24. Januar 2019

Rede zum Beteiligungsmanagement von Landesbeteiligungen

Plenarrede vom 24. Januar 2019

Videomitschnitt der Rede

Beim Klicken auf das Bild wird ein externer Link zu YouTube aufgerufen. Es gelten die dortigen Datenschutz-Bestimmungen.

Text der Rede

Es gilt das gesprochene Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die FDP-Fraktion hat sich mit Unterstützung durch die AfD-Fraktion entschlossen, das „Beteiligungsmanagement“ – was immer das sein soll – zu „professionalisieren“, zu „entpolitisieren“ und zu „demokratisieren“.

Wenn man Ihren Antrag liest, Herr Dr. Birkner, stellt man überrascht fest, dass Sie schreiben, das deutsche Aktienrecht stelle „zudem hohe Anforderungen an das Persönlichkeitsprofil eines Aufsichtsrats“ und dass mit der heutigen Konstellation – Ministerpräsident und Wirtschaftsminister sitzen im Aufsichtsrat von VW – diesem Anforderungsprofil angeblich nicht genügt werde, weil das „Erfordernis der fachlichen Qualifikation“ hier nicht gegeben sei.

Ich muss sagen, meine Damen und Herren: Das ist schon starker Tobak, was Sie da aufschreiben! Wir haben hier die Situation, dass langjährige Ministerpräsidenten und langjährige Minister mit einer hohen fachlichen Kompetenz im Aufsichtsrat sitzen, und Sie schreiben hier in diesem Hohen Hause öffentlich, dass sie die fachliche Kompetenz nicht hätten.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ich sage das sogar!)

Ich behaupte das Gegenteil. Gerade weil wir einen Ministerpräsidenten und einen Wirtschaftsminister mit einer hohen fachlichen Kompetenz im Aufsichtsrat bei VW haben, ist gewährleistet, dass das VW-Gesetz weiter gilt, ist gewährleistet, dass VW weiterhin eine gute Rolle in diesem Land spielt

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

und selbstverständlich auch eines der Unternehmen ist, wo die Beteiligungskultur und die Mitbestimmung tatsächlich gelebt werden. Ich spiele auf das VW-Gesetz an, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Christian Grascha [FDP]: Der Aufsichtsrat verabschiedet doch nicht die Gesetze!)

Ich weiß überhaupt nicht, was es mit Demokratisierung zu tun hat, wenn Sie die Volksvertreter, die ja die Anteile dort vertreten – das Land Niedersachsen hält nun einmal 20 % am VW-Konzern -, aus dem Aufsichtsrat entfernen. Das wäre übrigens auch völlig unüblich! Kein Privatunternehmer käme auf die Idee, sich selbst aus dem Aufsichtsrat zu entfernen, wenn er den Anteilseigner dort vertritt.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das haben wir doch gar nicht gefordert!)

Folgerichtig fordern Sie unter Nr. 2, „künftig keine Mitglieder der Landesregierung mehr in Aufsichtsräte … zu entsenden“. Wissen Sie, wie ich das nenne, meine Damen und Herren? – Das ist schlicht und einfach eine Flucht aus der Verantwortung!

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Es kann doch nicht sein, dass wir hier 20 % am VW-Konzern halten und uns anschließend durch einen Wirtschaftsprüfer vertreten zu lassen – oder durch wen auch immer; das ist ja sehr nebulös; Sie haben ja bis heute nicht erklären können, wer dieser sogenannte Experte eigentlich sein soll und mit welchem Fachwissen er dort reingehen soll. Ich behaupte, dass ein langjähriger Ministerpräsident die höhere Fachkompetenz und die besseren Kenntnisse hat, um dort zu sitzen.

Im Übrigen schreiben Sie in Ihrem Antrag selbst: „Der Aufsichtsrat bestellt, überwacht und berät den Vorstand und ist in Entscheidungen, die von grundlegender Bedeutung für das Unternehmen sind, unmittelbar eingebunden.“ Was heißt das? – Sie verwechseln den Aufsichtsrat mit einem Controllinginstrument. Controlling läuft auf der Ebene der Gesellschaft sowieso. Dafür gibt es ganze Controllingabteilungen. Hier geht es aber um strategische Entscheidungen im Aufsichtsrat.

Als Abgeordneter aus Osnabrück – ein VW-Standort – will ich Ihnen ein Beispiel nennen: Wenn sich der damalige Ministerpräsident Christian Wulff nach der Karmann-Pleite nicht klar zum VW-Standort Osnabrück bekannt hätte, dann hätten wir kein Werk des VW-Konzerns in Osnabrück. Das war eine politische Entscheidung, meine Damen und Herren – und das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Im Übrigen sitzen im Aufsichtsrat von VW auch Arbeitnehmervertreter, Vertreter der IG Metall. Sprechen Sie denen auch die Kompetenz ab? Wollen Sie die Drittelparität abschaffen? Weil die auch keine Experten sind, müssten Sie ja konsequenterweise fordern, dass die auch aus dem Aufsichtsrat verschwinden. – Wir wollen das nicht.

(Zuruf von Christian Grascha [FDP])

Wir werden Ihren Antrag ablehnen, weil wir der Auffassung sind, dass wir im VW-Aufsichtsrat gut vertreten sind.

(Zuruf von Dr. Stefan Birkner [FDP])

Außerdem werden wir im Haushaltsausschuss regelmäßig über die Vorgänge bei VW unterrichtet. Wenn Sie ehrlich wären, würden Sie etwas ganz anderes beantragen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Herr Kollege, jetzt seien Sie aber vorsichtig! Sie unterstellen, dass man nicht ehrlich ist!)

– Herr Dr. Birkner, Sie können sich ja gleich zu Wort melden.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ja, besonders, wenn Sie so unverschämt sind!)

– Wenn Sie Ihren Antrag so formuliert hätten, dass Sie aufgeschrieben hätten, was Sie wirklich meinen!

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das wissen Sie doch gar nicht! Wie kommen Sie dazu, das zu unterstellen?)

Nehmen Sie einmal den dritten Absatz! Dort schreiben Sie: „Vor diesem Hintergrund sind insbesondere neue Beteiligungen des Landes an privaten Unternehmen zu vermeiden.“ Und damit sind wir beim Kern der Sache. Sie wollen gar keine öffentlichen Beteiligungen, Sie wollen kein VW-Gesetz. Sie wollen nicht, dass sich das Land Niedersachsen am VW-Konzern beteiligt.

(Christian Grascha [FDP]: Das steht da überhaupt nicht drin! – Dr. Stefan Birkner [FDP]: Meine Güte! Sie erzählen einen Unsinn!)

Ich verweise auf § 65 der Landeshaushaltsordnung. Dort ist ganz klar geregelt, Herr Dr. Birkner, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen sich das Land Niedersachsen an privaten Unternehmungen beteiligen kann. Dazu brauchen wir diesen Antrag nicht. – Wenn Sie ehrlich wären, würden Sie genau das beantragen. Das tun Sie aber nicht.

Unter Nr. 4 fordern Sie im Übrigen etwas, was wir schon lange gemacht haben. Ich verweise auf die Antwort auf Ihre eigene Anfrage zum Beteiligungsmanagement des Landes. In der Drucksache 18/1314 heißt es, dass in der Staatskanzlei und im Finanzministerium 28,93 Vollzeiteinheiten

(Christian Grascha [FDP]: Wir fordern, dass Dinge zusammengeführt werden! – Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

nur damit beschäftigt sind, das Beteiligungsmanagement zu professionalisieren, die die Aufsichtsratsmitglieder zu beraten und für diese Sitzungen vorzubereiten.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: 28 Leute beraten den Herrn Ministerpräsidenten? Das glauben Sie doch selbst nicht! Wo leben Sie eigentlich, Herr Kollege?)

– Sie können sich gern zu Wort melden, wenn Sie so weitermachen wollen.

Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz:
Warten Sie bitte, Kollege Henning! – Meine Damen und Herren, insbesondere die Herren in der ersten Reihe, erstens ist der Grundgeräuschpegel sehr hoch, und zweitens ist diese Art der Kommunikation dieses Hauses nicht würdig.

(Christian Grascha [FDP]: Wenn einem Unehrlichkeit unterstellt, ist das ja wohl eine Unverschämtheit! – Dr. Stefan Birkner [FDP]: Und das Präsidium hat einfach zugehört!)

– Sie haben nach der Geschäftsordnung alle Möglichkeiten, sich noch zu Wort zu melden. Darum würde ich Sie, Herr Dr. Birkner, und Sie, Herr Grascha, wirklich bitten. Herr Henning kommt jetzt zu seinem letzten Satz.

Frank Henning (SPD):
Ich komme zum Schluss. Das zweite Beispiel, das Sie in der Begründung Ihres Antrags anführen, ist die NORD/LB. Dazu kann ich nur sagen: Ich bin froh, dass in der jetzigen Situation der NORD/LB – wir kennen die Probleme – der Finanzminister dort im Aufsichtsrat sitzt,

(Christian Grascha [FDP]: Und völlig planlos agiert!)

weil er vorantreiben wird, dass wir die NORD/LB in öffentlicher Hand behalten können, ohne dass es zu einem Ausverkauf von Arbeitsplätzen in diesem Lande kommt.

Der letzte Punkt, meine Damen und Herren, schlägt wirklich dem Fass den Boden aus.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Frau Präsidentin! – Christian Grascha [FDP]: Der letzte Satz war schon! Kriegen die noch einen Zuschlag, oder was?)

Sie schreiben in Ihrer Begründung, dass der große Einfluss der öffentlichen Hand auf die Banken in den Zeiten der Finanzkrise zum Versagen der Selbstregulierung geführt habe. Aber das, meine Damen und Herren, ist schlicht falsch. Sie wissen sehr genau, dass die Finanzkrise im Jahr 2009 durch die Lehman-Pleite, durch die Immobilienblase in den USA ausgelöst worden ist – und bestimmt nicht durch die öffentlichen Banken und schon gar nicht durch die Sparkassen. Die sind in dieser Frage nämlich ein Hort der Stabilität. Nein, es waren Ihre Privatbanken, die die Krise ausgelöst haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU – Unruhe)