3. Dezember 2019

Rede zum Haushalt 2020 der Stadt Osnabrück

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren,

die SPD Ratsfraktion hat sich in den vergangenen Wochen sehr intensiv mit dem Haushalt für 2020 beschäftigt und in ihrer Haushaltsklausur vier wesentliche Schwerpunkte festgelegt:

Klimaschutz durch CO2-Einsparung, frühkindliche Bildung durch Entlastung der Eltern von Krippenbeiträgen, die Förderung der Sportvereine und die Kulturpolitik als Standortfaktor Osnabrücks weiter etablieren – das sind die sozialdemokratischen Schwerpunkte, mit denen wir in die Etatberatungen mit den anderen Fraktionen gegangen sind.

Im Bereich des Klimaschutzes haben wir uns die Frage gestellt, mit welcher Summe Euros können wir im Verhältnis zum eingesetzten Kapital, die größten Erfolge beim Klimaschutz erzielen?

Dabei wurde schnell deutlich, wo die Lösung liegt: Wenn 35 % der CO2-Emissionen im Bereich der Raumwärme, z. B. durch schlecht gedämmte Altbauten, entstehen, aber nur 17 % der CO2-Emissionen Ihre Ursache im Verkehrsbereich haben, dann liegt auf der Hand, dass wir im Bereich der Wärmedämmung von Altbauten unseren Schwerpunkt legen müssen, um die größtmögliche CO2-Einsparung zu erzielen.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ja, wir brauchen auch die Verkehrswende. Elektromobilität vor allem im Busbereich und Angebotsverbesserungen im ÖPNV, um der Autofahrerin eine echte und attraktive Alternative zum Auto zu bieten, sind sicher notwendig. Es darf aber nicht allein auf den Autoverkehr abgehoben werden, wenn es um CO2-Einsparungen geht.

Um den größten C02-Einsparungseffekt zu erzielen, müssen wir uns um die Altbauten kümmern. Wir konnten uns mit den anderen Fraktionen auf ein Förderprogramm für Sanierungsmaßnahmen von Altbauten in einer Größenordnung von 1 Mio. Euro verständigen.

Darüber freue ich mich sehr, da die Zuschüsse aus dem städtischen Förderprogramm den privaten Hausbesitzern helfen, ihre Immobilien zukunftsgerecht zu sanieren, CO2 einzusparen und vor allem auch Aufträge für die örtliche Handwerkerschaft zu generieren, die natürlich von einer erhöhten Investitionsbereitschaft der Immobilienbesitzer profitieren werden.

Ein schönes Beispiel, wie man Klimaschutz und Wirtschaftsförderung mit Bereitstellung von Fördergeldern gleichermaßen voranbringen kann.

Weniger euphorisch bin ich beim zweiten sozialdemokratischen Haushaltsschwerpunkt: der frühkindlichen Bildung und der Entlastung der Eltern von den Krippenbeiträgen. Hier haben sich alle Ratsfraktionen mit Ausnahme von Linken und SPD verweigert, den Eltern in dieser Stadt eine Entlastung zu geben und gleichzeitig etwas für die frühkindliche Bildung und soziale Gerechtigkeit in dieser Stadt zu tun.

Vor allem Grüne und CDU zeigen sich hier beratungsresistent.

Die SPD steht für eine kostenfreie Bildung von Anfang an. Nur so kann für Chancengleichheit in unserer Gesellschaft gesorgt werden. Unser Ziel ist klar: die gesamte Bildungskette soll beitragsfrei sein. Denn auch frühkindliche Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.

Es geht uns als SPD vor allem darum, die gesellschaftliche Mitte, die wahren Leistungsträger dieser Gesellschaft, finanziell zu entlasten: die Krankenschwester, die Verkäuferin, den Facharbeiter, die einerseits sicher keine Reichtümer verdienen, die aber andererseits aufgrund ihres Einkommens stets über den Grenzwerten von öffentlichen Transferleistungen und Subventionen liegen und daher alles selbst aus ihrem bereits versteuerten Einkommen bezahlen müssen.

Anrede,

wir haben Ihnen ein Finanzierungskonzept für die Krippenbeitragsbefreiung ohne Steuererhöhungen vorgelegt.

Der Verzicht auf Elternbeiträge in der Krippe würde die Stadt im Haushalt 2020 etwa 4,1 Mio. Euro Kosten. Zur Einordnung der finanziellen Situation der Stadt Osnabrück: Der Jahresabschluss 2018 schloss mit einem Haushaltsüberschuss im Ergebnishaushalt von 30 Mio. Euro ab. Der Kämmerer hat den für 2019 zu erwartenden Jahresüberschuss von zunächst 7,8 Mio. Euro gerade erst um 9,9 Mio. Euro auf satte 17,7 Mio. Euro nach oben korrigiert.

Und selbst der geplante Überschuss im Haushalt 2020 von ursprünglich 2,4 Mio. Euro wurde noch während des laufenden Haushaltsaufstellungsverfahrens vom Kämmerer nach oben auf 5,5 Mio Euro korrigiert.

Der Jahresüberschuss in den Jahren 2018 bis 2020 beträgt in Summe alleine in diesen drei Jahren also satte 53,2 Mio. Euro.

Das bedeutet umgerechnet, dass wir die Eltern für 13 Jahre lang von den Krippenbeiträgen entlasten könnten, ohne auch nur an irgendeiner Stelle des Haushalts einsparen zu müssen.

Da wir aber finanzpolitisch solide arbeiten, wollen wir die Jahresüberschüsse der Haushalte 2018 bis 2020 gar nicht für die Krippenbeitragsfinanzierung verwenden, sondern wir haben Ihnen Vorschläge durch Einsparungen zur Refinanzierung der wegfallenden Krippenbeiträge vorgelegt.

Ich habe die Haushaltslisten am Wochenende nachgerechnet. Wir haben Ihnen Vorschläge für Einnahmeverbesserungen im Bereich der Grund-, Gewerbe- und Vergnügungssteuern sowie Gebühreneinnahmen im Bereich Städtebau in einer Größenordnung von 1,1 Mio Euro vorgelegt. Dabei geht es nicht um Steuererhöhungen, sondern um verbesserte Einnahmeansätze im Haushalt aufgrund eines Soll-Ist-Vergleichs mit den tatsächlichen Einnahmen des Vorjahres.

Ausgabenkürzungen im Bereich des gesamten Haushalts über alle Fachbereiche haben wir in einer Größenordnung von 1,5 Mio. Euro vorgeschlagen und auch durchgesetzt.

Da geht es beispielsweise um Kürzungen oder Veränderungen des Etatansatzes bei Bewirtungsaufwendungen, Zeitschriften, Bücher, Gutachten, Veranstaltungskosten, Reisekosten, Treibstoff, Zinsaufwendungen, Postgebühren und Telefonkosten, um nur ein paar zu nennen.

Und last but not least haben wir gemeinsam – und da danke ich den Kollegen Volker Bajus und Fritz Brickwedde ausdrücklich – Personalkosteneinsparungen in einer Größenordnung von 1 Mio. Euro erreicht. Das sind umgerechnet 13 Stellenvermehrungen, die von der Verwaltung im Stellenplan gewünscht waren, die wir aber nicht mitgemacht haben.

Unterm Strich betragen unsere Refinanzierungsmaßnahmen für die Abschaffung der Krippenbeiträge aus Einnahmeverbesserungen, Ausgabenkürzungen und Personalkosteneinsparungen rund 3,6 Mio. Euro. Das zeigt: Es geht, die Abschaffung der Krippenbeiträge ist finanzierbar. Man muss es politisch nur wollen.

Anrede,

wir haben aber nicht nur Sparmaßnahmen zur Refinanzierung der Abschaffung der Krippenbeiträge vorgeschlagen, sondern wir wollen auch investieren, zum Beispiel im Sport- und Kulturbereich.

Auf unsere Initiative hin, wurde bereits im Haushalt 2019 beschlossen, drei Kunstrasenplätze in einer Größenordnung von 650.000 Euro pro Platz im Haushalt fest zu etatisieren.

In diesem Haushalt haben wir uns die institutionelle Sportvereinsförderung auf die Fahnen geschrieben.

Gemeinsam haben alle Fraktionen entschieden, für die Sportvereinsförderung jährlich noch einmal 200.000 Euro drauf zu legen. Der Betrag ist in Höhe von 70.000 Euro für die allgemeine Schwimmförderung und mit 15.000 Euro noch einmal für das Anfängerschwimmen vorgesehen.

Ich bedanke mich dafür bei den sportpolitischen Sprechern aller Fraktionen, die hier eine gute Lösung gefunden haben, um insbesondere den kleineren Sportvereinen zu helfen, die sich aufgrund der veränderten Preisstruktur der Stadtwerke die Bahnenpreise für das Schwimmen nicht mehr leisten konnten.

Neben der genannten Schwimmförderung wird die institutionelle Sportvereinsförderung noch einmal um 115.000 Euro für alle Vereine erhöht. Ich finde das kann sich sehen lassen.

Ich komme zum Schluss zur Kulturpolitik in dieser Stadt.

Kulturpolitik ist ein Standortfaktor für Osnabrück. Wer qualifizierte Fachkräfte in die Stadt holen will, der muss diesen auch ein Angebot in kultureller Hinsicht machen. Warum sollten die Menschen sonst nach Osnabrück kommen, wenn es dort nicht ein interessantes und vielfältiges Kulturangebot gäbe?

Ich spreche dabei ebenso ein lebendiges, eine Stadt mit prägendes Angebot an, nämlich die Kneipen-, Altstadt- und Veranstaltungskultur in dieser Stadt. Auch das gehört zur Attraktivität einer Stadt. Um dies aktiv mitzugestalten, werden wir nach vielversprechenden Gesprächen mit Gastronomen und Veranstaltern nun im nächsten Jahr einen Vorschlag für die Einrichtung eines sogenannten Nachtbürgermeisters unterbreiten, der die Szene moderierend, ordnend und möglichst konfliktfrei weiter entwickeln soll.

Umso mehr möchte ich aber von den „Leuchttürmen“ dieser Stadt sprechen – vielleicht sollte ich sie auch als Windräder für mehr Bewegung bezeichnen. Wir finanzieren ein Vier-Sparten-Theater mit rd. 11 Mio. Euro pro Jahr und auch das Land hat die kommunalen Theater zuletzt mit weiteren 3 Mio. Euro zusätzlicher Landesmittel unterstützt, die nun im Haushalt 2020 auch verstetigt und in Zukunft weitergezahlt werden. Auch die zusätzlichen Tarifsteigerungen sind über die sogenannte politische Liste im Landesetat für 2020 veranschlagt und hier wünschen wir uns ebenso eine weitere Verstetigung.

Das Museumsquartier ist ein weiteres und bedeutendes Kulturelement dieser Stadt. Wir beauftragen derzeit die Verwaltung mit der Weiterentwicklung der Villa Schlikker. Für die Konzeption der Dauerausstellung werden in die Mittelfristige Finanzplanung für 2022 Mittel in Höhe von 225.000 Euro und für 2023 in Höhe von 430.000 Euro in den Kulturhaushalt eingestellt.

Für die bauliche Sanierung der Villa Schlikker werden, neben den bereits in 2019 bereitgesellten 1,3 Mio. Euro, für das Haushaltsjahr 2020 weitere 700.000 Euro in den Wirtschaftsplan des Eigenbetriebs Immobilien eingestellt.

Außerdem ist eine (EG 12-)Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Unterstützung der Neukonzeptionierung der Villa Schlikker für den Stellenplan 2020 angemeldet und wird von uns heute mit dem Haushaltsbeschluss bewilligt werden.

Die bauliche Ertüchtigung des Gebäudes ist Voraussetzung für eine konzeptionelle Weiterentwicklung des Hauses. Der Stadt Osnabrück wurden vom Bund im Programm „Förderung zur Sanierung kommunaler Einrichtungen“ Mittel zur Sanierung der Villa Schlikker in Höhe von 1,7 Mio. Euro bei einem städtischen Eigenanteil in Höhe von 200.000 Euro in Aussicht gestellt.

Die entscheidende Frage wird aber sein, wie wir uns inhaltlich aufstellen werden. Mit den diese Tage vorgestellten Machbarkeitsstudien werden zielführende Wege aufgezeigt, wohin sich ein oder besser das mögliche „Haus des Friedens“ entwickeln kann. Die Gestaltung der Villa Schlikker hin zu einem Museum, in dem Hans Calmeyer eine zentrale Rolle einnimmt, ist unser Ziel. Aber was ist der eigentlich richtige Weg, wie werden wir der historischen Aufarbeitung gerecht? Aus Sicht der SPD-Fraktion sicher nicht allein an der Person und dem Handeln Calmeyers. Denn bei allem Respekt für das Wirken von Hans Calmeyer: Es gab im Widerstand gegen den Nationalsozialismus eben nicht nur den Osnabrücker Hans Calmeyer. Es gab weitere „stille Helden“ und ich erinnere an die Fahrt des Kulturausschusses im Februar diesen Jahres zur Besichtigung der Ausstellung „Stille Helden“ in Berlin, an der ich teilnehmen durfte. In dieser Ausstellung im historischen Bendlerblock wird eben auch des Widerstands der Arbeiterbewegung, der sozialdemokratischen, wie der kommunistischen gedacht, wie auch des jüdischen und des christlichen Widerstands, dem der Weißen Rose und schlicht der Widerstandsbewegung junger Leute im Berlin der dreißiger Jahre.

Diese Ausstellung macht deutlich: Das Handeln gegen Hitler war nicht nur der Widerstand eines Hans Calmeyer. Nein, dieser Widerstand war auch vielfältig. Für die SPD-Fraktion ist klar. Ein Haus allein zum Gedenken an Hans Calmeyer greift zu kurz und sollte die Villa Schlikker nicht werden. Wir sollten vielmehr beides tun, das Wirken und die Verdienste Hans Calmeyers würdigen, ohne die anderen „stillen Helden“ des Widerstands aus ganz unterschiedlichen Bereichen zu vergessen.

Ich bin gespannt auf die Ergebnisse und Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirates hierzu und freue mich auf die weiteren Diskussionen zu diesem Thema im Kulturausschuss.

Anrede,

ich komme zum Schluss.

Wir stimmen dem Haushalt 2020 in der Schlussabstimmung heute zu, in der Hoffnung, dass Sie im nächsten Jahr mit uns gemeinsam die Krippenbeitragsbefreiung beschließen werden. Wir werden jedenfalls nicht müde, Sie immer wieder mit diesem Thema im Interesse der Eltern zu konfrontieren.

In diesem Sinne danke ich für die Aufmerksamkeit und wünsche allen ein friedliches und ruhiges Weihnachtsfest.