10. Juni 2021
Rede zum Verbot von Werkverträgen
Plenarrede vom 10. Juni 2021
Videomitschnitt der Rede
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Text der Rede
Es gilt das gesprochene Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst einmal vielen Dank an die grüne Landtagsfraktion dafür, dass Sie mit Ihrem Antrag die Arbeit der Bundesregierung, vor allem von Hubertus Heil als unserem Bundesarbeitsminister, heute noch einmal deutlich unterstützen; denn es war unser Bundesarbeitsminister Heil, der das Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie ziemlich tatkräftig durchgesetzt hat.
Werkverträge sind menschenverachtend und beuten Menschen aus. Elementare Arbeitnehmerrechte bleiben dabei auf der Strecke. Das hat die Diskussion in der Fleischindustrie deutlich gezeigt. Da sind wir uns auch alle einig, glaube ich. Insofern war Ihr Ursprungsantrag durch das beherzte Handeln von Hubertus Heil schon der Sache nach erledigt, als Sie ihn gestellt haben. Mit dem heute vorliegenden Änderungsantrag korrigieren Sie Ihren eigenen Ursprungsantrag und wollen noch einmal drauflegen, die Kontrollen verstärken und die Regeln verschärfen. Ich habe allerdings den Eindruck, dass Sie hier nur noch einmal eine eigene Duftmarke setzen wollen, um nicht zugeben zu müssen, dass Hubertus Heil unser gemeinsames Kernanliegen, die Werkverträge in der Fleischindustrie zu verbieten, schon lange umgesetzt hat.
Die Unterrichtung durch die Landesregierung zu Ihrem Änderungsantrag im Wirtschaftsausschuss hat im Übrigen ergeben, dass einige Punkte gar nicht so umsetzbar sind, wie Sie sie im Änderungsantrag vorgesehen haben. Die Umsetzung der von der Grünen-Fraktion geforderten erhöhten Kontrollquote von 5 % schon vor dem Jahr 2026 wird an dem dafür erforderlichen qualifizierten Personal scheitern, das bis dahin noch nicht zur Verfügung steht. Denn für die Qualifizierung dieses neuen, zusätzlichen Personals – und Sie haben ja selber gesagt, dass es eine ganze Menge Betriebe sind, die überprüft werden müssen – braucht es einen größeren zeitlichen Vorlauf, sodass dieser Punkt schon an praktischen Umsetzungsschwierigkeiten scheitern wird.
Im Übrigen ist der Antrag in einem Punkt auch sachlich falsch. Nicht die Kommunen sind für Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zuständig, sondern die Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter. Auch dieser Punkt in Ihrem Antrag geht schlicht und einfach ins Leere, meine Damen und Herren.
Was mich aber an Ihrem Antrag generell stört, ist die einseitige Fokussierung auf die Fleischindustrie. Auch Ihr erweiterter Änderungsantrag bezieht sich auf die Fleischindustrie. Dabei müssen wir doch feststellen, dass das Problem der Werkverträge viel weiter geht und nicht nur diese eine Branche der Fleischindustrie betrifft. Das System der Werkverträge ist in den letzten Jahren auf viele Branchen deutlich ausgeweitet worden.
Wir als SPD-Fraktion sagen sehr deutlich: Wir wenden uns gegen Werkverträge, wenn sie dazu missbraucht werden, ganze Belegschaften und Kernbestandteile der Produktion auszulagern, weil mit ihnen Tarife und Arbeitsbedingungen unterlaufen und vor allen Dingen Handlungsmöglichkeiten von Betriebsräten ausgehebelt werden.
Vielen Unternehmen geht es vor allen Dingen nur darum, mit Werkverträgen die Verantwortung für ihre Beschäftigten abzugeben. Es kann nicht sein, dass die Mehrheit der Beschäftigten bei Subunternehmern angestellt ist, die ausschließlich über Werkverträge als Dienstleister tätig sind. Das Kerngeschäft – darum geht es uns – einer Produktionsfirma darf nicht ausschließlich oder überwiegend per Werkvertrag erledigt werden bzw. der gesamte Produktionsprozess darf nicht an Externe delegiert werden. Stammbelegschaften, meine Damen und Herren, müssen wieder eine klare und deutlich erkennbare Mehrheit unter den Beschäftigten bilden.
Ausbeutung und systematische Umgehung gesetzlicher Mindeststandards gehören bislang in vielen Branchen zum System. Ich verweise einmal auf die Erfahrungen aus der Beratungspraxis von Faire Mobilität, der Beratungsstelle des DGB in Oldenburg, die der Bund auch mit 4 Millionen Euro unterstützt, oder die Erfahrungen des Landes im Rahmen der Unterstützung der Beratungsstellen für mobile Beschäftigte mit insgesamt 850 000 Euro. Diese Beratungsstellen, die wir hier bei fünf Trägern von Arbeit und Leben Niedersachsen haben, sind seinerzeit durch eine Initiative der SPD-Landtagsfraktion zustande gekommen.
Jüngstes Beispiel – darauf möchte ich heute noch unbedingt zu sprechen kommen – ist wieder einmal die Meyer-Werft in Papenburg, meine Damen und Herren. Für großen Streit sorgen auch hier die Werkverträge. Betriebsrat und Gewerkschaft IG Metall werfen der Geschäftsführung vor, Kernarbeiten über Werkverträge erledigen zu lassen, während die Stammbelegschaft in Kurzarbeit ist.
Ich bin geradezu entsetzt über die aktuellen Vorkommnisse auf der Papenburger Meyer-Werft. Der Versuch der Geschäftsführung, die Belegschaft zu spalten und ohne Beteiligung des Betriebsrates eine Abstimmung herbeizuführen, ob nun 1 000 oder nur 660 Kolleginnen und Kollegen entlassen werden sollen, ist ein unmöglicher Vorgang. Das können wir nicht akzeptieren.
Ein derartiger Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Meyer-Werft ist aus meiner Sicht nicht zu verantworten. Unsere Fraktionsvorsitzende Hanne Modder hat aus Sicht der SPD-Fraktion und auch als örtliche Wahlkreisabgeordnete in letzter Zeit schon deutliche Worte dazu gefunden. Ich zitiere: „In Deutschland gilt das Betriebsverfassungsgesetz – und das gilt eben auch für die Meyer-Werft.“
Es ist aus unserer Sicht Aufgabe des Betriebsrates, so viele Arbeitsplätze wie irgend möglich zu retten und die Umwandlung von Stammarbeitsplätzen in Werkvertragsarbeitsplätze zu verhindern. Nur wenn der Betriebsrat Einsicht in die Pläne der Geschäftsleitung bekommt, wird sich auch dieser Werftstandort am Ende sichern lassen. Aufgabe der Politik – deswegen spreche ich das an – muss es sein, die weitere Ausdehnung von Werkverträgen in anderen Branchen, nicht nur in der Fleischindustrie, zu verhindern. Es darf nicht sein, dass wir weiter dabei zusehen, wie Stammbelegschaften bei der Meyer-Werft in Kurzarbeit sind oder gar entlassen werden, während Werkvertragsarbeitnehmer gleichzeitig das Kerngeschäft der Produktion zu übernehmen drohen – und das in einer Situation, in der die Meyer-Werft öffentliche Subventionen aus Steuergeldern erhält.
Meine Damen und Herren, hier sehe ich dringenden Handlungsbedarf für die SPD-Landtagsfraktion, aber auch für die Politik insgesamt. Deswegen lehnen wir heute den Grünen-Antrag – weil er sich nur auf die Fleischindustrie bezieht – als zu einseitig und für viel zu unterdimensioniert ab. Wir glauben, dass wir da viel mehr tätig werden müssen.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.