2. Januar 2013

Rede zum Handgiftentag 2013

Es gilt das gesprochene Wort.

Liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Pistorius,
sehr geehrter Herr Landrat Dr. Lübbersmann,
sehr geehrte Mitglieder des Landtages und des Bundestages,
verehrte Ehrenbürger, Möser- und Bürgermedaillen- sowie Ehrenringträger,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich darf Ihnen und den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt im Namen der SPD Ratsfraktion zunächst ein gutes und friedliches neues Jahr 2013 wünschen.

Wir begehen heute am ersten Werktag des neuen Jahres den Handgiftentag im Osnabrücker Rathaus nach einem aus dem späten Mittelalter überlieferten Brauch. Wir Ratsmitglieder bekräftigen – wie in jedem Jahr – den Willen zur Zusammenarbeit und zum Konsens, über alle Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg und zum Wohle der Stadt zu arbeiten. Nach einer mehrjährigen Pause hat der Rat beschlossen, auch die Fraktionen wieder zu Wort kommen zu lassen, wie es früher lange Zeit üblich war. Dies begrüßen wir, davon versprechen wir uns einen noch lebendigeren Gedankenaustausch.

Allerdings ist hervorzuheben: Ca. 80 % der Entscheidungen des Rates werden einstimmig getroffen. Es gibt ihn also, den breiten Konsens in vielen Fragen. Aber es ist gute demokratische Tradition, auch die Unterschiede zu verdeutlichen, die restlichen 20 %, die sozusagen das Salz in der Suppe darstellen und den Rat und seine Beratungen interessant machen.

Das Jahr 2012 war durch eine Vielzahl von Entscheidungen geprägt. Die zwei wichtigsten stadtentwicklungspolitischen Entscheidungen betrafen den Neumarkt und die Konversionsflächen. Wir haben im Rahmen unserer sog. Regenbogenkoalition mit einer Mehrheit von rd. 70 % des Rates den Eckwertebeschluss mit den planerischen Vorgaben für die Entwicklung des Neumarkts sowie den Aufstellungsbeschluss für den entsprechenden Bebauungsplan zur Ansiedlung eines Einkaufscenters beschlossen. Die SPD Fraktion ist davon überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, denn wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, der weiß, wie nötig eine Veränderung unseres Stadtzentrums am Neumarkt ist. Mit dem geplanten Einkaufscenter wollen wir zusätzliche Kaufkraft und Kunden nach Osnabrück holen und den Neumarkt städtebaulich aufwerten. Mit Hilfe eines privaten Investors, der hier am Standort 150 Mio. € investieren will, werden wir den 25-jährigen Stillstand am Neumarkt überwinden. Für 2013 wird der Arbeitsschwerpunkt der SPD-Fraktion u.a. auch darauf liegen, den Satzungsbeschluss über den entsprechenden Bebauungsplan herbeizuführen, damit spätestens 2014 Baubeginn für das neue Einkaufszentrum sein kann.

Mit der Verwirklichung dieser Zielsetzungen werden wir in Osnabrück einen historischen städtebaulichen Schritt tun: Wir werden damit nicht nur Große Straße und Johannisstraße miteinander verbinden. Wir werden endlich Altstadt und Neustadt nach über 60 Jahren wieder zusammen rücken. Gestatten Sie mir ein Bild: Wir werden den Neuen Graben, der Alt- und Neustadt viel zu lange wie eine Stadtautobahn getrennt hat, zuschütten und als neuen Begegnungsraum für Menschen gestalten.

Mit der Ansiedlung der Fa. Kaffee Partner und mit der Eröffnung des innovativen Neubaus auf dem Gelände der Winkelhausenkaserne wurde ein weiter Meilenstein der Stadtentwicklung gesetzt. Wer hätte 2009 beim Abzug der britischen Garnisonen schon gedacht, dass wir nur 3 Jahre später fast alle relevanten Flächen vermarktet haben? Ich verweise auf die Grundsteinlegung des Innovationscenters an der Sedanstr. vor wenigen Tagen. Hier soll einmal der Wissenschaftspark entstehen. Wenn es uns gelingt, über den Wissenschaftspark und das dort geplante Existenzgründerzentrum jungen Hochschulabsolventen den Schritt in die Selbstständigkeit zu erleichtern und die besten Köpfe in Osnabrück zu halten, dann ist jeder Euro, den wir im Wissenschaftspark investieren, gut angelegtes Geld.

Hier soll ein Zentrum entstehen, das klugen Köpfen die Grün-dung einer eigenen Firma erleichtern und die Verzahnung zwischen der Stadt Osnabrück, den Hochschulen und der Osnabrücker Wirtschaft verbessern soll. Letztlich ist dies ein entscheidender Schritt zur Bekämpfung des drohenden Fachkräftemangels. Zur Erschließung des neuen Wissenschaftsparks ist aus der Sicht der SPD-Fraktion der Bau der Entlastungsstr. West unumgänglich. Denn wo sich neue Nutzungen ansiedeln, wird es auch mehr Verkehre geben.

Da SPD und Grüne in dieser Frage bekanntermaßen unter-schiedlicher Auffassung sind, wird es 2013 zu dieser Frage erstmals in der Stadt Osnabrück eine Bürgerbefragung geben. Letztlich entscheiden also die Bürgerinnen und Bürger eine Sachfrage, die wir dann in der Politik umzusetzen haben. In dieser Hinsicht wird 2013 ein spannendes Jahr, denn neben den Landtags- und Bundestagswahlen, wird dann auch endlich die Frage beantwortet, ob die Entlastungsstr. West nun kommt oder nicht.

Eine Entscheidung des vergangenen Jahres, die viele Gemüter bewegt hat und die man sowohl unter finanzpolitischen als auch unter strukturpolitischen Gesichtspunkten beurteilen muss, war die Unterstützung für unseren VFL Osnabrück.

Die SPD Fraktion hat die Entscheidung zur Gründung einer Stadion KG und zur Gewährung eines Gesellschafterdarlehens von 3,6 Mio. € nach sehr intensiver Abwägung aller Pro- und Contra Argumente getroffen. Ausschlaggebend war für die SPD Fraktion, dass wir unter strukturpolitischen Gesichtspunkten den VFL als Image- und Werbeträger für die Stadt erhalten wollten und wir uns am Ende diese Stadt auch nicht ohne den VFL vorstellen konnten. Die Fußballer der ersten Mannschaft des VFL, die zur Zeit auf dem hoffnungsvollen ersten Tabellenplatz überwintern, haben auch einen hohen Unterhaltungswert für die Menschen in dieser Region. Mehr als das: Hier identifiziert man sich mit Lila-Weiß.

Wir wünschen der Geschäftsführung, den Fans und letztlich allen Osnabrückern viel Glück für den Aufstieg, der am Ende nicht nur sportlich gerechtfertigt, sondern finanzpolitisch von hoher Bedeutung ist, wenn man den VFL wirtschaftlich auf Dauer stabilisieren will.

Im Bereich der Schulpolitik haben wir 2012 nach langer Debatte endlich den Grundschulentwicklungsplan beschlossen. Für die SPD Fraktion war es wichtig, als Kernziel festzuschreiben, dass der individuelle Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler Bezugspunkt aller schulpolitischen Anstrengungen ist. Alle Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf Bildung. Und nur die Bildung aller sichert unsere Gemeinschaft ab. Der Mitteleinsatz hat deshalb schwerpunktmäßig zunächst dort zu erfolgen, wo der Bedarf u.a. aufgrund der bisherigen Schullaufbahnempfehlungen am größten ist. Es kann aus unserer Sicht jedenfalls nicht richtig sein, dass es Grundschulen in Osnabrück gibt, an denen nach der 4. Klasse 85 % Gymnasialempfehlungen ausgesprochen werden, während es in anderen Grundschulen nur 15% sind. Hier müssen die knappen Mittel zielgerichtet verwendet werden. Das heißt, dass den besonderen Rahmenbedingungen bspw. der Stüveschule, der Rosenplatz-schule oder der Heiligenweggrundschule zu entsprechen ist, um allen Schülerinnen und Schülern den Zugang zu hochwertigen Bildungsangeboten zu ermöglichen. Nichts anderes fordert der Artikel 4 des neuen Schulgesetzes.

Bei den weiterführenden Schulen werden wir konsequent unsere Wahlversprechen von der Kommunalwahl vom September 2011 einhalten und noch in dieser Ratsperiode die Voraussetzungen für die Einrichtung einer weiteren Integrierten Gesamtschule schaffen. Wir folgen damit einem mehrfach erklärten Elternwillen und der Notwendigkeit, mehr Kindern eine Chance auf eine Entwicklung ihrer Fähigkeiten zu verschaffen. Das starre dreigliedrige Schulsystem mit der Verteilung der Kinder nach vorwiegend sozialen Gesichtspunkten schränkt nach unserer Auffassung die Bildungschancen mancher Kinder ein. Wir wollen keinen Systemstreit auf dem Rücken der Kinder, aber eine weitere Gesamtschule gibt den Eltern echte Wahlmöglichkeiten. Wir lehnen ab, dass der Schulerfolg des Kindes vom Einkommen der Eltern abhängig ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf verweisen, dass wir nach dem Neubau der Sporthalle am Schlosswall für das Ratsgymnasium für rd. 7 Mio. €, dem Neubau der Sporthalle des Gymnasiums Carolinum für gut 5 Mio. €, einen weiteren Investitionsschwerpunkt in der Südstadt mit der Bereitstellung von Mitteln in einer Größenordnung von rd. 5 Mio. € für den Neubau der Aula am Graf-Stauffenberg- Gymnasium und der Bertha-von-Suttner-Realschule gesetzt haben. Meine Damen und Herren, diese Investitionsbeispiele machen deutlich: Die SPD- Fraktion verbindet die Kritik am dreigliedrigen Schulsystem also nicht mit einer Benachteiligung der Gymnasien.
Der wesentliche Investitions- und Ausgabenschwerpunkt in den nächsten Jahren ist der Jugendhilfebereich. Wir investieren im Zeitraum von 2009 bis 2016 rd. 34,2 Mio. € in den Ausbau von Krippen und Kindertagesstätten. Dem stehen aber lediglich Erstattungen von Bund und Land in einer Größenordnung von 5,5 Mio. € gegenüber. Für die Stadt verbleibt netto ein Investitionsvolumen von rd. 28,7 Mio. €.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Kita-Ausbauprogramm ist das größte Investitionsvolumen, das die Stadt Osnabrück in diesem Bereich jemals vollzogen hat. Da-rauf können wir alle miteinander stolz sein. Ich kann Ihnen allerdings an dieser Stelle den Hinweis auf die widersinnige Diskussion über das sog. Betreuungsgeld nicht ersparen. Statt den Kommunen die notwendigen Infrastrukturmittel zu geben, um den Kita-Ausbau zu forcieren, führt die Bundesregierung das Betreuungsgeld für all diejenigen ein, die ihre Kinder nicht in öffentliche Krippen geben wollen. Wir könnten mit diesen Finanzmitteln in Niedersachsen 11.000 zusätzliche Krippenplätze anbieten.

Meine Damen und Herren, eine Herausforderung des Jahres 2012 bleibt uns im neuen Jahr erhalten: Die Ausgestaltung der Energiewende. Wir haben in Osnabrück beschlossen, dass bis 2050 der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids um 95% und der Energieverbrauch um 50% gesenkt werden. Dieses Ziel können wir nur gemeinsam in Kooperation mit dem Landkreis Osnabrück angehen, aber auch die geplanten erheblichen Sanierungsinvestitionen in Wärmedämmmaßnahmen in öffentlichen Schul- und Verwaltungsgebäuden sowie Sporthallen werden allein nicht ausreichen, das selbst gesteckte Ziel zu erreichen.

Die Rahmenbedingungen auf Bundesebene müssen verändert werden. War das EEG zu Beginn seiner Einführung ein geeignetes und sehr erfolgreiches Gesetz der damaligen rot-grünen Bundesregierung, um die Solar- und Windenergie auszubauen, sozusagen ein erfolgreiches Markteinführungsinstrument für die erneuerbaren Energien, so verursacht das EEG heute erhebliche Probleme. Es verteuert die Energiekosten für Verbraucher, Gewerbe und Industrie in einem Maße, das zu Veränderungen Anlass gibt. Es kann nicht sein, dass nur die Verbraucher die steigenden EEG-Umlagen bezahlen, während die Bundesregierung etliche Betriebe aufgrund nicht nachvollziehbarer Entscheidungskriterien von der Mitfinanzierung der EEG-Umlage befreit. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich kritisiere ausdrücklich nicht die Befreiung der energieintensiven Betriebe von der EEG-Umlage. Denn diese Befreiung ist richtig im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie im Vergleich mit der ausländischen Konkurrenz.

Ich kritisiere lediglich die Art und Weise, wie dies geschieht, vor allem aufgrund nicht nachvollziehbarer Kriterien. Wieso ist KME als einer der größten Stromverbraucher in der Stadt von der EEG-Umlage nicht befreit, während die Papierfabrik Schoeller als energieintensiver Betrieb befreit ist? Nach meinem Verständnis müssten beide, also KME und Schoeller, befreit sein, weil beide im Wettbewerb mit ausländischen Kon-zernen stehen, denen die Sonderlasten des EEG nicht zugemutet werden. Was wir brauchen, sind klare und nachvollziehbare Entscheidungskriterien. Denn wir sind auch nicht der Meinung, dass nun jedes Unternehmen von der EEG-Umlage befreit werden sollte. Es kann auf der anderen Seite nicht richtig sein, dass lediglich die Verbraucher die Kosten der Energiewende bezahlen.

Ich habe die wichtigsten Themen aus der Sicht der SPD-Fraktion lediglich skizzieren können. Ich hoffe, dass wir uns bei unseren gemeinsamen Beratungen weiter an der 80%-Konsens Marke orientieren und dass wir bei den übrigen 20% fair miteinander streiten. Wir versprechen Ihnen in die Hand, dass die SPD-Fraktion weiter eine Politik verfolgt, deren Bezugspunkt jederzeit das Wohl der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt ist.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend Ihnen noch einmal ein gutes, gesundes und erfolgreiches Jahr 2013 wünschen, damit wir alle gemeinsam weiterhin die Rahmenbedingungen für ein bürgerschaftliches Zusammenleben in unserer Friedensstadt Osnabrück gewährleisten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.