28. August 2013
Zweite Rede zur Verstärkung der Maßnahmen gegen Steuerbetrug
Es gilt das gesprochene Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Trotz guter Steuereinnahmen und niedriger Zinssätze sind die öffentlichen Haushalte allesamt defizitär, und zwar egal ob auf kommunaler Ebene, auf Landes- oder auf Bundesebene. Hinzu kommt, dass wir alle gemeinsam spätestens ab 2020 die Schuldenbremse einzuhalten haben.
Meine Kollegin Renate Geuter hat eben ausgeführt, dass die alte schwarz-gelbe Landesregierung uns im Haushaltsplan 2013 ein Haushaltsdefizit von 1,3 Milliarden Euro und rund 60 Milliarden Euro aufgehäufte Altschulden aus schwarz-gelben Zeiten hinterlassen hat.
Gleichzeitig stehen wir auf Landesebene vor gewaltigen Zukunftsaufgaben, beispielsweise vor der Aufgabe, den Sanierungsstau im Bereich der öffentlichen Infrastruktur, die wachsenden Pensionsverpflichtungen und auch den demografischen Wandel zu meistern. Ich nenne hier nur einmal die Stichworte: Bildung, Ganztagsschulen und Kita-Ausbau.
Meine Damen und Herren, ich bin mir ziemlich sicher: Allein durch Ausgabenkürzungen, wie diese Seite des Hauses es immer so gerne vorschlägt, werden wir diese gewaltigen Herausforderungen mit Sicherheit nicht in den Griff bekommen. Wir müssen uns deshalb vor allem um die Einnahmeseite kümmern.
Einen Weg hat Ihnen einen Tagesordnungspunkt zuvor Renate Geuter aufgezeigt, nämlich durch maßvolle Steuererhöhungen für Vermögende und Besserverdienende unser Gemeinwesen auf eine solide finanzielle Grundlage zu stellen.
Ein ergänzender Weg ist es, das Steueraufkommen durch einen gerechten Steuervollzug zu sichern und wirksam gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung vorzugehen. Das ist der Gegenstand unseres heutigen Entschließungsantrags. In der Besteuerungspraxis hat sich nämlich gezeigt, dass es ein riesiges Vollzugsdefizit gibt. Es klafft eine große Lücke zwischen dem, was gewählte Volksvertreter auf der einen Seite im Bundestag oder auch hier im Landtag bei der Verabschiedung der Steuergesetze ursprünglich wollten, und dem, was Betriebsprüfer draußen vor Ort daraus machen können.
Meine Damen und Herren, das Geld liegt auf der Straße. Wir müssen es nur einsammeln. Lassen Sie uns gemeinsam das schon genannte Vollzugsdefizit angehen! Dann bräuchten wir im Grunde auch nicht über die geplanten Steuererhöhungen zu streiten wie unter den Tagesordnungspunkten zuvor.
Wie hat unser Finanzminister, Peter-Jürgen Schneider, bei der Abschlussfeier für die Anwärter der Finanzverwaltung so schön gesagt? – Ohne Einnahmen keine Ausgaben, meine Damen und Herren.
(Zuruf von der CDU: Stimmt!)
Recht hat er, unser Finanzminister. Deshalb wollen wir mit unserem Entschließungsantrag dazu beitragen, dass die Steuerverwaltung in Niedersachsen wieder so ausgerichtet wird, dass sie ihrer tragenden Rolle als Einnahmeverwaltung gerecht werden kann.
(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)
Dafür brauchen wir eine bedarfsgerechte Personalausstattung und eine Stärkung der Betriebsprüfungsstellen. Wir schlagen dazu drei Maßnahmen vor:
Erstens wollen wir 100 zusätzliche Stellen im Betriebsprüfungsdienst und in der Steuerfahndung schaffen.
Da neue Betriebsprüfer nun einmal nicht vom Himmel fallen, wollen wir zweitens die Ausbildungskapazitäten für Steuer- und Finanzanwärter bedarfsgerecht erhöhen.
(Beifall bei der SPD)
Drittens wollen wir das qualifizierte Steuerpersonal von reinen Verwaltungstätigkeiten entlasten, beispielsweise durch die Einstellung von zusätzlichen Verwaltungsangestellten, damit sich die Betriebs- und Steuerfahndungsprüfer auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, auch wenn ich es in diesem Hohen Hause schon häufiger gesagt habe, ich wiederhole es: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern untergräbt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unseren Rechtsstaat. Steuerhinterziehung darf kein Volkssport werden. Deshalb ist es wichtig, die Steuerverwaltung so auszustatten, dass sich kein Krimineller in diesem Land mehr sicher fühlen kann.
Nun bin ich von der CDU-Opposition im Haushaltsausschuss gefragt worden, ob ich alle Unternehmer grundsätzlich für kriminell halte, weil wir die Steuerverwaltung so wirksam aufrüsten wollen.
(Reinhold Hilbers [CDU]: So haben wir gefragt, weil Sie das so ausgeführt haben!)
– Herr Hilbers, diese Frage haben gar nicht Sie gestellt, das war Ihr Kollege.
Dazu sage ich klipp und klar: Natürlich sind die meisten Unternehmer ebenso wie die überwiegende Zahl der Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande steuerehrlich. Das ist aber gar nicht die Frage, der wir uns stellen müssen. Bei der Betrugsbekämpfung und bei dem Kampf gegen die Steuerhinterziehung geht es nämlich vor allem um Prävention. Je häufiger Steuerhinterzieher mit der Aufdeckung ihrer kriminellen Machenschaften rechnen müssen, umso weniger kommen sie in die Gefahr, falsche Steuererklärungen abzugeben.
Im Kern geht es aber nicht nur um Steuerhinterziehung. Es geht auch darum, Waffengleichheit herzustellen. Die wenigen Steuerprüfer, die wir in diesem Lande haben, sind häufig einer komplizierten Steuergesetzgebung ausgeliefert und sehen sich einer Vielzahl von gut ausgebildeten und zahlenmäßig weit größeren Gruppe von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern gegenüber.
International tätige Konzerne entziehen sich ihren Steuerverpflichtungen häufig durch komplizierte, aber durchaus legale Steuergestaltungen. Aber, meine Damen und Herren, nicht alles, was legal ist, ist auch legitim.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Deshalb müssen wir unsere Steuerverwaltung durch mehr Personal überhaupt erst einmal in die Lage versetzen, den internationalen Steuerdschungel zu durchdringen, um mit den gewieften Steuerberatern auf der Gegenseite überhaupt mithalten zu können. Deshalb finden wir in unserem Entschließungsantrag die Forderung, bestehende Doppelbesteuerungsabkommen mit ausländischen Steueroasen auszusetzen und neu zu verhandeln, absolut richtig, meine Damen und Herren.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)
In diesem Zusammenhang ist auch unsere Forderung zu sehen, die zehnjährige Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehung zu verlängern, da gerade bei Auslandssachverhalten der zwischenstaatliche Informationsaustausch zu langsam und nur unzureichend funktioniert.
Bevor jetzt der Kollege Mohr wieder mit dem Hinweis auf die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel kommt, dass nämlich auch bei schwerer Körperverletzung die Verjährung nach zehn Jahren eintritt – das hatten Sie im Ausschuss zu Recht ausgeführt -, möchte ich den Vorschlag einbringen, lieber Kollege Mohr, die zehnjährige Verjährungsfrist beizubehalten, aber darüber nachzudenken, wann die zehnjährige Frist beginnt. Dazu hat die SPD-Fraktion des Hessischen Landtags jüngst einen vernünftigen Entschließungsantrag eingebracht: Soll die Verjährung wie heute mit Abgabe der Steuererklärung beginnen, oder soll sie gerade bei Auslandssachverhalten erst dann beginnen, wenn die wichtigen Besteuerungsgrundlagen und -informationen aus dem Ausland vorliegen? – Damit würde also die Anlaufhemmung zeitlich nach hinten geschoben werden.
An dieser Stelle gibt es viele Gestaltungs- und Variationsmöglichkeiten. Dazu erwarte ich von unserer Landesregierung eine gewisse Kreativität, wie sie gerade an diesem Punkt die Bundesratsinitiative in die richtigen Bahnen lenkt.
Dazu gehört aber auch der für mich wichtigste Punkt unseres Entschließungsantrags neben der schon genannten Personalaufstockung bei der Finanzverwaltung, nämlich Anreize für die Länder zu schaffen, zusätzliche Betriebsprüfungen und Betriebsprüfungsstellen durchzuführen bzw. zu schaffen. Solange die Länder die Personalkosten zu 100 % zu tragen haben, aber wegen des Länderfinanzausgleichs lediglich 40 % der Mehreinnahmen aus Betriebsprüfungen im Land selbst verbleiben, fehlt jeglicher Anreiz, zusätzliches Personal einzustellen und durch zusätzliche Betriebsprüfungen für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen.
Deshalb verweise ich nochmals ausdrücklich auf den Punkt 7 unseres Entschließungsantrags, den ich persönlich für den wichtigsten halte. Im Rahmen der schon angesprochenen Bundesratsinitiative soll geklärt werden, wie die Personalkosten der Länder für ihre jeweiligen Steuerverwaltungen vor der Verteilung des Steueraufkommens angerechnet werden können, damit der Anreiz, zusätzliche Einnahmen durch Betriebsprüfungen zu generieren, bei den Ländern überhaupt vorhanden ist.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, abschließend stelle ich fest: Rot-Grün setzt heute ein Zeichen für mehr Steuergerechtigkeit, für eine faire Finanzierung unseres Gemeinwesens, für den Kampf gegen kriminelle Machenschaften und Steuerhinterziehung. Nur leider verweigert sich an dieser Stelle wie so häufig die Opposition aus durchsichtigen Gründen wieder einmal unserer Initiative und will den Weg nicht mit uns gemeinsam gehen, obwohl das zulasten der Kolleginnen und Kollegen der Steuerverwaltung und zulasten der ehrlichen Steuerzahler in diesem Lande geht.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)