23. Mai 2013
Ansprache anlässlich der Rosa Courage-Preisverleihung an Ulrike Lunacek
Es gilt das gesprochene Wort.
Liebe Veranstalter und Verantwortliche,
sehr geehrter Herr Hengelein vom Nieders. Sozialministerium
und insbesondere: liebe Frau Lunacek,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich habe heute die schöne Aufgabe übernommen, hier die herzlichsten Grüße von Rat und Verwaltung der Stadt Osnabrück zu übermitteln, so wie ich dies bereits vor 2 Jahren getan habe, als ich das erste Mal an der Preisverleihung teilgenommen und den Oberbürgermeister vertreten durfte. Nun ist uns der Oberbürgermeister zwar in seiner neuen Funktion als Innenminister abhanden gekommen, aber ich bin immer noch da und freue mich ganz besonders, auch aus aktuellem Anlass, einige Bemerkungen zur Preisverleihung beitragen zu können. Denn auch in diesem Jahr verleihen wir in dieser Stadt den Rosa-Courage-Preis. Mit diesem Preis sollen, so steht es geschrieben, das Engagement und die kulturelle Leistung von Menschen ausgezeichnet werden, die sich für sogenannte queere Lebensentwürfe einsetzen oder diese in besonderer Weise vermitteln.
Dass der Rosa Courage-Preis für die Stadt Osnabrück mittlerweile eine ganz herausragende Bedeutung hat, können Sie bereits daran erkennen, dass sich heute unter uns gleich zwei Bewerberinnen um das Amt der Oberbürgermeisterin, für die am 22. September stattfindende Wahl, befinden. Ich begrüße deshalb an dieser Stelle ganz herzlich Birgit Bornemann als Oberbürgermeisterkandidatin der SPD und meinen Ratskollegen Thomas Klein als Oberbürgermeisterkandidaten der Grünen – herzlich willkommen Euch beiden. In der Liste früherer Preisträgerinnen und Preisträger finden wir bekannte Namen wie Ralf König, Maren Kroymann, Hella von Sinnen, Wieland Speck oder Karen-Susan Fessel.
Heute sind Sie dran, liebe Frau Lunacek.
Die Ihnen zustehende inhaltliche Würdigung werden heute natürlich noch andere neben mir vornehmen. Deshalb werde ich mich dabei zurückhalten, mögliche Inhalte vorweg zu nehmen. Mit Interesse habe ich trotzdem versucht, Ihre vielfältigen und langjährigen Aktivitäten nachzulesen. Danach haben Sie ja bereits 1995 mit der Moderation des sogenannten „Appells an die Vernunft“ fungiert, alles veranstaltet vom Österreichischen Lesben- und Schwulenforum.
„Appell an die Vernunft“ könnte dabei ohnehin eine beinahe zeitlose Botschaft sein, wenn es um die Rechte von Schwulen, Lesben oder Transgender geht. Bis heute sind Sie ja in herausragender Weise in ganz Europa unterwegs, um diesen Gedanken der Toleranz gegenüber allen Lebensformen immer wieder neu zu stärken. Darum noch einmal: Es gibt immer wieder aktuelle Anlässe, um einen Appell an die Vernunft zu richten:
Schauen wir in die Welt und denken wir an das Niederknüppeln und Unterdrücken schwulen und lesbischen Lebens in Russland. Herr Putin zeigt sich dabei als jemand, der alles andere ist als ein „lupenreiner Demokrat“, eher ein intoleranter und antiquierter Despot. Ich bin deshalb sehr froh, dass wir im Osnabrücker Stadtrat nahezu einvernehmlich eine Resolution für die Toleranz gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in Russland wie überall beschlossen haben. Ende Juni fahre ich persönlich mit meinem CDU-Ratskollegen Franz Josef Schwack in unsere russische Partnerstadt Twer und ich bin gespannt, ob diese Resolution dort dann Thema sein wird. Denn Toleranz gegenüber allen vielfältigen Formen menschlichen Zusammenlebens duldet keine diplomatische Zurückhaltung, sie muss klipp und klar mit Namen und Fakten eingefordert werden!
Aber auch bei uns in Deutschland gibt es ja noch erheblichen Nachholbedarf bei der Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Transgender. Wie die letzten Tage gezeigt haben, haben wir aber auch vor Ort hier noch eine Menge zu tun. Ich habe mich sehr gefreut, als die Gay-in-May-Veranstalter laut und deutlich ihre Haltung gegenüber der sogenannten Zion GmbH geäußert haben. Diese ist mittlerweile Besitzer des Areals „Früherer Güterbahnhof“ und plant dort ein mit 3000 Sitzplätzen völlig überdimensioniertes Gemeindezentrum für die Freikirche Lebensquelle zu errichten, das damit größer als der Osnabrücker Dom ist, um angeblich alle Menschen in der Stadt einzubeziehen.
Kürzlich kam aber in Form eines Fernsehinterviews heraus, dass die Gruppe von Schwulen, Lesben oder Transgender eben nicht zu diesen Menschen gezählt wird. Wörtlich hieß es in der Ablehnung einer solchen Öffnung: „Wir lieben die Menschen. Aber wir hassen die Sünde“. Und eine Sünde ist es nach dieser eigenartigen Lesart, wenn jemand sexuell anders orientiert ist als heterosexuell. Mit anderen Worten: Schwule, Lesben und Transgender werden allein wegen ihrer Orientierung als „Sünder“ betrachtet – und indirekt sagt man dann auch, dass man diese Mitmenschen hasst. Ich finde, dass derartiges Gedankengut in einer Stadt wie Osnabrück keinen Platz haben sollte und deshalb bin ich auch dafür, diesen monströsen Kirchenbau mit Hilfe des Planungsrechts und des noch aufzustellenden Bebauungsplans zu verhindern. Denn ein solches intolerantes und im Kern tief menschenverachtendes Verhalten mag andernorts gestattet werden, bei uns hat es keinen Platz!
Gefreut hat mich als bekennender Protestant – ich war mehrere Jahre Kirchenvorsteher in der evangelich-lutherischen Petrusgemeinde in Gretesch -, dass sich die evangelische Kirche in Osnabrück, vertreten durch Landessuperintendent Burghard Krause und Superintendent Friedemann Pannen, ganz klar von den Äußerungen der Freikirche Lebensquelle distanziert und klargestellt hat, dass sich die weltanschaulich-theologischen Positionen der Freikirche Lebensquelle nicht mit denen der Evangelischen Kirche decken. Ich zitiere wörtlich: „Toleranz im Sinne des Evangeliums schließt Menschen homosexueller Orientierung ausdrücklich ein. Wir distanzieren uns von jedweden Äußerungen, in denen Menschen wegen ihrer homosexuellen Orientierung diskreditiert und abgewertet werden.“ Zitat Ende
Eine Stadt wie Osnabrück, die stolz ist auf ihre Kinder Erich Maria Remarque oder Felix Nussbaum, die stolz ist auf die herausgestellten Werte wie Frieden, Demokratie, Integrationsfähigkeit und Toleranz, eine solche Stadt kann ebenfalls stolz sein, auch Ihre Aktivitäten Frau Lunacek in der angemessenen Art und Weise zu würdigen. Ich habe mich nämlich im Rahmen meiner Vorbereitungen auf den heutigen Tag etwas schlau darüber gemacht, was die Oberzeile „Gay in May“ in diesem Jahre 2013 ausmacht.
Die Preisverleihung, die heute ansteht, ist dabei sicher einer der Highlights. Ich war aber ganz begeistert darüber, was sonst noch alles getan wird. Da gab und gibt es Filme, Diskussions- oder Tanzveranstaltungen, Lesungen, Semestereröffnungsbrunch, ein Doppelkopfturnier, eine Kneipentour, ein Gottesdienst – nicht zuletzt gab es auch eine Stolpersteinverlegung. Kurzum: Der Blick ins Programmheft macht klar, dass Gay in May heute eine Mischung aller Aktivitäten ist, die im gewissen Sinne als „ganz normal menschlich“ definiert werden können. Es gibt nämlich wie im täglichen Leben ernste Themen, aber auch fröhliche, es gibt die Konzentration auf Wichtiges, aber auch ange-nehme Ruhepausen zum Zurücklehnen und Innehalten.
Gay in May hat in Osnabrück, wenn ich es richtig gerechnet habe, seinen 35. Geburtstag erreicht. Bei mir selbst war dieser 35. Geburtstag etwas ganz Besonderes: Da wurde nämlich – das ist in meiner Partei so üblich – das Ende des Juso-Alters eingeläutet, und es begann so etwas wie mein politischer Erwachsenenstatus. Gay in May ist natürlich schon lange erwachsen geworden. Aber das Junge und Ungestüme, das Kraft und Produktivität schafft, ist hier bei allen Akteuren ganz offenkundig erhalten geblieben.
Auch deshalb wünsche ich den Veranstaltern weiter unvergleichlich schöne, auch nachdenklich machende, vor allem inspirierende Tage.
Herzlichen Dank!