25. Mai 2013

Ansprache anlässlich der Veranstaltung 1000 Jahre Deutsch-russische Geschichte

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Einladerinnen, liebe Einlader der Landsmannschaft, liebe Gäste dieser Veranstaltung,

ich bedanke mich herzlich dafür, dass ich Ihnen heute die herzlichen Grüße der SPD-Ratsfraktion – und nebenher auch der SPD-Landtagsfraktion in Hannover – überbringen darf. Ich darf Sie zunächst beglückwünschen: Sie haben heute ein sehr wichtiges Thema aus der europäischen Völkerfamilie aufgegriffen – und dabei sogar einen tausendjährigen Geburtstag zu feiern kommt ja auch nicht alle Tage vor. Dass eine solche Veranstaltung bei uns in Osnabrück stattfindet, erfüllt uns natürlich mit besonderer Freude. Denn unsere Heimatstadt versteht sich als Stadt der Friedenskultur – als Ort des friedlichen und toleranten Austausches unterschiedlicher Meinungen, Kulturen, Religionen und auch Nationalitäten. Und diesem Frieden fühlen wir uns bis heute verpflichtet: durch lebendiges Aufarbeiten unserer Geschichte, durch Friedensgespräche, durch die Erinnerung an Erich Maria Remarque und an Felix Nussbaum – und nicht zuletzt durch den Austausch von Menschen.

Dass heute auch in unserer Stadt so viele Menschen aus Russland oder auch aus anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion leben, hätte ich mir vor wenigen Jahrzehnten niemals träumen lassen. Menschen, die im Supermarkt oder in Bussen russisch sprechen: Alles ist heute normal! Russische Restaurants, Gaststätten oder Reisebüros: normal! Heute ist all dies längst Normalität und macht uns reicher – und das ist gut so. Und es passt ja auch zu Osnabrück. Denn unsere Stadt weist in ihrer Geschichte gar nicht so wenige Punkte auf, die etwas mit dem deutsch-russischen Verhältnis zu tun haben.

Ich will dazu nur ganz kurz sehr wenige Stichworte nennen:

Schon zu Zeiten der deutschen Hanse führten die Handelswege Osnabrücker Kaufleute quer durch Russland. Bis nach Nowgorod mussten sie ziehen, um dort Pelze für unsere Kürschner zu erwerben und Eigenprodukte aus unserer Stadt zu verkaufen. Osnabrück gehörte vor wenigen Jahrzehnten zu den ersten deutschen Städten, die eine Städtepartnerschaft mit einer russischen Stadt, nämlich dem heutigen Twer, begründet haben. Diese Freundschaft wird rege gelebt und erfährt alljährlich sogar einen gegenseitigen Botschafteraustausch. Daneben haben wir bis heute bemerkenswerte Ortsbezeichnungen: Da gibt es nicht nur ein Sebastopol im Stadtteil Sonnenhügel, sondern sogar einen Ort namens Moskau. Und das in ganz Deutschland wohl einmalig dürfte sein, dass dieses Moskau ausgerechnet in der Wüste liegt. Und dass noch als ein nasses Schwimmbad in der Wüste, was andernorts dann endgültig für Verwirrung sorgen dürfte.

Nun aber eher im Ernst: Es ist natürlich nicht nur aus lokaler Sicht sehr richtig und wichtig, dass sich die heutige Veranstaltung mit 1000 Jahren gemeinsamer deutsch-russischer Geschichte befasst. Denn all die Fakten, die heute noch anklingen werden, haben auch Osnabrück in seiner mehr als 1200 Jahre alten Geschichte immer wieder mitgeprägt. Auch hier haben Generationen von Menschen Puschkin, Dostojewski oder Tolstoi gelesen. Auch wir versuchen immer wieder, uns in die russischen Weiten zu versetzen, die uns Pasternaks unvergessener Film „Doktor Schiwago“ in so unvergleichlicher Weise beschreibt. Wir faszinieren uns an der Welt der Kosaken mit ihren Reiterspielen und ihren Liedern. Menschen jeden Alters lieben auch bei uns die Musik Tschaikowskis – und nicht nur die Kinder mögen Sergei Prokofjews „Peter und der Wolf“. Ein Bauhauskünstler namens Wassily Kandinsky, sozusagen ein russischer Bayer aus Murnau, bereichert auch in Osnabrück bis heute mit seinen bunten geometrischen Figuren so manche Wohnzimmerwand.

Dass all dies umgekehrt in Russland auf ganz andere Weise sehr ähnlich ist, werden andere Redner nach mir noch viel besser beschreiben, zum Beispiel: Von der Vorliebe russischer Zarenhäuser für Sprösslinge deutscher Adelshäuser und deutscher Gebräuche über das Geschichtemachen des Deutschen Kaisers, der einem Wladimir Iljitsch Lenin dereinst die Zugfahrt durch Deutschland gestattet hat, um in Russland Revolution zu machen bis hin zur Faszination zahlreicher deutscher Intellektueller über diese Revolution, die dann allerdings bei sehr vielen in bitterer Enttäuschung endete. Es kann aber auch die Rede sein von zahllosen Menschen- und Städtefreundschaften, die nach dem Ende des kalten Krieges flächendeckend ausgeweitet wurden.

Lassen wir uns also heute ganz bewusst ein in diese 1000-jährige Welt immer neuer Gemeinsamkeiten! Ich bin auch ganz persönlich gespannt auf all das, was noch zu hören und zu sehen sein wird. Dazu wünsche den Veranstaltern in diesem Sinne auch weiterhin viel Erfolg und uns allen eine anregende Veranstaltung mit Lust zur Wiederholung.

Herzlichen Dank.