6. Juli 2012
Rede zur Energiewende bei der IHK am 6. Juli 2012
Es gilt das gesprochene Wort.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Energiewende erfordert vielleicht die größte technische Revolution unserer Zeit. Die Erkenntnis, dass wir auf Dauer Energie nicht auf Kosten unserer Umwelt gewinnen können, stellt eine Zeitenwende dar.
Dieses Gemeinschaftswerk verlangt ganz wesentliche Veränderungen unserer Infrastruktur, die Modernisierung unserer Industrie und zugleich eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft. Für die Wirtschaft eröffnet die Energiewende Chancen neue Produkte zu vermarkten – für gute technische Ideen sind wir ja bekannt.
Die Energiewende verändert die Rahmenbedingungen von Standortentscheidungen. In Zukunft hängen diese in stärkerem Maße von Energiepreisen und Energieverfügbarkeit ab. Dies gilt besonders für energieintensive Unternehmen, die in Niedersachsen beheimatet und ein wichtiger Arbeitgeber sind.
Und meine Damen und Herren, ich weiß wovon ich rede. In meinem Wahlkreis in Osnabrück befinden sich zwei große energieintensive Betriebe. Die kupferverarbeitende KME Gruppe und der Papierhersteller Schoeller. Mit KME sind wir in regelmäßigen Gesprächen sowohl mit der Firmenleitung als auch mit dem Betriebsrat. Das gleiche gilt für die Firma Schoeller. Diese energieintensiven Betriebe sind auf eine 24-stündige Energieversorgung angewiesen. Sie brauchen den Strom aus grundlastfähigen Kraftwerken, was die Politik vor große Herausforderungen stellt. Mit Strom aus Photovoltaikanlagen kommen wir in diesem Zusammenhang nicht wirklich weiter.
Diese Problemlage muss die Politik angehen. Durch die Energiewende 2000 unter der Regierung Schröder wurden einst verlässliche Rahmenbedingungen für alle Beteiligten geschaffen.
Dies wurde 2009 durch die Laufzeitverlängerung der schwarz-gelben Regierung aufgehoben. Die Nuklearkatastrophe in Fukushima brachte dann den erneuten Atomausstieg.
Meine Damen und Herren, es fehlt vor allem an Kontinuität. Dadurch werden notwendige Investitionen gehemmt und die Versorgungssicherheit gefährdet. Dies verunsichert Verbraucher, Energieversorger und Industrie. Das Hickhack um die Kürzung der Solarenergieförderung nach dem EEG ist nur ein Beispiel dafür, wie Investoren verunsichert werden. Die Poilitik muss klare Rahmenbedingungen setzen und da hat die amtierende Bundesregierung schlicht versagt.
Der Rat für nachhaltige Entwicklung (RNE), der die Bundesregierung bei der Umsetzung der Energiewende berät, stellt dieser ein mieserables Zeugnis aus. Ich zitiere den RNE Generalsekretär Günther Bachmann aus einem Interview der NOZ vom 2. Juli:
„Der Bau von Stromtrassen für den Transport der Offshore Windenergie von Nord nach Süd ist noch nicht einmal im Ansatz erreicht worden. Völlig unklar ist, wo der radioaktive Müll gelagert werden soll. Und Investoren wie politische Beobachter sind irritiert angesichts eines Zuständigkeitswirrwarrs zwischen Bund und Ländern und eines ungeahnten Kompetenzgerangels.“
Meine Damen und Herren, diese Aussage macht eines deutlich: Die Bundesregierung wird die Energiewende alleine nicht schaffen, dazu bedarf es nach meiner festen Überzeugung eines gemeinsamen Vorgehens von Regierung und Opposition. Das Gelingen der Energiewende ist eine nationale Aufgabe, die einen Plan ähnlich des Marschallplans nach Ende des 2. Weltkriegs erfordert.
Die Problemlage macht klar: Eine erfolgreiche Energiewende braucht ein Bündel an Maßnahmen und Instrumenten, die eng miteinander abgestimmt sein müssen. Unser Ziel als Deutsche Sozialdemokratie ist eine nachhaltige, bezahlbare und sichere Energieversorgung.
Dabei spielen für uns drei Bereiche eine zentrale Rolle:
a) der Ausbau der Erneuerbaren Energien und damit verbunden die neue Rolle der fossilen Kraftwerke,
b) der Ausbau der Netze und Speichertechnologien und
c) Maßnahmen im Bereich der Energieeffizienz.
Für diese drei Bereiche fordern wir folgende konkrete Lösungsvorschläge.
a) Erneuerbare Energien/ Fossile Kraftwerke
Das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) muss weiterentwickelt werden. Es bleibt ein Instrument zur Markteinführung und darf keine dauerhafte Co-Finanzierung bzw. Subventionsnorm sein. Dafür müssen flexible Übergangsregelungen für bereits begonnene Investitionen festgelegt werden.
Anzuführen sind hier faire Wettbewerbsbedingungen für die deutsche Solarindustrie. Das insbesondere von chinesischen Modulherstellern betriebene Preisdumping, gestützt von einer aktiven Subventionspolitik der chinesischen Regierung, ist zu unterbinden.
Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Solarbranche u. a. dadurch stärken, dass künftig nur noch die Solaranlagen eine Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz erhalten, die einen Anteil von 70 Prozent an Wertschöpfung aus Fertigungsanlagen innerhalb der EU nachweisen können.
Als nächstes Beispiel will ich mich der Windkraft widmen. Denn Windkraft wird zukünftig den größten Anteil der Erneuerbaren Energien darstellen. Dafür müssen ältere Anlagen durch neue leistungsstärkere ausgetauscht werden – Repowering -, Potentiale an Land genutzt und der Ausbau der Windkraft auf hoher See (Offshore) vorangetrieben werden.
Das Wachstumspotenzial der Offshore-Windenergie wird sich nur dann in Umsätzen und neuen Arbeitsplätzen auszahlen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Nicht nur die Netzanbindung der Windparks auf See muss endlich vorankommen.
Um den Ausbau der Stromtrassen voranzubringen, bedarf es auch einer gemeinsamen Kraftanstrenung der Politik, um zu schnelleren Planungsprozessen und Genehmigungsverfahren zu kommen.
Wir brauchen dazu gesetzliche Rahmenbedingungen, die das Planungsrecht beschleunigen, etwa Sonderregelungen, die den Ausbau von Stromtrassen privilegieren und Bürgerbeteiligungsverfahren beschleunigen und da machen wir uns mal nichts vor, dass wird auch mit der Beschneidung von Beteiligunsgrechten einhergehen müssen.
Angesichts der nationalen Bedeutung der Energiewende, kann es doch nicht sein, dass jede kleinere Bürgerinitiative vor Ort, die Planungen von Stromtrassen aufhalten kann. Da müssen wir die Planungs-, Genehmigungs- und Beteiligungsprozesse deutlich beschleunigen, sonst wird das nichts mit dem Ausbau der Stromtrassen.
b) Netze und Speichertechnologien
Die beste Stromproduktion ist nichts wert, wenn die Energie nicht dahin kommt, wo sie gebraucht wird. In Zukunft werden intelligente Netze benötigt, sog. „smart grids“. Der intelligente Zähler ist eine erste wichtige Technologie, der Prozess muss aber weitergehen von der bloßen Kraftwerkssteuerung hin zu einer kombinierten Erzeugungs- und Verbrauchssteuerung.
Verbunden damit ist der Ausbau der Speichertechnologien. Bereits heute stehen dem deutschen Stromnetz 10 GW Speicher- und Pumpspeicherwasserkraftwerke zur Verfügung. Sie nehmen Strommengen bei hoher Produktion auf und stellen sie bei Bedarf innerhalb weniger Augenblicke bereit.
Der Einsatz von Speichern übernimmt daher eine wichtige Aufgabe zur Aufrechterhaltung der Spannungs- und Frequenzstabilität in Deutschland. Die aktuellen Kapazitäten reichen allerdings auf Dauer nicht aus und müssen dringend ausgebaut werden.
Kohle ist immer noch ein Brückenenergieträger und bekanntlich mit immensen CO2-Austößen verbunden. Um die international vereinbarten Ziele zur CO2-Reduktion zu erreichen, sollte die Speicherung und Einlagerung von Kohlendioxid zumindest geprüft werden und auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden.
c) Energieeffizienz
Schließlich spielt das Thema Energieeffizienz eine wichtige Rolle. In Bezug auf die Energieeffizienzrichtlinie unterstützen wir die Forderung, dass der Bund 3% aller öffentlichen Gebäude gründlich saniert.
Um die in den letzten drei Jahren versiegte Investitionsbereitschaft der Privatwirtschaft neu zu wecken, sollen zunächst auf fünf Jahre begrenzt verbesserte steuerliche Abschreibemöglichkeiten für Energieeffizienzmaßnahmen an Gebäuden und Maschinen eingerichtet werden.
Meine Damen und Herren, die Energiewende stellt unsere Wirtschaft und Gesellschaft vor große Herausforderungen. Gleichzeitig bietet sie enorme Chancen.
Kurzfristig geht es um die Sicherung der Energieversorgung bei abgeschalteten Atomkraftwerken,
Mittelfristig müssen wir vor allem die Versorgungsnetze und Speicher angehen und
Langfristig wird es unser Ziel sein, die komplette Umstellung auf eine nachhaltige Energieversorgung sicherzustellen.
Es gibt noch keinen allgemeingültigen Masterplan. Im Moment kennen wir nur Lösungsvorschläge, die regelmäßig auf ihre Wirksamkeit geprüft werden müssen.
Hierzu freue ich mich auf den Austausch mit Ihnen.