7. Januar 2020

Rede zum Handgiftentag 2020

Ansprache als SPD-Fraktionsvorsitzender anlässlich des Handgiftentages am 7. Januar 2020

Es gilt das gesprochene Wort.

Liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen,
sehr geehrter Herr Innenminister Pistorius,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Griesert,
sehr geehrte Frau Landrätin Kebschull,
sehr geehrte Mitglieder des Landtages und des Bundestages,
verehrter Ehrenbürger Hans-Jürgen Fip,
verehrte Möser- und Bürgermedaillen- sowie Ehrenringträger,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich darf Ihnen und den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt im Namen der SPD-Ratsfraktion zunächst ein gutes und friedliches neues Jahr 2020 wünschen.

Wir begehen heute den Handgiftentag im Osnabrücker Rathaus, nach einem aus dem späten Mittelalter überlieferten Brauch. Damals reichten sich die an den komplizierten Ratswahlen beteiligten Wahlmänner die Hände als Zeichen guter und ehrbarer Absichten. Heute wie früher bleiben die Teilnehmer an der feierlichen Zusammenkunft anschließend noch in geselliger Runde beisammen. Und, wie Ratsrechnungen der Jahre 1511 und 1512 belegen, war der „Handgiftendach“ auch damals ein Anlass, um Wein auszuschenken.

In der Chronik der Osnabrücker Stadtgeschichte ist nachzulesen, dass am Handgiftentag auf Kosten der Stadt ein großes Mahl gegeben, zu dem auch ein Ochse geschlachtet wurde.

Heute ist der Handgiftentag Anlass, auf die wichtigsten kommunalpolitischen Ereignisse des vergangenen Jahres zurückzublicken.

2019 gab es aus meiner Sicht drei zentrale Entscheidungen, die die Kommunalpolitik auch noch in den nächsten Jahren beschäftigen werden.

Beim ersten Osnabrücker Bürgerentscheid am 26. Mai entschieden 74 % der Osnabrückerinnen und Osnabrücker, dass es in Osnabrück in Zukunft wieder eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft geben soll.

Am 25. Juni traf der Rat der Stadt eine wichtige schulpolitische Weichenstellung, nämlich die Einrichtung einer neuen Oberschule in der Innenstadt, die Überführung der bestehenden Haupt-und Realschulen in Oberschulen und die Durchführung einer Elternbefragung zur Realisierung einer dritten Gesamtschule am Standort der früheren Käthe-Kollwitz-Schule.

Und schließlich hat das Verwaltungsgericht Osnabrück am 13. November zwei Klagen gegen die Sperrung des Neumarkts für den Autoverkehr stattgegeben.

Ein Bürgerentscheid, ein Ratsbeschluss und ein Gerichtsurteil mit weitreichenden Folgen für die Zukunft.

Die SPD-Fraktion begrüßt die deutliche Mehrheit des Bürgerentscheids von 74 %, eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft in Osnabrück wieder zu errichten. Wir haben lange dafür gekämpft und waren Teil eines breiten Bürgerinnen- und Bürgerbündnisses von mehr als 40 Organisationen in der Stadt, vom DGB, VERDI über die Diakonie bis zur Caritas, um nur einige wenige zu benennen.

Es liegt auf der Hand, dass der Verkauf der Osnabrücker Wohnungsbaugesellschaft im Jahre 2004 von der damaligen CDU/FDP-Ratsmehrheit ein schwerwiegender politischer Fehler war, den wir mit Hilfe des Bürgerentscheids nun 2020 korrigieren werden. Osnabrück fehlt heute eine wichtige Steuerungsmöglichkeit, um als öffentliche Hand preisdämpfend auf den Wohnungsmarkt einzuwirken. Wir brauchen mehr bezahlbare Wohnungen in dieser Stadt. Wir haben immer gesagt, dass eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft kein Allheilmittel ist und es wird lange dauern, bis die neue kommunale Wohnungsbaugesellschaft auch nur annähernd wieder die Größe der alten OWG erreichen wird, die über immerhin 3700 Wohnungen verfügen konnte.

Dennoch: Es ist der richtige Weg in die richtige Richtung, denn der private Wohnungsmarkt alleine kann das Problem nicht lösen. So viel ist klar. Was wir jetzt brauchen sind zwei Dinge, die möglichst schnell umgesetzt werden müssen:

Zum einen muss die Stadt Osnabrück selbst mehr Bauland bereitstellen, sei es durch Planungsrecht auf Privatgrundstücken oder durch Zurverfügungstellung städtischer Grundstücke. Denn eines ist ebenso klar: „Steigt das Angebot an Bauland, sinken auch die Preise!“

Wir brauchen aber ebenso zügig im Jahr 2020 einen Ratsbeschluss, der den Bürgerentscheid umsetzt. Dabei sage ich für die SPD-Fraktion sehr deutlich: Die neue kommunale Wohnungsbaugesellschaft sollte zu 60 % bezahlbare Wohnungen unter Zuhilfenahme von Landes- und Bundesförderprogrammen für den sozialen Wohnungsbau realisieren.

Dabei ist insbesondere der 30 %-ige Tilgungsnachlass des Wohnraumförderfonds des Landes Niedersachsen ein gut geeignetes Mittel, um tatsächlich bezahlbare Wohnungen im Preissegment von 5,60 Euro / qm Wohnfläche anbieten zu können.

Anrede,

der mit großer Mehrheit gefasste Ratsbeschluss vom 25. Juni wird die Osnabrücker Schullandschaft nachhaltig positiv verändern. Wir werden eine neue Oberschule in der Innenstadt erhalten, die die Möser-Realschule, die Hauptschule Innenstadt, die Felix-Nussbaum-Schule und die Förderschule an der Rolandsmauer zu einer integrierenden Oberschule zusammenführen wird. Die übrigen bestehenden Realschulen werden sukzessive in integrierende Oberschulen umgewandelt.

Es wird zukünftig in Osnabrück keine Haupt-und Realschulen mehr geben, sondern ausschließlich Oberschulen, Gesamtschulen und Gymnasien. Aus Sicht der SPD-Fraktion ist dieser Ratsbeschluss ein weiterer Meilenstein zur Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems, da es zukünftig keine Hauptschulen mehr geben wird, die Gefahr von „Restschulen“ überwunden und die Kinder zukünftig in integrierenden Schulformen wie Oberschulen und Gesamtschulen gemeinsam unterrichtet werden.

Ein großer Erfolg für die SPD-Fraktion ist der Ratsbeschluss von 25. Juni auch deshalb, weil er eine Elternbefragung zur Errichtung einer dritten Gesamtschule am Standort der früheren Käthe-Kollwitz-Schule vorsieht. Die SPD hat sich immer nach dem Elternwillen ausgerichtet und wir sind überzeugt davon, dass der Bedarf nach einer dritten Gesamtschule in dieser Stadt durch die anstehende Elternbefragung noch einmal eindrucksvoll untermauert wird. Ich bedanke mich deshalb noch einmal bei den schulpolitischen Sprecherinnen der SPD, der CDU und der Grünen, die diesen Ratsbeschluss herbeigeführt haben.

Zum Thema Bildung gehört für die SPD-Fraktion neben den weiterführenden Schulen natürlich auch das Thema frühkindliche Bildung.

Die SPD steht für eine kostenfreie Bildung von Anfang an. Nur so kann für Chancengleichheit in unserer Gesellschaft gesorgt werden. Unser Ziel ist klar: Die gesamte Bildungskette soll beitragsfrei sein. Denn auch frühkindliche Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.

Anrede,

wir haben Ihnen ein Finanzierungskonzept für die Krippenbeitragsbefreiung ohne Steuererhöhungen vorgelegt.

Der Verzicht auf Elternbeiträge in der Krippe würde die Stadt im Haushalt 2020 etwa 4,1 Mio. Euro kosten. Unterm Strich betragen unsere Refinanzierungsmaßnahmen für die Abschaffung der Krippenbeiträge aus Einnahmeverbesserungen, Ausgabenkürzungen und Personalkosteneinsparungen rund 3,6 Mio. Euro.

Das zeigt: Es geht, die Abschaffung der Krippenbeiträge ist finanzierbar. Man muss es politisch nur wollen. Wir werden Sie mit diesem Thema im Interesse des Mittelstands, der arbeitenden Menschen und der Eltern in dieser Stadt auch 2020 weiter behelligen und den Finger so lange in die Wunde legen, bis die Krippenbeiträge in dieser Stadt endlich abgeschafft sind.

Anrede,

lassen Sie mich zum Schluss noch auf das Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück zur Neumarktsperrung vom 13. November eingehen. Wir respektieren selbstverständlich das Urteil und haben uns als SPD-Fraktion dazu entschlossen, keine Berufung gegen das Urteil einzulegen. Wir wollen uns nicht rechtlich weiter über das Thema streiten, sondern politisch die beste Lösung für die Stadt Osnabrück finden.

Wir haben uns als SPD-Fraktion aufgrund der Weihnachtsferien noch nicht festgelegt, wie wir zukünftig mit diesem Thema weiter umgehen wollen. Ich erlaube mir aber dennoch meine persönliche Meinung zu diesem Thema vorzutragen, von der ich glaube, dass diese in der SPD-Fraktion mehrheitsfähig ist.

Aus meiner Sicht war und ist es richtig, perspektivisch zu einer Verkehrsberuhigung in der Innenstadt zu kommen und den Neumarkt als Platz mit Aufenthaltsqualität für alle Osnabrückerinnen und Osnabrücker weiterzuentwickeln. Es wäre aus meiner Sicht aber sicher falsch, jetzt auf Biegen und Brechen einen autofreien Neumarkt realisieren zu wollen. Wir werden uns sehr genau ansehen, welche Voraussetzungen das Verwaltungsgericht als Anforderungen an eine zukünftige Neumarktsperrung definiert hat.

Aus meiner Sicht macht zurzeit eine Neumarkt-Sperrung für den Individualverkehr keinen Sinn, zumindest solange unklar ist, was aus der Fläche des gescheiterten Einkaufscenters zukünftig wird und welche Nutzungen dort realisiert werden. Was wollte man im Augenblick durch eine Sperrung des Neumarkts für den Individualverkehr denn erreichen? Einen Schutz der Brachfläche des gescheiterten Einkaufscenters oder der Baustelle des Baulos 2 vor H&M oder der zukünftigen Baustelle am Landgericht, wenn das Land Niedersachsen das Justizzentrum am Neumarkt für 35 Mio. Euro sanieren wird? Wohl kaum. Es macht keinen Sinn, derartig verwahrloste Flächen oder Baustellen vor dem Autoverkehr zu schützen.

Anders sieht das aus, wenn klar ist, was aus dem Plan B am Neumarkt wird. Wenn dort zukünftig eine Wohnbebauung, eine kulturelle Nutzung, eine neue Stadtbibliothek oder die Universität Osnabrück eine Nutzung für universitäre Zwecke realisieren wollen, dann macht es Sinn, eine Steigerung der Aufenthaltsqualität am Neumarkt durch eine Sperrung für den Autoverkehr ins Auge zu fassen.

Dabei werden wir die berechtigten Interessen der Wallanwohner berücksichtigen müssen. Wir haben uns als SPD-Fraktion dabei stets für ein gesamtstädtisches Verkehrssystem ausgesprochen, das die Innenstadt, den Neumarkt und die Wallanwohner von den Belastungen des Autoverkehrs in der Innenstadt befreit oder zumindest dazu beiträgt, die Schadstoff- und Lärmemissionen, die vom Auto- und Lkw-Verkehr in diesen Bereichen ausgehen, zu reduzieren.

Dazu gehören für uns neue oder alternative Umfahrungsrouten der Innenstadt ebenso wie der A33-Lückenschluss nach Norden in Richtung Wallenhorst, der die Innenstadt vom PKW Verkehr entlasten und uns als Rat ermöglichen wird, endlich auch ein Lkw-Durchfahrtverbot durch die Innenstadt auszusprechen, da die Alternativroute über die A33 dann vorhanden sein wird.

Anrede,

mit diesen Gedanken möchte ich Sie in den gemütlichen Teil des Handgiftentages entlassen. Ich bin mir sicher, Sie werden diese Themen heute Abend an den Tischen im Walhalla weiter intensiv besprechen.

Liebe Ratskolleginnen- und kollegen, ich hoffe, es ist mir in der Kürze der Zeit – ich hatte nur 10 Minuten Redezeit – gelungen, auf ein paar wichtige kommunalpolitische Highlights des vergangenen Jahres einzugehen, die uns sicher auch im Jahr 2020 weiter beschäftigen werden.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.