21. Januar 2016
Rede zum Unternehmenssteuerreformgesetz
Videomitschnitt der Rede
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Text der Rede
Es gilt das gesprochene Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
der vorliegende Entschließungsantrag der CDU-Fraktion ist in mehrfacher Hinsicht kurios. Der Antrag reiht sich ein in eine Vielzahl von Anträgen der Union, mit denen sie versucht, ihr wirtschaftspolitisches Profil zu schärfen.
Sie kritisieren die angeblich zu hohe Steuerbelastung von Unternehmen, übersehen aber, dass die Gewerbesteuer die Haupteinnahmequelle der Kommunen ist und diese massive Steuereinbrüche zu verzeichnen hätten, würden wir all diesen Unionsanträgen folgen. Kommunalfreundlich ist dieses Vorgehen jedenfalls nicht.
Kurios ist der Antrag auch insoweit, als die CDU-Fraktion nun schon Änderungsanträge zu ihren eigenen Anträgen stellen muss, damit diese überhaupt abstimmungsfähig sind. Im Ursprungsantrag forderte die CDU die Landesregierung auf, sie möge den Anwendungserlass vom 2. Juli 2012 zu den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungstatbeständen dahingehend ändern, dass die Entgelte der Reiseveranstalter für die Anmietung von Hotelunterkünften nicht der Gewerbesteuerhinzurechnung unterliegen.
Im Haushaltsausschuss haben wir Sie dann dahingehend aufgeklärt, dass es sich bei diesem Anwendungserlass nicht um einen Erlass des Niedersächsischen Finanzministeriums, sondern um einen Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder handelt, der zwischen dem Bundesfinanzministerium und den obersten Finanzbehörden der Länder verbindlich abgestimmt ist und seitens eines einzelnen Landes nicht so ohne weiteres abgeändert werden kann.
Als Sie das dann endlich begriffen haben, haben Sie ihren Ursprungsantrag geändert und fordern die Landesregierung nun auf, politisch initiativ zu werden, um die Steuerbelastung der Reiseveranstalter zu senken.
Ich gratuliere der CDU-Fraktion, dass Sie jetzt wenigstens formalrechtlich mit Ihrem Änderungsantrag auf der richtigen Spur sind, auch wenn es lange gedauert hat für diesen Erkenntnisgewinn.
In der Sache selbst bleibt der Antrag aber weiterhin kurios.
Ich kann hierzu nur feststellen, dass es nach meinem Verständnis nicht Aufgabe des Landtags sein kann, politisch darüber zu befinden, wie Steuerrechtsnormen juristisch auszulegen sind. Das ist nun einmal Aufgabe der Gerichte. Und wie Ihnen das Niedersächsische Finanzministerium auf Ihre immer gleichlautenden und damit inhaltlich nicht unbedingt besser werdenden mündlichen und schriftlichen Anfragen nun schon mehrfach mitgeteilt hat, ist es Sache der Gerichte, diese Rechtsfragen zu klären.
Deshalb wartet sowohl die Landesregierung als auch die Bundesregierung auf den Ausgang des diesbezüglichen Musterverfahrens vor dem Finanzgericht Münster. Übrigens auch das CDU-geführte Bundesfinanzministerium stellt die Auslegung der Länder, dass die Entgelte für die Anmietung von Hotelunterkünften der Gewerbesteuer unterliegen, ausdrücklich nicht in Frage.
Ganz im Gegenteil geht auch das Schäuble-Ministerium davon aus, dass dieser Sachverhalt unter die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschriften fällt. Nachzulesen in einer Antwort des BMF vom 14.01.2016 auf eine kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion, die seit vorgestern im Internet veröffentlicht ist.
Sie stehen als Landes-CDU damit ziemlich allein, zumindest teilt das CDU-geführte BMF Ihre Auffassung ausdrücklich nicht.
Im zweiten Teil Ihrer Antragsbegründung fordern Sie die Landesregierung zum Handeln auf, weil die deutschen Reiseveranstalter angeblich mit einer zusätzlichen Steuerlast von etwa 1,4 Mrd. Euro belastet würden und dies im europäischen Wettbewerb zu Verzerrungen führen würde.
Nun, so kann man natürlich argumentieren, dennoch sollte man überprüfen, ob Ihre Argumentation stichhaltig ist. Dazu muss man sich ein wenig mit der Gewerbesteuersystematik und vor allem dem Unternehmenssteuerreformgesetz der großen Koalition aus CDU und SPD aus dem Jahre 2008 beschäftigen. Wenn man dies tut, wird man schnell feststellen, dass Ihre Argumentation der Wettbewerbsverzerrung einer Überprüfung nicht standhält.
Ich hatte Sie bereits im Haushaltsausschuss darauf hingewiesen, dass die Gewerbesteuer bei Personenunternehmen 1:1 auf die Einkommensteuer angerechnet wird und aufgrund der pauschalierten Anrechnungsmethode zumindest bis zu einem Hebesatz von 400 Prozent überhaupt keine wirtschaftliche Belastung mehr darstellt.
Meine Schätzung im Ausschuss, dass etwa 70 Prozent aller Reiseveranstalter in der Rechtsform einer Personengesellschaft geführt werden und die Gewerbesteuer für diese Unternehmen also kein Thema ist, wurde vom Finanzministerium bestätigt. Das Ministerium teilte uns auf meine Anfrage hin schriftlich mit, dass 69 Prozent aller Reiseveranstalter in der Rechtsform einer Personengesellschaft geführt werden.
Wir reden somit also noch über die 30 Prozent der Reiseveranstalter, die in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft geführt werden und für die die Gewerbesteuer tatsächlich relevant ist.
Dazu muss man aber wissen, dass die Körperschaftsteuer durch das Unternehmenssteuerreformgesetz aus 2008 von 25 Prozent auf nur noch 15 Prozent reduziert wurde. Zusammen mit der Gewerbesteuerbelastung sollten Kapitalgesellschaften damit nur noch maximal mit 30 Prozent besteuert werden.
Ziel dieser Unternehmenssteuerreform 2008 war Rechtsformneutralität.
Die Steuerbelastung deutscher Unternehmen sollte unabhängig von der gewählten Rechtsform eines Unternehmens auf maximal 30 Prozent gedeckelt werden.
Dies wurde bei Kapitalgesellschaften durch die Absenkung des KSt-Satzes auf 15 Prozent erreicht und bei den Personengesellschaften durch die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer und die Steuerbegünstigung für nicht entnommene, also thesaurierte Gewinne, mit einem Steuersatz von 28,25 Prozent.
Betrachtet man nun, dass die Gewerbesteuerbelastung nur noch für die 30 Prozent Kapitalgesellschaften eine steuerliche Belastung darstellt und die Gesamtsteuerlast, egal ob Kapital- oder Personengesellschaft, nur noch maximal 30 Prozent beträgt, dann bricht Ihre Antragsbegründung, die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschriften würden im europäischen Vergleich zu Wettbewerbsverzerrungen führen, nun vollends zusammen.
Nur zum Vergleich: Der KSt-Satz betrug zu Helmut Kohls Zeiten, der ja nun sozialistischer Umtriebe unverdächtig ist, in der Spitze 56 Prozent, heute liegt er bei 15 Prozent. Der KSt-Satz beträgt dagegen in Österreich 25 Prozent, in Italien 27,5 Prozent und in Frankreich ist er mit 33 Prozent sogar doppelt so hoch wie in Deutschland.
Die Gesamtsteuerbelastung mit allen Ertragsteuern beträgt in Deutschland wie bereits dargestellt etwa 30 Prozent. In Spanien, Italien, Belgien, Frankreich und selbst in Japan und in den USA liegt diese zum Teil deutlich über 30 Prozent, bis zu 40 Prozent in den USA, was zeigt, dass Ihr Argument der Wettbewerbsverzerrung an den Haaren herbeigezogen ist und lediglich Ihrer parteipolitischen Profilierung dienen soll.
Statt neoliberale Ideologien eines Reinhold Hilbers auszuleben, halte ich es lieber mit der seriösen Sichtweise unseres Finanzministers Peter-Jürgen Schneider, der dem Haushaltsausschuss geraten hat, jetzt doch einfach mal den Ausgang des Musterprozesses vor dem Finanzgericht Münster in aller Ruhe abzuwarten.
Aber Ruhe war ja noch nie Ihre Stärke, Herr Hilbers, und deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.