3. März 2017
Rede zu einem Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer
Videomitschnitt der Rede
Beim Klicken auf das Bild wird ein externer Link zu YouTube aufgerufen. Es gelten die dortigen Datenschutz-Bestimmungen.
Text der Rede
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die FDP sorgt sich um junge Familien und möchte deshalb die Grunderwerbsteuer mit einem Freibetrag von 500.000 Euro versehen und damit faktisch abschaffen. Junge Familien müssen angeblich wegen der Grunderwerbsteuerbelastung – und jetzt zitiere ich wörtlich aus Ihrem Antrag –, „entweder Abstriche beim Objekt oder der Lage machen, stärker kreditfinanzieren oder auf das Eigentum verzichten.“
Ob das so ist, sei dahingestellt, viel interessanter finde ich zunächst, dass diese Aussage gar nicht von der FDP-Landtagsfraktion stammt, sondern im Original eine wörtliche Aussage von Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland, ist. Das heißt, die Idee zu diesem Antrag stammt tatsächlich gar nicht von Ihnen, Herr Grascha, sondern Sie kopieren wörtlich die Forderungen von Haus & Grund und verkaufen es als Ihren Antrag, mit dem Sie dann gleich das ganze Land beschäftigen.
Gleichlautende oder ähnliche von Haus & Grund abgekupferte Anträge befinden sich in der Beratung in den Landtagen von Bremen, Berlin, Rheinland-Pfalz, Hamburg und Hessen, teilweise übrigens dort auch wortgleich eingebracht von den jeweiligen Landtagsfraktionen der AfD.
Wenn man sich Ihrem Antrag inhaltlich nähern will, dann kann man das aus zweierlei Perspektive tun. Zum einen aus fiskalischer Sicht des Landeshaushalts, zum anderen aus Sicht der betroffenen Familien.
Aus Sicht des Landeshaushalts ist zunächst festzustellen, dass bspw. das Ist im Haushalt 2016 immerhin 908 Millionen Euro betrug und wir es somit bei der Grunderwerbsteuer mit einer wichtigen Einnahmequelle des Landes Niedersachsen zu tun haben. Sie wollen nach Ihren Berechnungen auf etwa 102 Millionen Euro durch Einführung eines Grunderwerbsteuerfreibetrages von 500.000 Euro im Landeshaushalt verzichten und machen damit vor allem ein Geschäft zu Lasten Dritter.
Der Bund soll die Einnahmeausfälle des Landes mit 239 Millionen Euro kompensieren. Na herzlichen Glückwunsch, der Bund wird sich dafür bei Ihnen bedanken und Finanzminister Schäuble wird begeistert „Hurra“ schreien, dass Sie ihm 239 Millionen Euro abnehmen wollen. Das ist doch abenteuerlich, was Sie da vorschlagen. Mit seriöser Finanzpolitik hat das nichts mehr zu tun. Sie wollen Ihre Steuergeschenke dann auch noch durch Dritte finanzieren lassen. Diese Geschäfte zu Lasten Dritter machen wir jedenfalls nicht mit.
Übrigens nur zur Klarstellung: es war die CDU/FDP-Landesregierung die den Grunderwerbsteuersatz im Jahre 2011 von 3,5 % auf 4,5 % erhöht hat, wir haben 2013 lediglich um einen weiteren halben Prozentpunkt auf 5 % aufgerundet. Wenn Sie sich also wirklich um die jungen Familien in diesem Land sorgen würden, dann hätten Sie damals im Jahr 2011 lediglich Ihre Steuererhöhungspolitik zugunsten der Bauwilligen in diesem Land einstellen müssen.
Nebenbei bemerkt, frage ich die Kolleginnen und Kollegen der FDP: Welchen Teil des Sozialstaats haben Sie eigentlich nicht verstanden, wenn Sie einen Freibetrag von 500.000 Euro einfordern? Was sollen das bitte für Wohnungen sein?
Fragen Sie doch einmal unseren jungen Kollegen Max Schmidt, der sich gerade im ländlichen Raum von Celle ein schmuckes Einfamilienhaus baut, was er denn dafür auszugeben gedenkt bzw. was eine junge Familie dafür ausgeben kann. Aber selbst in Ballungsräumen wie Osnabrück sind 500.000 Euro doch wohl eher dem gehobenen Luxussegment zuzuordnen. Den Normalverdiener, den kleinen Häuslebauer, haben Sie doch gar nicht im Blick. In Wahrheit geht es Ihnen doch wieder einmal um Interessenpolitik zugunsten Ihrer gut verdienenden Mövenpick-Klientel, denen Sie dann beim Erwerb Ihrer Luxusimmobilie auch gerne noch die Grunderwerbsteuer zu Lasten des Landeshaushalts schenken wollen.
Aber betrachten wir doch einmal ernsthaft die Lenkungsmöglichkeiten Ihrer Initiative. Sie wollen angeblich junge Familien fördern, eine höhere Eigentumsquote in diesem Land schaffen und das alles indem Sie auf die Grunderwerbsteuer von 5 % verzichten.
Nehmen wir einmal an, eine junge Familie in Osnabrück kauft sich eine Eigentumswohnung oder baut sich ein schmuckes Einfamilienhaus incl. Grundstück für rund 300.000 Euro. Bei einem Kaufpreis von 300.000 Euro macht die Grunderwerbsteuer dann 15.000 Euro aus. Bei einer angenommenen Kreditfinanzierung dieses Bauvorhabens auf 30 Jahre Laufzeit und einer geschätzten Zinsbelastung von 2 % mit 20-jähriger Zinsbindung macht die Grunderwerbsteuer gerade mal eine monatliche Belastung von 37 Euro und 50 Cent aus.
Glauben Sie ernsthaft, dass ein junger Familienvater in Osnabrück wegen dieser lächerlichen Summe von 37 Euro und 50 Cent in irgendeiner Art und Weise einen Anreiz zur Eigentumsbildung sieht? Das ist doch lächerlich. Sie erreichen mit Ihrem Freibetrag von 500.000 Euro bei der Grunderwerbsteuer doch überhaupt keine Lenkungswirkung, sondern produzieren Mitnahmeeffekte für Ihr reiches Mövenpick-Klientel zu Lasten des Landeshaushalts.
Einen weiteren Aspekt gilt es zu beachten: Sie werden doch als FDP sonst auch nicht müde, vor einer ausufernden Bürokratie zu warnen. Nur hier, wo Sie Ihrer Klientel beim Kauf von Luxus Eigentumswohnungen ein weiteres Steuergeschenk machen wollen, da sehen Sie scheinbar gar nicht, welches bürokratische Monster Sie hier neu erschaffen wollen.
Wer soll denn das alles überwachen, ob man einmal im Leben eine Eigentumswohnung zum Selbstbewohnen unter welchem Namen und in welcher Stadt auch immer gekauft und Ihr steuerpolitisches Geschenk entgegengenommen hat?
Was ist, wenn die Wohnung, die ursprünglich zum Selbstbewohnen gedacht war, am Ende doch vermietet wird? Das ist Beschäftigungstherapie für Finanzbeamte, die wir nicht brauchen.
Sie schreiben, Sie wollen die Bildung von Eigentum und Vermögen erleichtern. Genau, die Vermögens- und Eigentumsbildung breiter Bevölkerungsschichten ist auch unser Ziel. Das erreicht man aber nicht, indem man Bauwillige in diesem Land um monatlich 37 Euro und 50 Cent bereichert, sondern das erreicht man nach fester Überzeugung der SPD-Fraktion nur, indem man dort ansetzt, wo Vermögen und Eigentum gebildet werden kann, nämlich bei der Arbeit. Deshalb steht die SPD für gute Arbeit, die auch anständig bezahlt werden muss. Eine unserer Maßnahmen hierfür war die Einführung des Mindestlohns.
Mit dieser und vielen anderen Maßnahmen betreibt man Vermögensbildung und nicht so, wie Sie es wollen, indem man Vermögen steuerlos verschiebt.
Als SPD-Fraktion unterstützen wir den Vorstoß unserer Bundestagsfraktion, die Rechte der Mieterinnen und Mieter zu stärken und die Nebenkosten beim Immobilienkauf zu reformieren. Wir wollen Familien und Normalverdiener entlasten. Das Prinzip bei den Maklergebühren (die übrigens deutlich höher sind als die 5 % Grunderwerbsteuer), „Wer bestellt, der bezahlt“, soll künftig auch bei Kaufverträgen gelten, also vom Verkäufer getragen werden. Wir begrüßen das.
Darüber hinaus fordert der SPD-Vorschlag in Berlin eine Pauschalierung der Kosten für Notar und Grundbucheintragungen. Auch das finden wir richtig.
Unsere Bundesbauministerin Barbara Hendricks will Familien darüber hinaus mit einem Zuschuss von bis zu 20.000 Euro den Kauf oder Bau von Wohnungen in Ballungsräumen erleichtern.
Gefördert werden sollten Familien mit einem Einkommen von bis zu 70.000 Euro. 8000 Euro sollten Familien mit einem Kind bekommen, für das zweite und dritte Kind sollten jeweils 6000 Euro ausgezahlt werden. Auch diese Initiative unterstützen wir, da die Vorschläge von Barbara Hendricks deutlich wirksamer sind als die Abschaffung der Grunderwerbsteuer, da der Familienzuschuss das Eigenkapital der Häuslebauer erhöht und damit Familien den Zugang zu Krediten deutlich erleichtert.
Der soziale Wohnungsbau wird zukünftig in Niedersachsen zusätzlich durch Tilgungszuschüsse gefördert. Die Wohnraumförderbestimmungen sollen angepasst werden. Die Entwürfe der Änderungserlasse wurden an den Sozialausschuss weitergeleitet.
Für diese Tilgungszuschüsse stellt der Bund für die Jahre 2017 und 2018 weitere 46,6 Millionen Euro Fördergelder bereit. Barbara Hendricks hat dieses Geld fest zugesagt. Bereits in den vergangenen beiden Jahren wurden die Mittel für den sozialen Wohnungsbau auf 400 Millionen Euro aufgestockt.
Bis zum Jahr 2019 stehen für die soziale Wohnraumförderung somit mehr als 800 Millionen Euro Landes- und Bundesmittel zur Verfügung. Das ist eine enorme Steigerung im Vergleich zur CDU/FDP-Vorgängerregierung, die jährlich nur knapp 40 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hatte.
Wir brauchen diese Mittel dringend um bezahlbaren Wohnraum für Familien und Haushalte zu schaffen, die sich ihre teuren Luxus-Eigentumswohnungen von 500.000 Euro niemals werden leisten und damit von Ihrer Abschaffung der Grunderwerbsteuer auch niemals werden profitieren können.
Vielen Dank.