18. April 2024
Schneller, einfacher, kostengünstiger Wohnraum schaffen
Plenarrede vom 18. April 2024
Videomitschnitt der Rede
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Text der Rede
Es gilt das gesprochene Wort.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Olaf Lies!
Heute ist ein guter Tag für Niedersachsen. Der 18. April dieses Jahres ist insofern ein guter Tag für Niedersachsen, als dass das Thema Schaffung von bezahlbarem Wohnraum heute im Vordergrund steht. Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Bauen schneller, vor allem einfacher, bürokratieärmer und günstiger zu machen.
Ich möchte daran erinnern: Wohnen, meine Damen und Herren, ist ein Menschenrecht. Mag es in früheren Jahren noch so gewesen sein, dass sich eher Menschen mit geringen Einkommensmöglichkeiten um Sozialwohnungen oder geförderte Wohnungen bemüht und keine gefunden haben, so zeigt die aktuelle Entwicklung, dass das Problem des nicht vorhandenen bezahlbaren Wohnraums in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Heute können der normale Polizist, die normale Krankenschwester mit einem mittleren Einkommen keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden, oder zumindest ist es eine Riesenaufgabe, das zu tun.
Der Wohnungsmarktbericht der NBank hat klar zum Ausdruck gebracht: Wir brauchen allein in Niedersachsen bis zum Jahre 2040 rund 147 000 bezahlbare Geschosswohnungen. Es geht also nicht unbedingt um Einfamilienhausbau, sondern um Mietwohnungsbau, der bezahlbar ist.
Meine Damen und Herren ‑ ich gucke jetzt mal in die Reihen der SPD-Fraktion ‑, wer könnte das besser organisieren als die SPD-Fraktion mit diesem Bauminister? Deswegen haben wir uns diesen Tag ausgesucht.
Ich sage es noch einmal: Die Landesregierung will das Bauen schneller, einfacher und günstiger machen. Wir haben mit der Landeswohnungsbaugesellschaft einen ersten Baustein gesetzt, indem wir 100 Millionen Euro für die Landeswohnungsgesellschaft WohnRaum Niedersachsen bereitgestellt haben, mit der 1 600 Wohnungen gebaut werden sollen – ein Invest von 430 Millionen Euro.
Zweiter Baustein ist die soziale Wohnraumförderung der NBank, die auch der Minister schon angesprochen hat: zinslose Darlehen mit 30-prozentigen Tilgungszuschüssen. Auch das ist ein bundesweit einmaliges Programm, mit dem wir uns nicht zu verstecken brauchen. Im Gegenteil, es ist ein super Programm, das kein anderes Bundesland in dieser Form hat.
Heute kommt der dritte Baustein. Heute geht es um die Novelle der Niedersächsischen Bauordnung mit integrierter Umbauordnung. Vor allen Dingen – das ist mir persönlich sehr wichtig – ist die neue NBauO ein erheblicher Beitrag zum Bürokratieabbau und zur Deregulierung. Wir haben in unserem rot-grünen Koalitionsvertrag ein ganzes Kapitel dem Thema Bürokratieabbau und Deregulierung gewidmet.
Das ist überschrieben mit „Das Leben der Menschen einfacher machen“. Deswegen habe ich davon gesprochen, dass das heute ein guter Tag ist. Denn mit der NBauO-Novelle werden wir das Leben der Menschen einfacher machen. Wir werden weniger prüfen, wir werden viel deregulieren und in die Verantwortung der Menschen – in dem Fall auch der Bauwirtschaft – zurückgeben.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wer von Ihnen in den letzten Wochen in seinen Postkasten geguckt hat. Wir haben für diese NBauO-Novelle, für diese Umbauordnung, bundesweit Zustimmung bekommen. Das ZDF hat berichtet, dass wir in Niedersachsen die Speerspitze einer Bewegung sind. Andere Bundesländer sind noch lange nicht so weit. Ich wurde von den baupolitischen Sprechern aus fünf Bundesländern angeschrieben, die mich gefragt haben, was wir hier in Niedersachsen da eigentlich machen. Mein Büro kam mit dem Kopieren gar nicht hinterher. Ich habe die ganzen Unterlagen da runtergeschickt – übrigens im Wesentlichen nach Süddeutschland –, weil die da alle noch nicht so weit sind.
Ein weiteres Novum in diesem Zusammenhang: Ich weiß nicht, wer von Ihnen die Briefe der Kreishandwerkerschaften, der Handwerkskammern, der Ingenieurkammer, der Architektenkammer gelesen hat – und auch die Stellungnahmen der Verbandsanhörung, an der sich 40 Verbände beteiligt haben. Alle waren überwiegend positiv. Aber die Kreishandwerkerschaften haben uns sogar ausdrücklich aufgefordert – und da gucke ich in die Reihen der Regierungskoalition, aber auch der Opposition –, diesem Gesetzentwurf heute zuzustimmen. In der Kreishandwerkerschaft sind die Leute, die den Bau betreiben, die am Bau stehen. Und die sagen: Das wird einfacher, das wird schneller und günstiger, das ist der richtige Weg.
Jetzt sage ich etwas in Richtung der CDU-Fraktion, das ist auch ganz spannend. Ich war zweimal beim Wirtschaftsrat der CDU eingeladen, einmal, um zum Thema Wohnungsbau und zu der Landeswohnungsgesellschaft zu berichten, und einmal, um zur Novelle der Bauordnung zu berichten. Bei der Landeswohnungsgesellschaft gab es noch eine gewisse Skepsis. Aber bei der Novelle der NBauO gab es Standing Ovations.
Das war eine tolle Veranstaltung. Der Wirtschaftsrat der CDU steht hinter dem SPD-Gesetzentwurf. Das wollte ich an dieser Stelle nur mal sagen. Insofern würde ich mich freuen, wenn Sie sich heute einen Ruck geben und das Thema gemeinsam mit uns weiter betreiben.
Zu den Inhalten der Umbauordnung. Herr Minister hat es angesprochen. Das ist auch ein ganz großes Klimaprojekt. In der Vergangenheit war es in der Regel so, dass gerade Architekten und Tragwerksplaner gesagt haben: Ein Neubau ist günstiger. Es ist besser, neu zu bauen, als ein altes Gebäude zu sanieren. – Nein, wir müssen die graue Energie sichern! Das ist das größte CO2-Einsparprogramm: die graue Energie zu sichern und das Gebäude umzubauen, nicht abzureißen und nicht neu zu bauen. Genau damit wollen wir mit der Umbauordnung anfangen.
Der zentrale Paragraf ist § 85 a. Da geht es um Aufstockung und Anbaumaßnahmen. Der Minister hat es schön gesagt: Der Neubau muss nicht mehr können als die Altbauteile. Es bedarf keiner Baugenehmigung mehr, es gibt nur noch das Mitteilungsverfahren, und die Verantwortung liegt bei den Entwurfsverfassern. Das entlastet übrigens auch die unteren Bauaufsichtsbehörden in den Kommunen, die diese Baugenehmigungen dann nicht mehr überprüfen müssen. Auch hierin liegt also ein deutlicher Beitrag zur Deregulierung, weil Prüfpflichten und dergleichen mehr entfallen.
Warum muss die Trittschalldämmung so dick sein? Man kann die Trittschalldämmung auch günstiger machen. Man kann weniger Trittschalldämmung bereitstellen. Man kann die Dicke des Mauerwerks infrage stellen. All das sind Kostensenkungsmaßnahmen, die wir mit der Bauordnungsnovelle erleichtern.
Wir haben auch Erleichterungen beim Brandschutz. Ich will dazu ein schönes Beispiel bringen: Was nutzt es uns eigentlich, wenn ein Gebäude, Baujahr 1920, das nur aus einem Erdgeschoss besteht und das die Brandschutzauflagen der 20er-Jahre erfüllt, nach aktuellen Brandschutzvorschriften um einen Stock aufgestockt wird? Heutzutage haben wir verschiedene Feuerwiderstandsklassen, und ein Neubau muss 90 Minuten lang einem Feuer standhalten. Aber das nützt doch dann nichts, wenn das Erdgeschoss in den 20er-Jahren oder 60er-Jahren gebaut wurde und nach 30 Minuten unter der Feuerlast zusammenbricht. Das macht keinen Sinn, und deswegen kann man auch die alten Standards weiterführen. Die Neubauteile müssen nur die alten Standards erfüllen und nicht die neuen. Das macht das Ganze billiger.
Das serielle Bauen, das modulare Bauen ist schon angesprochen worden. Auch das serielle Sanieren ist ganz wichtig, sodass man im Grunde genommen durch Massenfertigung entsprechende Kostenreduktionen erreicht.
Für besonders bemerkenswert halte ich den Gebäudetyp E. Damit sind wir endlich mal experimentell unterwegs. Wir können neue Gebäudetypen ausprobieren. Da sind die Architekten in ihrer Planung frei. Einfach alte Zöpfe abschneiden, weniger Vorschriften, weniger hohe Standards setzen, was das Ganze dann entsprechend günstiger macht! Der Bund muss allerdings noch mitspielen, das BGB muss dazu geändert werden, und die Architekten müssen von der Haftung freigestellt werden. Das will ich an dieser Stelle auch noch sagen.
Zur vieldiskutierten Stellplatzverpflichtung. Ich glaube, das wird nicht dazu führen, dass ein Parkplatz weniger gebaut wird. Die Architekten und Bauherren werden sich schon genau überlegen, was sie in ihrem jeweiligen Bauprojekt umsetzen wollen. Das ist auch ein Beitrag zur Deregulierung. Lasst das doch die Praktiker entscheiden! Jeder Investor wird doch wissen, ob er Wohnungen besser mit oder besser ohne Stellplatz vermarkten kann. Auch da muss die öffentliche Hand, muss der Staat nicht ständig eingreifen. Auch das ist ein Beitrag zur Deregulierung, zur Vereinfachung. Das wissen die Praktiker am besten.
Im Übrigen ist es auch heute schon so, dass gerade in verdichteten Gebieten gar keine Stellplätze gebaut, sondern Ablösebeträge gezahlt worden sind. Das ist ja möglicherweise auch der Grund für die Kritik der Kommunen – dass dann die Ablösebeiträge wegfallen. Aber das Argument, dass zukünftig keine Parkplätze mehr da sind, kann man nicht gelten lassen.
Noch ein weiteres ganz wichtiges Beispiel für innerstädtisches Bauen: Der Dachgeschossausbau wird genehmigungsfrei – ein Klassiker in den Ballungszentren. Wenn ich das Dachgeschoss ausgebaut habe, habe ich auch keinen Platz mehr für neue Parkplätze. Deswegen, glaube ich, ist es richtig, in Kombination den Dachgeschossausbau genehmigungsfrei zu stellen, ohne Bauantrag schnell den Dachgeschossausbau zu ermöglichen und gleichzeitig diesen Dachgeschossausbau dadurch günstiger zu machen, dass keine Parkplätze gebaut werden müssen.
Übrigens: Alle Vereinfachungen, alle Deregulierungsmaßnahmen gelten, mit Ausnahme des Klimaschutzes. Da gelten natürlich die aktuellen energetischen Standards. Da kann ich mal positiv nach Berlin gucken. Bei der KfW-Förderung ist der EH-40-Standard ja zurzeit ausgesetzt. Das halte ich für den richtigen Weg, weil man die energetischen Standards nicht überziehen sollte, wenn es um kostengünstiges Bauen geht.
Meine Damen und Herren, wie geht es nun weiter? – Wir haben heute Abend noch eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses. Wir werden eine Anhörung der Verbände beschließen und die am 13. Mai durchführen. Wir werden noch Sondersitzungen des Wirtschaftsausschusses durchführen. Und wir wollen schon im Juni, also von heute an gerechnet in zwei Monaten, das Plenum nutzen, um diese wirklich revolutionäre und gute neue Bauordnung zu beschließen. Das Ganze geschieht in einem revolutionären Tempo von zwei Monaten, weil wir der Bauwirtschaft das klare Signal geben wollen: Wir handeln, wir sind schnell. – Ich glaube, Olaf Scholz hat mal vom Deutschlandtakt oder so ähnlich gesprochen. Ich spreche hier vom Niedersachsentempo der niedersächsischen SPD, das zeigt, dass wir innerhalb von zwei Monaten mit unserem Koalitionspartner in der Lage sind, eine solche Bauordnung durchs Verfahren zu bringen.
Ich freue mich auf die Debatte in den Ausschüssen. Ich freue mich auf die Diskussionen mit den Kreishandwerkerschaften und den Bauunternehmen, weil die genau hinter dieser Novelle stehen. Von daher ist das Tempo, was wir heute an den Tag legen, das neue Niedersachsentempo, genau das Richtige.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.