31. März 2022
Woche der beruflichen Bildung bei den Osnabrücker BBSen
Austausch mit den Schulleitern und Vertretern der Schulträger
Im Rahmen der aktuell stattfindenden „Woche der beruflichen Bildung“ war ich in dieser Woche gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Landtag zu Besuch bei der BBS Brinkstraße. Mit Vertretern der Schulträger und den Schulleitern der BBSen aus Stadt und Landkreis haben wir uns über aktuelle Themen der beruflichen Bildung ausgetauscht, beispielsweise der Berufs- und Studienorientierung oder dem lebenslangen Lernen.
Dankenswerterweise hat uns Wilhelm Brüggemann zum Termin bei der BBS Brinkstraße den folgenden Text zur Verfügung gestellt:
Eine Runde Sache in Sachen beruflicher Bildung
Dialogveranstaltung in der BBS Brinkstraße
Martin Henke, Schulleiter der BBS Brinkstraße in Osnabrück, schaute zufrieden in die Runde. Anlässlich der niedersachsenweiten „Woche der beruflichen Bildung“ hatten er und die weiteren sechs Schulleiter der berufsbildenden Schulen in Stadt und Landkreis Osnabrück zu einer Dialogveranstaltung geladen, in der es um die aktuelle Bedeutung und Zukunft berufsbildender Schulen ging. Fünf Landtagsabgeordnete aus vier Parteien, drei Vertreter der Schulträger, also der Stadt und des Landkreises Osnabrück, sowie ein schulfachlicher Dezernent waren sehr zur Freude der Gastgeber der Einladung gefolgt, um sich über insgesamt vier Themenblöcke auszutauschen.
Moderator Jochen Pabst, Schulleiter der BBS am Schölerberg, erteilte als erstes seinem Schulleiterkollegen aus Bersenbrück, Thomas Kohne, das Wort, der über die Digitalisierung in der beruflichen Bildung informierte. Diese, so Kohne, schreite in einem atemberaubenden Tempo voran, was man z. B. auch am fortschreitenden Einsatz von Robotertechnik im Pflegebereich erkenne, und stelle die BBSen mit ihren klaren beruflichen Bezügen und vor dem Hintergrund eines zunehmenden Fachkräftemangels vor große Herausforderungen, denen man sich aber selbstverständlich stellen werde. Es gehe darum, die neuen Techniken und Softwareentwicklungen nicht nur zu beherrschen, sondern in professionelle Lernmanagementsysteme einzubinden. Das bedeute – bei der höchst heterogenen Schülerschaft der BBSen, die von abgebrochenen Hochschulstudent*innen bis zu Schüler*innen mit Migrationshintergrund reichen – ein individualisiertes curriculares Konzept, was wiederum mehr Ressourcen für Fortbildungen sowohl in fachlicher wie pädagogischer Hinsicht erfordere.
„Was können wir tun?“, fragte der SPD-Landtagsabgeordnete Frank Henning, stellvertretend auch für seine Kollegen von der CDU, FDP und den Grünen. Kohne forderte mehr Eigenständigkeit im digitalen Bereich für die BBSen. Z. B. sei die niedersächsische Bildungscloud für viele BBSen nicht geeignet, da diese in ihrer Entwicklung bereits deutlich weiter seien als allgemeinbildende Schulen. Zudem seien Anrechnungsstunden für Softwareentwicklung und zusätzliches Personal für Betreuung und Wartung ebenso zwingend erforderlich wie eine Finanzierung der Fortbildungsveranstaltungen durch die Schulträger oder das Land.
Als nächster Themenblock stand die Berufs- und Studienorientierung auf der Agenda. Dazu führte Ulf Zumbrägel, ständiger Vertreter des Schulleiters des BSZ Westerberg, aus, dass man mit Blick auf die Berufsorientierung in der Region Osnabrück gut aufgestellt sei. So gebe es zahlreiche Kooperationen mit allgemeinbildenden Schulen, in deren Rahmen entsprechende Schüler*innen z. B. im Rahmen von Schnuppertagen erste Einblicke in Berufsfelder an den BBSen gewinnen könnten. Er betonte hier insbesondere den fachpraktischen Unterricht, der mit dem entsprechenden „Meisterpersonal“ z. B. im handwerklichen Bereich einen engen berufspraktischen Bezug garantiere. Der große Vorteil im Vergleich zum Betriebspraktikum sei hier die pädagogische Begleitung. Darum sei es wichtig, die Kooperation zwischen BBSen und allgemeinbildenden Schulen auszubauen und zu verstetigen.
Das, so Zumbrägel, gelänge am besten in einer eigenständigen Schulform für Berufsorientierung, die an den BBSen verortet werden müsse. Er wies zudem auf die enorme Integrationsleistung von Schüler*innen mit Migrationshintergrund hin, was man z. B. auch durch Sprachförderklassen ermöglicht habe. „Die BBSen können viel, wenn man sie lässt“, so sein Fazit, was er mit einer Forderung nach mehr Flexibilität und Eigenständigkeit verknüpfte.
Der nächste Themenblock widmete sich dem lebenslangen Lernen. Erste Impulse setzten hier der ständige Vertreter des Schulleiters der BBS am Pottgraben, Heinz Fortmann, und Martin Henke. Sie wiesen auf die Dreh- und Angelfunktion der BBSen im Kontext beruflicher Bildung hin. Fortmann verdeutlichte, dass durch die Globalisierung und Digitalisierung ein lebenslanges Lernen erforderlich sei, was sich auch in entsprechenden Fort- und Weiterbildungen manifestiere. Seine Schule ermögliche z. B. eine Weiterbildung zum Europakaufmann oder den Erwerb eines Bachelorabschlusses durch die Fachschule Betriebswirtschaft. Analog für den technischen Bereich wies Henke auf die Zusatzqualifikation Cisco für Fachinformatiker hin, die eine zertifizierte Weiterqualifizierung u. a. in den Bereichen IP Datennetze sowie Automatisierung und Programmierung ermögliche. Eine höhere Durchlässigkeit für andere Bildungsgänge sei dazu wünschenswert. Z. B. solle es eine Anrechnung bestimmter Qualifikationen auf ein eventuelles späteres Hochschulstudium geben. Man sei darüber mit der Hochschule Osnabrück im Gespräch, fordere aber auch eine entsprechende gesetzliche Verankerung, die dann einen verpflichtenden Charakter habe. Der Erste Stadtrat Wolfgang Beckermann wies darauf hin, dass auch eine entsprechende Zusammenarbeit mit der Universität Osnabrück im Fluss sei.
Zu guter Letzt ging es um das schulische Qualitätsmanagement und die Rahmenbedingungen. Hilko Meyer, Schulleiter der BBS Haste, und Jochen Pabst präsentierten dazu ein umfangreiches Papier mit 48 Kernaufgaben, die in sieben Qualitätsbereichen einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen würden. „Ein solch umfangreiches System gibt es in keiner anderen Schulform!“, konstatierten sie unisono. Sie verwiesen darauf, dass auch in Verbindung mit den umfangreichen neuen Herausforderungen und Aufgaben der BBSen die Stundenausstattung der Lehr- und Leitungskräfte nicht angepasst worden sei. Neben mehr finanziellen und rechtlichen Freiheiten, z. B. bei der Festanstellung von Schulsozialarbeitern und weiterem nicht-lehrenden Personal, fordern sie darum eine Erhöhung der Ermäßigungsstunden bei den entsprechenden Funktionsträger*innen.
Zusagen waren den anwesenden Politikern – ob Regierung, ob Opposition – erwartungsgemäß nicht zu entlocken, aber die CDU-Abgeordnete Annette Meyer zu Strohen riet zur Wiederholung entsprechender Veranstaltungen: „Man erfährt einfach mehr über die berufsbildenden Schulen und kann sich so ein fundierteres Bild machen.“, so ihre Worte.
In diesem Sinne zog auch Gastgeber Martin Henke ein positives Fazit: „Unsere Absicht war, die Relevanz der berufsbildenden Schulen zu verdeutlichen. Dabei haben wir Interesse wahrgenommen und das Gefühl gewonnen, dass unsere Forderungen auf offene Ohren gestoßen sind.“
Wilhelm Brüggemann