungen angeht, noch lange nicht so weit.

Ich verweise auf die Schreiben der Kreishandwerkerschaften, die wir alle bekommen haben. Es war für mich in meinen elf Jahren Parlamentszugehörigkeit ein Novum, dass Kreishandwerkerschaften mich als Abgeordneten der SPD anschreiben und dem Gesetzentwurf der Landesregierung zustimmen – weil wir genau auf dem richtigen Weg sind! Ich verweise auf die umfangreichen Anhörungen und die Zustimmungswerte bei der Architektenkammer, bei der Ingenieurkammer oder dem Verband der Wohnungswirtschaft, sogar bis hin zu den Unternehmen aus der Immobilien- und Baubranche, die im CDU-Wirtschaftsrat organisiert sind. Alle zusammen haben uns aufgefordert, diesen Bürokratieabbau, diese Novelle der NBauO nun endlich voranzubringen, und ich sehe nach der Ausschussberatung auch eine große Zustimmung auf allen Seiten dieses Hauses. Insofern sind wir hier, glaube ich, genau auf dem richtigen Weg, meine Damen und Herren.

Die NBauO ist aber nicht nur Bürokratieabbau pur oder ein Vereinfachungsprojekt, sondern sie ist auch ein Klimaschutzprojekt. Das geht bei der Debatte über Vereinfachungen von Baurecht meistens unter. Denn die Umbauordnung dient dazu, die graue Energie zu sichern.

Wir erinnern uns daran, dass gerade im Bereich der Architekten in der Vergangenheit vielfach der Wunsch geäußert wurde: Bevor wir umfassend sanieren, bauen wir lieber neu. Beim Neubau ist allerdings das Problem, dass damit die graue Energie vernichtet wird. Ich habe in diesem Verfahren gelernt, dass man zum Beispiel ein Bestandsgebäude noch so gut sichern kann, dass die Frage des CO2-Ausstoßes im Laufe des Lebens eines Gebäudes aber nicht die entscheidende Rolle spielt, sondern dass der meiste CO2-Ausstoß eben durch den Neubau eines Gebäudes verursacht wird. Wenn man die Gebäude nicht abreißt, sondern umbaut und durch die Umbauordnung entsprechende Sanierungsanreize setzt, tut man also auch etwas für den Klimaschutz.

Die Kernvorschrift ist § 85 a der NBauO. Dort geht es darum, dass die Neubauteile nicht mehr können müssen als der Bestandsbau, wenn also aufgestockt wird. Außer beim Klimaschutz! Wir setzen also nicht den Klimaschutz außer Kraft. Wir wollen auch nicht zulasten der CO2-Einsparung Kosteneinsparungen erzielen. Nein, wir wollen Baustandards absenken, die sich im Laufe der Zeit ergeben haben. Wir wollen, dass der Bestandsbau das Maß aller Dinge ist, und die Voraussetzungen des Bestandsbaus eben auch für die Aufstockung gelten.

Das ist ein ganz entscheidender Punkt für die Kommunen – weil aus den Reihen der CDU gerade nach der Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände gefragt worden ist. Es wird immer wieder übersehen: Wir deregulieren, wir vereinfachen, und dadurch, dass es für die Anwendung des § 85 a, also der Kernvorschrift, keinerlei Baugenehmigung mehr bedarf, sondern ein vereinfachtes Mitteilungsverfahren gilt, entlasten wir die unteren Baubehörden und die kommunalen Vertreter. Die unteren Baubehörden werden von Bürokratielasten befreit – das ist Deregulierung. Das ist gut und im Interesse der Kommunen.

Ich habe gesagt, dass wir nicht bei den Energiestandards sparen wollen, sondern durch Absenkung von Baustandards Kosteneinsparungen erzielen wollen. Wir setzen teilweise die anerkannten Regeln der Technik, beispielsweise beim Gebäudetyp E, außer Kraft. Das ist ein Punkt vor allem in dem Bereich des Wohnungsneubaus, wo experimentell gebaut werden kann. Den Gebäudetyp hat die Bayerische Architektenkammer mal entworfen. Wir setzen anerkannte Regeln der Technik ‑ die DIN-Normen, die nicht durch Politik entstanden sind, sondern in der Regel durch Gerichtsurteile in diversen Zivilrechtsprozessen festgelegt worden sind ‑ zumindest für bestimmte Bauprojekte außer Kraft. Ich freue mich auf die ersten Modellprojekte, bei denen der Gebäudetyp E hier in Niedersachsen tatsächlich realisiert wird.

Wir machen Abstriche bei der Trittschalldämmung und bei der Dicke des Mauerwerks. Wir führen Brandschutzerleichterungen ein. Der zweite Rettungsweg ist in bestimmten Fällen nicht mehr erforderlich. Und, ganz wichtig, die Typengenehmigungen anderer Länder werden automatisch anerkannt. Auch das ist ein Beitrag zum Bürokratieabbau, wenn wir das serielle und modulare Bauen, das zu kostengünstigem Bauen führt, niedersachsenweit einführen wollen.

Bei Aufstockungen verzichten wir auf Aufzugsanlagen und auf Spielplätze. – Alles das kann man kritisieren. Aber gerade der Verzicht auf Spielplatzausbau bei Aufstockungen führt eben zu Kostensenkungen. Der Ausbau des Dachgeschosses wird demnächst genehmigungsfrei möglich sein; er muss nur noch mitgeteilt werden. Ich verweise auf die Genehmigungsfiktion. Ein Bauantrag gilt als genehmigt innerhalb von drei Monaten, sofern alle Unterlagen vorliegen.

Der aus meiner Sicht wichtigste Punkt war der größte kritische Punkt im Rahmen der Verbandsanhörung: Wir erlassen den Bauinvestoren und den Praktikern die Entscheidung, ob sie Stellplätze bauen oder nicht. Das ist gut so. Mich hat noch heute Morgen ein Schreiben aus einer mittelständischen Kleinstadt, der Stadt Lingen, erreicht, worin ein Bauunternehmer mich gefragt hat: Macht ihr das wirklich? – In einer Kleinstadt wie Lingen beispielsweise hat die Stellplatzverpflichtung dazu geführt, dass eben nicht gebaut wird. Es geht also nicht nur um Ballungszentren wie Hannover, Osnabrück oder Braunschweig, wo die Stellplatzpflicht dazu geführt hat, dass Projekte gar nicht mehr verwirklicht werden. Sogar in Kleinstädten wie Lingen schreiben mich Bauunternehmer an und sagen: Das machen Sie richtig so! Machen Sie weiter so! – Denn dort hat die Stellplatz-Satzung der örtlichen Kommune dazu geführt, dass Projekte gar nicht mehr verwirklicht werden. Wir sind da also auf dem richtigen Weg, meine Damen und Herren.

Ich komme zum Schluss.

Wir beschleunigen, wir entbürokratisieren und entlasten die Kommunen – das alles in einem Mordstempo. Ich habe bei der Einbringung der NBauO vom „Niedersachsentempo“ gesprochen. Wir haben die neue NBauO innerhalb von zwei Monaten durchs Verfahren gebracht.

Ich sage es noch einmal deutlich. Wir haben – auch im Interesse der Kommunen – heute noch einen Änderungsantrag eingebracht, der die Evaluation von drei Dingen der NBauO regelt – denn nichts ist in Stein gemeißelt, nichts ist so gut, dass es nicht auch noch verbessert werden könnte –: Wir beauftragen die Landesregierung mit einer Evaluation der neuen NBauO in drei Punkten: der Typengenehmigung im Hinblick auf die Anerkennung der Barrierefreiheit, der Auswirkungen des § 85 a in der Praxis, wenn es darum geht, inwieweit die Kommunen entlastet werden und inwieweit das Mitteilungsverfahren und die höhere Verantwortung der Entwurfsverfasser hier Früchte tragen, und – als letzten Punkt – auch im Hinblick auf den Entfall der Kfz-Stellplatzverpflichtung im Wohnungsbau. – Alles das soll im Jahre 2028 evaluiert und noch einmal überprüft werden.

Wir haben vom Ministerium jetzt schon gehört, dass nach der Sommerpause die nächste Novelle ansteht. Wir bleiben also weiter im Verfahren – auch was vorliegende CDU-Anträge angeht.

Vielen Dank.