23. April 2024
Rede im Rat der Stadt Osnabrück zu 75 Jahren Grundgesetz
Es gilt das gesprochene Wort.
Am 23. Mai 2024 wird unser Grundgesetz 75 Jahre alt. Es ist das Fundament unseres Zusammenlebens in einem freien und demokratischen Rechtsstaat. Es ist das Fundament unserer Freiheit.
Es ist die Antwort auch auf 12 Jahre Naziterror in Deutschland. Nie wieder Krieg, nie wieder totalitäre Diktaturen. So wollten es die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes.
Die „Mütter des Grundgesetzes“ – das sind die vier Frauen, die gemeinsam mit 61 Männern im Parlamentarischen Rat 1948 das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland erarbeiteten:
Friederike Nadig (SPD), Elisabeth Selbert (SPD), Helene Weber (CDU) und Helene Wessel (Zentrum). Sie waren 1949 wesentlich daran beteiligt, dass die Gleichstellung der Geschlechter mit dem Satz „Frauen und Männer sind gleichberechtigt.“ als Artikel 3 ins Grundgesetz aufgenommen wurde.
Von den 61 Männern des Parlamentarischen Rates möchte ich stellvertretend für viele bedeutende Persönlichkeiten seiner Zeit nennen:
Paul Löbe, Erich Ollenhauer, Ernst Reuter und Carlo Schmidt alle SPD, aber auch Konrad Adenauer und Theodor Heuss – die Namen sprechen für sich.
Als Osnabrücker Sozialdemokrat möchte ich aber insbesondere auf Hans Wunderlich hinweisen. Er war Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Osnabrück und Mitglied des Osnabrücker Stadtrates. Wir können also heute mit Stolz darauf verweisen, dass Osnabrück an der Erarbeitung des Grundgesetzes ganz vorne mit beteiligt war.
Die Männer und Frauen des Parlamentarischen Rates wollten vor allem eines: nie wieder zu viel Macht auf eine Person, nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus.
Deshalb entstand mit dem Grundgesetz die Gewaltenteilung, vor allem durch die Kontrolle der Regierung durch die Justiz in Form des Bundesverfassungsgerichts und die weitgehende Entmachtung des Bundespräsidenten und seine Beschränkung auf im Wesentlichen repräsentative Staatspflichten.
Aber vor allem die Festlegung der Bundesrepublik auf einen föderalen Rechtsstaat. Das muss man sich heute immer wieder vor Augen führen: Natürlich ist es oft nervig und unverständlich, dass wir bspw. 16 verschiedene Schulgesetze oder 16 verschiedene Bauordnungen in Deutschland haben.
Aber dieser Föderalismus war eine unmittelbare Antwort auf den Machtmissbrauch durch die Nazis. Macht sollte auf viele Schultern verteilt werden, um den demokratischen Rechtsstaat zu schützen. Föderalismus bedeutet letztendlich Machtteilung auf viele, um Machtmissbrauch zu verhindern. Und das ist auch gut so!
Wir haben aber auch einen Wettbewerbsföderalismus in Deutschland. Es ist ein Wettbewerb um die besten Ideen und Regelungen.
Es ist dieser Wettbewerbsföderalismus, der unser Land stark macht.
Lassen Sie mich noch auf mein „Lieblings-Grundrecht“ als Sozialdemokrat hinweisen:
Artikel 14 Abs. 2 des GG: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen!
Aus meiner Sicht einer der wichtigsten Grundrechtsartikel: Bildet er nämlich die Grundlage unserer Steuergesetzgebung, dass stärkere Schultern auch stärkere Lasten tragen müssen und er bildet auch die Grundlage für staatliche Eingriffe in das Wirtschaftsleben und den Markt, bspw. um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen durch staatliche Wohnungsbaugesellschaften, also immer da, wo der Markt versagt, auch staatlicherseits eingreifen zu können.
Lassen Sie mich schließen mit dem Hinweis, dass das Grundgesetz die Grundlage unseres Zusammenlebens ist. Alle Menschen in diesem Land, gleich welcher Herkunft, genießen die Rechte, die ihnen das Grundgesetz gibt, aber wo Rechte sind, gibt es auch Pflichten.
Aus meiner Sicht in erster Linie die Pflicht, das Grundgesetz zu achten und gegen Verfassungsfeinde zu verteidigen.
Das Grundgesetz hat uns am Ende zusammen mit den Partnern in der Europäischen Union fast 80 Jahre Frieden in Europa beschert.
Lassen Sie uns daher gemeinsam unser Grundgesetz verteidigen und alle Bürgerinnen und Bürger auffordern, von ihrem Wahlrecht am 9. Juni bei der Europawahl Gebrauch zu machen, denn das Grundgesetz und den Frieden in Europa darf man keinen Rechtspopulisten überlassen!
Vielen Dank.