5. März 2021

Rede zum Corona-Sonder­vermögen der Landesr­egierung und einem Gesetz­entwurf der FDP dazu

Plenarrede vom 5. März 2021

Videomitschnitt der Rede

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Plenarrede vom 05.03.2021

Text der Rede

Es gilt das gesprochene Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Gesetz zur Stärkung der zukunftsgerichteten Stabilisierungshilfen im Bereich der Wirtschaft gegen die Folgen der SARS-CoV-2-Pandemie (3. Nachtragshaushaltsgesetz 2020)“ – Gesetzentwurf der FDP-Fraktion – was für ein Titel! Ich habe lange übt, um das aussprechen zu können, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist aber ein guter Titel, weil das Programm gut ist.

Das Wirtschaftsministerium hat aus dem Corona-Sondervermögen – das haben wir jetzt schon zweimal gehört – zwei wichtige Förderprogramme zur Stabilisierung der Wirtschaft aufgelegt: Einmal zu Innovationszwecken und einmal zur Förderung von wichtigen Investitionen, um Unternehmen in diesem Lande zu helfen, sich gut aufzustellen, sich Aufträge zu beschaffen und gut durch diese Krise zu kommen. Rund zehn Wochen lang konnten bis zum 30. November Anträge gestellt werden. Mittlerweile liegen über 9.600 Anträge mit einem Fördervolumen von etwa 1,16 Milliarden Euro vor.

In meinem Wahlkreis in Osnabrück hat die Schaustellerfamilie Otto Cornelius – ein Schausteller in fünfter Generation – auch einen Förderantrag gestellt für die Investition in ein neues Riesenrad in einer Größenordnung von 2,5 Millionen Euro. Diese 2,5 Millionen Euro sind für diese Unternehmerfamilie ein Zeichen der Hoffnung. Sie sparen nicht gegen die Krise an, sondern investieren, um aus der Krise zu kommen. Otto Cornelius ist also ein mutiger Unternehmer, der durch das Programm „Neustart Niedersachsen“ motiviert wurde, der Corona-bedingten Krise des Kulturgutes Volksfest zu trotzen. Denn auch das Kulturgut Volksfest ist durch die Krise und Corona-bedingt ziemlich am Ende.

Das zeigt, wie erfolgreich, wichtig und innovativ dieses Programm ist. Insofern bin ich der FDP dankbar, dass sie mit ihrem Gesetzentwurf noch einmal auf dieses gute Programm, das die Landesregierung aufgelegt hat, hingewiesen hat. Leider kam es dann allerdings – das hat Herr Bode richtig dargestellt – aufgrund einer deutlichen Überzeichnung des Programms zu einem Bewilligungsstopp.

Abgelehnt – so ganz dramatisch finde ich es wiederum nicht, Herr Bode – wurden für den Bereich der Innovation allerdings nur die Anträge, die am letzten Tag, nämlich am 30. November, eingegangen sind, und beim Investitionsprogramm wurden nur die Anträge abgelehnt, die in den letzten drei Tagen, vom 28. November bis 30. November, eingegangen sind. Ich will auch darauf hinweisen, dass es gewisse Mitnahmeeffekte gibt und dass gerade in den letzten Tagen fast noch einmal die gleiche Anzahl an Anträgen reingekommen ist, die vorher schon vorlagen. Es kann also sein, dass es auch Mitnahmeeffekte gibt. Das können Sie auch nicht abstreiten.

Allerdings muss ich aus eigener Anschauung sagen: Auf Druck der Wirtschaftspolitiker der SPD-Fraktion hat der Landtag dann nämlich einer Aufstockung dieses Programms von 500 Millionen Euro auf fast 1 Milliarde Euro zugestimmt und den Mitteleinsatz verdoppelt.

Doch das reicht der FDP-Fraktion offensichtlich immer noch nicht aus. Sie beantragen heute weitere 200 Millionen Euro, um noch andere Anträge berücksichtigen zu können. Ich habe dazu drei Anmerkungen, Herr Bode. Erstens: Wir haben die Mittel bereits auf 1 Milliarde Euro verdoppelt. Das bedeutet zum einen einen wertvollen Konjunkturimpuls. 1 Milliarde Euro Fördermittel lösen etwa 3 Milliarden Euro Investitionsmittel der privaten Wirtschaft aus. Das heißt, wir hebeln im Verhältnis 1:3 – auch ein Erfolg dieser Landesregierung!

Würden wir jetzt allerdings Ihrem Antrag folgen, Herr Bode, dann würden die Möglichkeiten an anderer Stelle deutlich eingeschränkt. Das wissen Sie sehr genau. Man kann den Euro eben nur einmal ausgeben. Eine Alternative zur Investitionsförderung der Wirtschaftsbetriebe, die Sie mit Ihrem Gesetzentwurf scheinbar favorisieren, wäre es beispielsweise, flächendeckende Schnelltests zu finanzieren, um Schulen oder Kitas in die Präsenz zurückzuführen.

Und im Übrigen, Herr Bode, muss ich wirklich sagen, ich bin verwundert, dass ich das hier in diesem Landtag doch noch einmal erleben darf. Liebe FDP, Sie wollen das bisherige Förderprogramm um 200 Millionen Euro aufstocken, obwohl Sie genau wissen, dass das alles kreditfinanziert ist. Die Mittel stammen im Kern aus dem Corona-Sondervermögen von 7 Milliarden Euro – und alles ist kreditfinanziert. Man reibt sich verwundert die Augen. Die FDP wird neuerdings offensichtlich vom Saulus zum Paulus. War es nicht gerade die FDP, die hier immer die Haushaltsdisziplin angemahnt hat, die der Schuldenbremse das Wort geredet hat? War es nicht die FDP, der die Regeln der Schuldenbremse gar nicht restriktiv genug angewandt werden konnten? – Und nun fordern Sie weitere 200 Millionen Euro an Wirtschaftsbeihilfen, die im Kern nur kreditfinanziert sind. Ich kann mich nur wundern, meine Damen und Herren!

Das Corona-Sondervermögen von 7 Millionen Euro ist kreditfinanziert. Ich finde, das beste anschauliche Beispiel ist die Schuldenuhr. Ich werde immer ganz nervös, wenn ich bei dem Kollegen Toepffer im CDU-Fraktionssaal sitze. Dort steht nämlich eine komische Uhr, die kurz davor ist, demnächst auf 70 Milliarden Euro Schulden umzuspringen. Ich würde Ihnen einfach einmal anraten, gelegentlich im CDU-Fraktionssaal nachzugucken, wann es soweit ist. Dass ich Ihnen erklären muss, dass uns diese neoliberale Schuldenbremse bremst, und dass Sie jetzt auch noch mehr Schulden machen wollen, um diese 200 Millionen Euro auszugeben, verwundert mich doch sehr. Wir haben im Übrigen unter der besonderen Restriktion dieser Schuldenbremse ab 2024 pro Jahr 300 Millionen Euro Altschulden zu tilgen. Auch das nimmt uns zusätzlich Geld für politische Initiativen. Das wissen Sie sehr genau, und trotzdem fordern Sie jetzt 200 Millionen Euro mehr.

Ich halte dieses Programm für gut. Aber jetzt weitere 200 Millionen Euro auf Pump einzufordern, ist aus meiner Sicht typisches Oppositionsgehabe. Es ist nicht finanziert. Mehr geht natürlich immer, aber Sie fordern einfach 200 Millionen Euro – und das kreditfinanziert.

Wenn es aus meiner Sicht und aus Sicht der SPD-Fraktion etwas an dem Programm zu kritisieren gäbe, wäre es nicht der Umfang der Mittel. Denn wir haben die Mittel gerade verdoppelt. Ich finde, das kann sich sehen lassen. Es ist auch ein gutes Programm. Aus der Sicht der SPD-Fraktion ist vielmehr zu kritisieren, dass die Förderkriterien viel zu unklar sind. Zum Beispiel wird in den Förderrichtlinien über Beschäftigung gesprochen bzw. darüber, dass man Beschäftigung absichern will; Beschäftigungsaspekte spielen in den Förderkriterien aber überhaupt keine Rolle.

Aus meiner Sicht und aus der Sicht der SPD-Wirtschaftspolitiker müssen wir sagen: Wir brauchen zumindest zukünftig zielgerichtete Förderkriterien, die Beschäftigungssicherung und Klimaschutz in den Vordergrund stellen, die Kriterien der „Guten Arbeit“, z. B. Tarifbindung und Mitbestimmung, berücksichtigen oder nach denen Förderungen den Vorrang erhalten, die möglichst vielen Arbeitsplätzen, der Transformation in der Automobilindustrie, Herr Kollege Schulz-Hendel, oder eben auch dem Klimaschutz dienen. Ich glaube, das wäre ein gutes Förderprogramm, das dann auch zielgerichtet anhand bestimmter Kriterien eingerichtet werden kann.

Ich komme zum Schluss. Besser noch als hochdotierte Förderprogramme und Wirtschaftsbeihilfen, die Sie hier jetzt fordern, sind aus meiner Sicht Öffnungen. Die Unternehmen wollen nämlich keine Staatsknete abgreifen. Die Unternehmen wollen Umsätze machen, sie wollen Gewinne generieren, und sie wollen Geld verdienen – wir müssen sie nur lassen. Deshalb begrüßen wir als SPD-Fraktion die aktuellen Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin, zum einen den Inzidenzwert auf 50 anzuheben und zum anderen den Unternehmen eine Öffnungsperspektive zu geben.

Diese Öffnungsperspektive ist nämlich das einzig richtige und wirtschaftsfreundliche Signal an dieser Stelle.

Vielen Dank.

Antwort auf die Kurzintervention von Herrn Bode: 

Herr Bode, ich muss schon sagen: Diese Krokodilstränen, die Sie hier vergießen, finde ich wirklich bemerkenswert. Wir sind uns einig im Ziel. Natürlich würden wir uns mehr Kriterien wünschen. Aber ich glaube nicht – das sage ich Ihnen hier ganz offen –, dass die FDP zustimmen würde, wenn wir hier Kriterien wie Tarifbindung oder Mitbestimmung auflegen und zur Voraussetzung für die Förderung machen würden. Ich glaube nicht, dass die FDP Tarifbindung und Mitbestimmung, wie sie beispielsweise die Grünen und auch wir einfordern, am Ende mittragen würden. Das ist ein rein vorgeschobenes Argument von Ihrer Seite.

Eines will ich Ihnen noch sagen: Es ist kreditfinanziert. Das haben Sie nun selber zugestanden. Das trennt uns beide. Wir wollen – im Augenblick jedenfalls – die Schuldenbremse beachten. Sie ist in der Verfassung. Was Sie da machen wollen, bedeutet aber eine höhere Verschuldung – und das Sie als FDP! Wunderbar, kann ich nur sagen!