25. Oktober 2018
Rede zur Verhinderung von Dieselfahrverboten
Redebeitrag zu einem Antrag der FDP-Fraktion
Videomitschnitt der Rede
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Text der Rede
Es gilt das gesprochene Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!
Für die SPD-Landtagsfraktion ist völlig klar: Wir wollen Fahrverbote vermeiden und gleichzeitig für saubere Luft sorgen. Wir wollen beides. Die vorgegebenen EU-Grenzwerte sind selbstverständlich einzuhalten. Auch die Autoindustrie muss natürlich ihren Beitrag dazu leisten. Das sieht der Diesel-Kompromiss der Bundesregierung ja auch vor. Es gilt das Verursacherprinzip. Wir müssen dafür sorgen, dass nicht die Verbraucher bzw. die Dieselfahrer oder die Dieselfahrerinnen die Dummen sind. Hier ist klar die Autoindustrie gefordert.
Flächendeckende Fahrverbote, meine Damen und Herren, die vielleicht von den Grünen oder von den Umweltaktivisten vorgesehen sind, wären für Pendler, die gerade in der Fläche täglich aufs Auto angewiesen sind, aber auch für das mittelständische Handwerk und für kommunale Dienstleistungen verheerend – um nicht zu sagen: existenzbedrohend.
Klar ist: Hier muss die Verhältnismäßigkeit der Mittel und der Maßnahmen gewahrt bleiben. Das haben wir heute schon während der Dringlichen Anfrage mit unserem Minister Olaf Lies diskutiert. Bei nur geringfügigen Grenzwertüberschreitungen ist nach unserer festen Überzeugung die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gewahrt.
Ich nehme einmal das Beispiel Osnabrück. 40 µg beträgt der Grenzwert. Dort liegen wir derzeit bei 41 µg. Es wäre unverhältnismäßig, deswegen ein Fahrverbot zu verhängen – das übrigens noch weitere Umweltprobleme nach sich ziehen würde. Ich erinnere daran, dass es dann Umwegfahrten gibt, sodass mehr Kilometer zurückgelegt werden. Die Leute werden sich den Weg in die Innenstadt durch eine Straßen- und Streckensperrung ja nicht versperren lassen. Insofern haben wir unter ökologischen Gesichtspunkten mehr Probleme, wenn es zu Streckensperrungen kommt. Ich erinnere an das Beispiel Hamburg, wo eine komplette Straße gesperrt worden ist. Die Leute werden schlicht und einfach darum herumfahren und mehr Kilometer zurücklegen. Damit ist für die Umwelt übrigens nichts getan.
In Richtung der Grünen will ich an dieser Stelle sagen: Der Diesel mag ein Auslaufmodell sein – aber noch nicht bis 2030. Die Grünen haben vorgegeben, 2030 solle der Verbrennungsmotor sterben. Ich glaube, dass wir den Diesel zumindest für eine Übergangszeit, solange die Voraussetzungen für die Elektromobilität noch nicht optimal sind, sehr wohl noch brauchen. Ich glaube, dass wir beides brauchen. Wir brauchen Elektromobilität und Ladestationen. Aber wir müssen auch dem Diesel als Übergangstechnologie selbstverständlich eine Chance geben. Da dient so ein Datum wie 2030 nun wirklich nicht.
Eines will ich dann auch noch einmal deutlich sagen – Minister Olaf Lies hat heute Morgen auch schon darauf hingewiesen -: Wir reden die ganze Zeit über Stickstoffdioxid. Das ist schön und gut. Die Grenzwerte sind einzuhalten. Was den Klimaschutz angeht, ist der Diesel aber natürlich die deutlich bessere Technologie; denn der Diesel ist CO2-ärmer. Das möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal deutlich ausführen.
(Beifall bei der SPD und bei der FDP sowie Zustimmung bei der CDU)
Ich bin übrigens auch optimistisch, dass wir ohne Fahrverbote die Grenzwerte einhalten werden. Wir müssen nämlich das machen, was schon lange gefordert ist, z. B. umweltsensitive Verkehrsmanagementsysteme. In Braunschweig wurden sie erprobt. In Osnabrück haben wir gerade 3,5 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt, um solche umweltsensitiven Verkehrsmanagementsysteme tatsächlich auch in der Realität einzusetzen. Das heißt: vernünftige Ampelsteuerungen, Verflüssigung des Verkehrs, Staus vermeiden und dort, wo Staus entstehen, dies über eine Digitalisierung, über die Datentechnik, frühzeitig erkennen, um den Autofahrern Alternativstrecken anzubieten. Ich glaube, das muss der richtige Weg sein. Das kann dann auch helfen, Fahrverbote zu vermeiden.
Das Thema Elektromobilität hatte ich ja schon erwähnt. In Osnabrück kaufen wir 40 Elektrobusse, um das Stadtzentrum vom Dieselbus zu befreien. Das ist ein riesiges Investitionsprogramm. Damit setzen wir einen wichtigen Meilenstein in Sachen Elektromobilität – neben dem umweltsensitiven Verkehrsmanagementsystem.
Ich sage aber noch einmal deutlich: Die Frage, ob es zu Dieselfahrverboten oder Fahrverboten in den Innenstädten kommen soll, treibt nun wirklich schon seltsame Blüten. Wenn ich mir den FDP-Antrag angucke, kann ich einerseits feststellen: Wir sind uns zwar im Ziel einig, jetzt Fahrverbote zu vermeiden.
(Christian Grascha [FDP]: Immerhin! –
Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist mehr als sonst!)
Das habe ich hier mehrfach dargestellt. Andererseits kann es aber nicht im Sinne des Erfinders sein, jetzt Messcontainer umzustellen und sie 10 m weiter von der Straße entfernt hinzustellen. Ich habe im Rahmen der Dringlichen Anfrage vorhin die entsprechende Frage gestellt. Das Umweltbundesamt und auch die Landesregierung haben klar geantwortet, dass es keinen Sinn macht, die Messstationen umzustellen. Es gibt klare gesetzlichen Regelungen, wo sie stehen müssen.
(Jörg Bode [FDP]: Genau!)
Ich sage Ihnen auch ganz ehrlich: Es hat ein Geschmäckle, jetzt plötzlich, weil die Grenzwerte nicht passen und es hier zu Grenzwertüberschreitungen kommt, zu glauben, man könne das Problem dadurch lösen, dass man die Messcontainer umstellt.
(Jörg Bode [FDP]: Wir hätten sie schon vor einem Jahr umstellen müssen!)
Da sage ich nur eines: Auf den Diesel-Beschiss der Autoindustrie folgt dann der Mess-Beschiss der FDP. – Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren! Das werden wir auf keinen Fall mitmachen.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsident Frank Oesterhelweg:
Herr Kollege Henning, für diesen Begriff – dafür werden Sie Verständnis haben – erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. Das Wort mit dem „B…“ gehört nicht in diesen Saal.
(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Darüber freut er sich auch noch!)
Frank Henning (SPD):
Ich nehme ihn in Demut hin, meine Damen und Herren.
Vizepräsident Frank Oesterhelweg:
Das hoffe ich.
Frank Henning (SPD):
Die Messstationen müssen also da bleiben, wo sie sind – schon aufgrund der Äußerungen des Umweltbundesamtes; denn wir brauchen natürlich eine längere Messreihe über mehrere Jahre, um dann auch die Messstationen zu vergleichen.
Meine Damen und Herren, ich war aber bei Stilblüten. Da will ich die Grünen auch nicht ganz ungeschoren davonkommen lassen und mich heute nicht nur mit der FDP und ihrem Antrag beschäftigen. Nach dem Redebeitrag von Herrn Schulz-Hendel habe ich schon den Eindruck, dass es weniger um die Frage des Grenzwertes geht, sondern in der Tat darum, Fahrverbote durchzusetzen. Das ist durch den Redebeitrag von Herrn Schulz-Hendel sehr deutlich geworden.
Ich finde, wir müssen hier nicht den ideologischen Feldzug der Grünen gegen das Auto fortsetzen,
(Zurufe von den GRÜNEN: Oh!)
sondern wir müssen die Probleme lösen. Ich frage mich – – –
Vizepräsident Frank Oesterhelweg:
Herr Kollege Henning, ich bitte um Nachsicht. Herr Kollege Bode möchte eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie sie zu?
Frank Henning (SPD):
Bitte, Herr Bode. Wobei ich doch gerade bei Ihrem Koalitionspartner war…
Vizepräsident Frank Oesterhelweg:
Bitte schön, Herr Bode!
Jörg Bode (FDP):
Sie haben so lange weitergeredet. Meine Frage war eigentlich schon einen kleinen Moment vorher angemeldet gewesen, als Sie das Wort Mess-… gesagt haben. Vor dem Hintergrund, dass Sie uns vorgeworfen haben, das Umstellen von Messstationen innerhalb der zulässigen Spielräume der Europäischen Union stelle einen Messbetrug dar, möchte ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass in der Amtszeit dieser Landesregierung bzw. der Vorgängerregierung die Messstation an der Göttinger Chaussee umgestellt wurde, und ob dieser Sachverhalt aus Ihrer Sicht auch einen Messbetrug durch die Niedersächsische Landesregierung darstellt, weil man hier ja tatsächlich so, wie es von uns gefordert wird, innerhalb des Rahmens der Europäischen Union umgestellt hat, der nicht ausreichend ist, und wie sich das eigentlich mit der Aussage von Minister Lies verträgt, man dürfe eigentlich gar nichts umstellen.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsident Frank Oesterhelweg:
Herr Kollege Bode, das ist eine sehr lange Frage. – Bitte schön!
Frank Henning (SPD):
Herr Bode, Sie müssen zuhören. Ich habe gesagt: Ihr Antrag erweckt den Eindruck, als wolle man, weil die Grenzwerte überschritten sind, die Messstellen versetzen, um dann zu besseren Werten zu kommen. – Diesen Eindruck erwecken Sie mit dem Antrag. Mehr habe ich nicht gesagt. Von daher habe ich von einem Mess… – ich darf und möchte das Wort nicht wiederholen – gesprochen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss, weil sich meine Redezeit dem Ende nähert. Ich möchte noch auf einen Punkt hinweisen. Wir haben den deutlichen Eindruck gewonnen, dass es der grünen Landtagsfraktion hier eher um einen Feldzug gegen das Automobil geht. Wir müssen die Dieselfahrverbote hier nicht zum Thema machen, um gegen den Diesel zu Felde zu ziehen.
Ich glaube, dass wir mit der Dieseltechnologie – in der Tat für eine gewisse Übergangszeit – eine gute, überzeugende Technologie haben, die wir auch noch eine Zeit lang brauchen werden, weil die Elektromobilität an dieser Stelle noch nicht so weit ist. Ich glaube auch, deutlich darauf hinweisen zu müssen: Bei einem Drittel Braunkohle im bundesdeutschen Energiemix ist das Thema Elektromobilität an dieser Stelle vielleicht doch noch nicht so weit.
(Glocke des Präsidenten)
Denn wenn ich ein Drittel Braunkohle im Energiemix habe,
(Imke Byl [GRÜNE]: Weil Sie nicht aus der Braunkohle wollen!)
dann ermöglicht Elektromobilität zwar, lokal Emissionen in den Innenstädten zu vermeiden und möglicherweise die Grenzwerte einzuhalten; global habe ich aber noch nicht viel erreicht, solange wir an dieser Stelle immer noch auf Braunkohle setzen und der Strommix zu einem Drittel aus Braunkohle besteht.
(Imke Byl [GRÜNE]: Raus aus der Braunkohle!)
Das ist kein Plädoyer gegen die Elektromobilität. Ich will nur darauf hinweisen, dass bei dem derzeitigen Energiemix – – –
Vizepräsident Frank Oesterhelweg:
Herr Kollege, 30 Sekunden lang bin ich immer sehr nachsichtig. Aber Sie sind jetzt drüber.
Frank Henning (SPD):
Aber Herr Bode hat doch so lange gefragt.
(Lachen bei der FDP)
Vizepräsident Frank Oesterhelweg:
Nein, nein, das wurde extra gerechnet. Letzter Satz, bitte!
Frank Henning (SPD):
Meine Damen und Herren, wir sind gegen Fahrverbote, und wir sind sicher, dass wir diese Fahrverbote vermeiden können. Vielen Dank.
(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)
Vizepräsident Frank Oesterhelweg:
Vielen Dank, Herr Kollege Henning. – Eine Kurzintervention hat der Kollege Schulz-Hendel angemeldet. Bitte sehr!
Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bis fast zum Schluss der Rede von Herrn Henning glaubte ich, es könne noch ganz gut werden.
(Wiard Siebels [SPD]: Das ist es auch geworden!)
Aber dass Sie den Grünen nun einen ideologischen Feldzug gegen das Auto vorwerfen,
(Zustimmung bei der CDU)
das kann ich hier nicht so stehen lassen. Ganz im Gegenteil, Herr Henning: Sie führen einen ideologischen Feldzug gegen betrogene Autofahrerinnen und Autofahrer.
(Beifall bei den GRÜNEN –
Wiard Siebels [SPD]: Das ist ja abenteuerlich!)
Wir als Grüne stehen vollumfänglich hinter den betrogenen Menschen. Wir stehen hinter den Autofahrerinnen und Autofahrern, die nicht viel Geld verdienen und die heute noch Kreditraten für ihren Diesel zahlen, den Sie im Vertrauen darauf gekauft haben, ein ordentliches Auto zu bekommen, deren Auto aber heute nichts mehr wert ist. Für diese Menschen, liebe SPD, sollten Sie etwas tun,
(Wiard Siebels [SPD]: Das machen wir auch!)
und Sie sollten den Grünen nicht irgendwelche Ideologien vorwerfen.
(Beifall bei den GRÜNEN –
Wiard Siebels [SPD]: Eine unglaubliche Verdrehung!)
Ich finde, das ist schlichtweg ein Skandal. Politikwissenschaftler sagen: Ein Hauptgrund für die Umfragewerte und für den Zerfall Ihrer Partei ist der Umgang mit dem Dieselskandal und mit den betrogenen Autofahrerinnen und Autofahrern.
(Beifall bei den GRÜNEN –
Wiard Siebels [SPD]: Das ist wirklich abenteuerlich! –
Gegenruf von Anja Piel [GRÜNE]: Das hören Sie nicht gerne!)
Vizepräsident Frank Oesterhelweg:
Vielen Dank. – Der Kollege Henning möchte antworten.
(Unruhe)
– Ich darf, liebe Kolleginnen und Kollegen, um Ruhe bitten, damit sie auch die Antwort mitbekommen.
Frank Henning (SPD):
Lieber Kollege Schulz-Hendel, ich muss schon sagen: Ich bin froh über diesen Erkenntnisgewinn bei den Grünen. Dass ich noch erleben darf, dass die Grünen hinter dem Autofahrer stehen, das finde ich hervorragend. Gut, dass Sie das klargestellt haben.
(Lebhafter Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der CDU, bei der FDP und bei der AfD)
Und im Übrigen auch hinter der Autofahrerin. Das tun wir übrigens auch. An dieser Stelle muss ich Ihnen wieder vorwerfen, mir nicht zugehört zu haben. Ich habe meine Rede damit eingeleitet, dass ich gesagt habe: Es darf nicht sein, dass die Autofahrer die Dummen sind. Der Verbraucher muss hier geschützt werden. Die Autoindustrie ist gefordert. – Das werden Sie im Wortprotokoll nachlesen können. Das habe ich eingangs gesagt.
(Wiard Siebels [SPD]: Wir haben die Musterklage durchgesetzt! Was haben Sie gemacht? Nichts!)
Aber ich finde es gut, dass jetzt auch Sie sich gemeinsam mit uns für den Autofahrer und für den Verbraucher einsetzen. Der ist in der Tat an dieser Stelle zu schützen. Sie haben vorhin gesagt, ich hätte Ihnen vorgeworfen, einen ideologischen Feldzug zu führen. Aber Sie haben doch gerade wieder deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es Ihnen nur darum geht, Fahrverbote durchzusetzen.
(Zustimmung bei der CDU)
Das Automobil hat aus Ihrer Sicht in der Innenstadt nichts verloren. Wir gehen einen anderen Weg. Wir gehen den Weg, tatsächlich die Grenzwerte einzuhalten, auch ohne Fahrverbote. Wir sind der festen Überzeugung – wir können das an den Beispielen Osnabrück und Braunschweig sehr deutlich erkennen -, dass umweltsensitive Verkehrsmanagementsysteme – – – Übrigens gehen – das habe ich eben vergessen zu erwähnen – 100 Millionen Euro aus der VW-Milliarde in Luftreinhaltungsmaßnahmen. Das hat die Landesregierung beschlossen.
(Miriam Staudte [GRÜNE]: Sie stecken den Kopf in den Sand!)
Osnabrück und Hannover werden von den Mitteln profitieren, die wir für diese Verkehrsmanagementsysteme ausgeben, die erforderlich sind, um die Grenzwerte tatsächlich einzuhalten, Stichworte „Pförtnerung des Verkehrs“, „Steuerung des Verkehrs“. Wir werden den Kommunen mit diesen Mitteln unter die Arme greifen, damit sie finanziell in der Lage sind, diese Dinge zu bezahlen.
(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)