17. Juni 2024
Rede zur Änderung des Nds. Architekten- und Ingenieurgesetzes und der Nds. Bauordnung
Plenarrede vom 17. Juni 2024
In meiner ersten Rede in der heutigen Plenarsitzung in Hannover ging es um eine Anpassung des Architektengesetzes und des Ingenieurgesetzes. Inhaltlich ging es dabei unter anderem um die Absicherung des Qualitätsniveaus, ebenso aber auch um die Bekämpfung des Fachkräftemangels und die Anerkennung ausländischer Berufserfahrung.
Videomitschnitt der Rede
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Text der Rede
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Anlass für die Novellierung des Niedersächsischen Architektengesetzes und des Niedersächsischen Ingenieurgesetzes sowie der Niedersächsischen Bauordnung sind insgesamt zwei EU-Vertragsverletzungsverfahren.
Im ersten Vertragsverletzungsverfahren geht es um die Bauvorlageberechtigung von Ingenieurinnen und Ingenieuren aus EU-Mitgliedstaaten, die sich hier in Niedersachsen niederlassen wollen und ihren Beruf bei uns ausüben möchten. Die Europäische Kommission hat die bisher geforderten Ausbildungsvoraussetzungen und das Fehlen von Ausgleichsmaßnahmen kritisiert. Insbesondere bemängelte die Kommission, dass bauvorlageberechtigte Ingenieurinnen und Ingenieure nicht nur einen Hochschulabschluss der Fachrichtung Bauingenieurwesen nachweisen müssen, sondern zusätzlich auch zwei Jahre praktische Berufserfahrung auf dem Gebiet der Objektplanung von Gebäuden. Hintergrund ist somit ein Verstoß gegen die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie.
Im zweiten Vertragsverletzungsverfahren unterstellt die EU-Kommission, die Bundesländer und der Bund hätten die EU-Verhältnismäßigkeitsrichtlinie nicht in nationales Recht umgesetzt.
Zu den Einzelheiten verweise ich auf den Ihnen vorliegenden 20-seitigen Bericht unter der Drucksache 19/4620 über die Ausschussberatungen. Die Details erspare ich Ihnen jetzt allerdings, zumal die Lektüre dieses Berichts nur etwas für Jura-Junkies ist, also sehr speziell und sehr kompliziert.
Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von SPD und Grünen wollen das Bauen einfacher, schneller und kostengünstiger machen. Das wird heute Nachmittag ja auch noch einmal bei der Novelle der Bauordnung unter TOP 4 eine entscheidende Rolle spielen. Die Anhörung zum Architekten- und Ingenieurgesetz hat jedoch deutlich gemacht: Wer das Bauen durch die Absenkung von Baustandards einfacher und kostengünstiger machen will, der braucht Experten im Baurecht und keine Berufsanfänger. Wir haben uns daher nach der Anhörung im Ausschuss der entsprechenden Resolution der Ingenieurkammer angeschlossen.
Wer die Bauvorschriften flexibler machen will, darf nicht gleichzeitig die Qualifikation für die Berufspraktiker absenken.
Wir haben im Ausschuss nun gemeinsam mit dem GBD eine europarechtskonforme Lösung gefunden, die gleichzeitig das Qualitätsniveau der Entwurfsverfasser sichert. Europarechtlich sind nunmehr die Mitgliedstaaten verpflichtet, diejenigen Ausbildungsnachweise ausreichen zu lassen, die genügen, um im Herkunftsstaat die Berufstätigkeit auszuüben. Die Neuregelung im Ingenieurgesetz sieht nun vor, daran festzuhalten, dass neben einem Studium, welches in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder im gleichgestellten Ausland absolviert wurde und auch dort ausreicht, um die Erlaubnis zur Erbringung von Entwurfsdienstleistungen auf dem Gebiet der Objektplanung von Gebäuden zu erhalten, auch noch eine zweijährige berufspraktische Tätigkeit auf dem Gebiet der Objektplanung verlangt wird. Es wird also weiterhin grundsätzlich insbesondere für die inländischen Studienabsolventinnen und ‑absolventen für die Eintragung in die Architektenliste eine nach dem Studium absolvierte zweijährige berufspraktische Tätigkeit verlangt.
Für Absolventen aus dem EU-Ausland, die dort nach dem Studium und ohne weitere berufspraktische Tätigkeit als Architekt ihrer Tätigkeit nachgehen dürfen, gilt dies allerdings ausdrücklich nicht. Das heißt, in solchen Fällen wird die berufspraktische Tätigkeit nicht verlangt. Mit anderen Worten: In Übereinstimmung mit dem Europarecht werden zumindest Absolventen aus dem EU-Ausland auch ohne jede Berufserfahrung in die Architektenliste eingetragen und sind folglich nach § 53 NBauO unbeschränkt bauvorlageberechtigt. Dazu zwingt uns das EU-Vertragsverletzungsverfahren. Für die Inländer gilt aber nach wie vor die Regelung, dass eine zweijährige Berufserfahrung gefordert wird, um das Qualitätsniveau abzusichern. Das scheint mir ein vernünftiger Kompromiss zu sein, der einerseits das EU-Vertragsverletzungsverfahren zu einem guten Ende bringt und andererseits das Qualitätsniveau der Entwurfsverfasser absichert.
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen ganz anderen Aspekt der heutigen Novelle eingehen, der angesichts der Bedeutung der Frage des Qualitätsniveaus der Entwurfsverfasser aus meiner Sicht sonst völlig aus dem Blickfeld zu geraten droht: Neben der Umsetzung der eben geschilderten europarechtlichen Vorgaben ist für uns als eine der beiden regierungstragenden Fraktionen politisch die Beschleunigung des Fachkräfteeinwanderungsverfahrens besonders wichtig. Die Bundesregierung hat das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen, um Zuwanderung gezielt zu steuern und im Interesse der Arbeitgeber, die ja immer über Fachkräftemangel klagen, dem Wirtschaftsstandort Deutschland diese Fachkräfte zuzuführen. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir es ausdrücklich, dass der Inhalt des § 14 des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes, kurz: BQFG, an dieser Stelle in das Ingenieurgesetz und das Architektengesetz übernommen wird. Aus unserer Sicht muss also derjenige, der den Fachkräftemangel wirksam bekämpfen will, ausländische Berufsqualifikationen großzügig anerkennen.
Vor diesem Hintergrund begrüßt die SPD-Fraktion alles, was im Allgemeinen Teil der Begründung des Gesetzentwurfs unter Nr. 4 „Einführung des beschleunigten Fachkräfteverfahrens“ ausdrücklich dargelegt wird, und wird dem Gesetzentwurf heute natürlich zustimmen.
Dem Antrag der CDU-Fraktion können wir nicht zustimmen, da das Wirtschaftsministerium und auch Berufsverbände verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Artikel 12, aber auch europarechtliche Bedenken gegenüber Ihrem Antrag haben, die Fortbildungspflicht im Architektengesetz statt in der Satzung der Architektenkammer zu regeln. Andere Verbände sehen das durchaus kritisch, sodass eine vorherige Verbandsanhörung notwendig würde. Diese Verbandsanhörung ist aber aus zeitlichen Gründen nicht mehr machbar, da das Gesetzgebungsverfahren nach den Ausführungen des Wirtschaftsministers im Ausschuss spätestens im zweiten Quartal dieses Jahres beendet sein muss, um das Vertragsverletzungsverfahren noch abwenden zu können. Vor diesem Hintergrund kommt der Antrag jetzt etwas zu spät. Wir werden uns vielleicht bei der nächsten Novelle, die ja noch ins Haus steht ‑ nach der Novelle ist ja bekanntlich vor der Novelle ‑, wieder mit diesem CDU-Antrag beschäftigen. Heute müssen wir ihn leider aus den genannten Gründen ablehnen.
Vielen Dank.