15. Mai 2014
Zweite Rede zu den Umweltzonen in Osnabrück und Hannover
Videomitschnitt der Rede
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Text der Rede
Es gilt das gesprochene Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Die Wahrnehmungen bei diesem Thema scheinen sehr unterschiedlich zu sein. Selbstverständlich sind Umweltzonen kein Allheilmittel, sondern allenfalls Mittel zum Zweck. Lieber Kollege Hocker, wir haben nie gesagt, dass Umweltzonen das Allheilmittel sind. Dass sie natürlich mit Einschränkungen verbunden sind, haben wir immer zugestanden. Gleichwohl waren wir immer zu Diskussionen über die Umweltzone bereit und haben sie auch geführt. Die Ergebnisse der Anhörung, lieber Herr Kollege Hocker, haben wir allerdings völlig anders wahrgenommen als Sie, und darüber müssen wir gleich vielleicht streiten.
Der erste Punkt, auf den ich deutlich hinweisen möchte, bezieht sich auf die Frage: Warum haben wir überhaupt Umweltzonen in Osnabrück und Hannover eingeführt? Der Punkt ist: In Osnabrück – das weiß ich sehr genau – leben 17 000 Menschen an Straßenabschnitten mit einer Länge von ungefähr 21 km, an denen die Grenzwerte für die Stickstoffdioxidbelastung bei Weitem überschritten werden.
Die Stickstoffdioxidbelastung wird durch zahlreiche ältere Dieselfahrzeuge hervorgerufen, die bestimmte Bedingungen nicht erfüllen. Die damit einhergehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen rechtfertigen aus unserer Sicht die von Ihnen monierten Freiheitseinschränkungen.
Ich will jetzt nicht wiederholen, was ich schon im Ausschuss und bei der Beratung im Plenum dazu gesagt habe, dass Sie einen sehr eingeschränkten Freiheitsbegriff haben, Herr Dr. Hocker, wenn Sie meinen, dass man zum Zwecke des Gesundheitsschutzes der Menschen keine Fahrzeugverbote oder Fahrzeugbeschränkungen aussprechen dürfe. Das sehen wir völlig anders. Der Gesundheitsschutz muss an der Stelle Vorrang haben.
Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, Herr Dr. Hocker, dass die Menschen an diesen belasteten Wohnstraßen ein einklagbares Recht auf Einhaltung der Grenzwerte haben. Dieses einklagbare Recht konnten wir bislang nicht erfüllen, wir konnten die Grenzwerte nicht einhalten, und wir haben deshalb eine Ausnahmegenehmigung bei der EU beantragt. Das haben sowohl die Stadt Osnabrück als auch die Stadt Hannover gemacht. Aufgrund einer Ausnahmegenehmigung der EU wird bis 2015 sanktionsfrei toleriert, dass die Grenzwerte für Stickstoffdioxide überschritten werden.
Das Ergebnis der Anhörung will ich aus meiner Sicht wiedergeben. Ich will sehr deutlich sagen, warum wir der Auffassung sind, dass wir die Umweltzonen zum jetzigen Zeitpunkt – über einen späteren Zeitpunkt kann man sicherlich reden – nicht auflösen oder aufheben können: Das Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim und auch der zuständige Referent im Umweltministerium haben uns sehr deutlich vor Augen geführt, dass eine vorzeitige Aufhebung der Umweltzonen schlicht rechtswidrig wäre, da Osnabrück und Hannover die EU-Ausnahmegenehmigungen für den Zeitraum bis 2015 im Hinblick auf die Überschreitung der Grenzwerte nur deshalb erhalten haben, weil sie deutlich machen konnten, dass sie Luftreinhaltepläne aufgestellt haben, die alle wirksamen Maßnahmen ausschöpfen. Zu diesen wirksamen Maßnahmen gehört nun einmal die Umweltzone.
Auf meine ausdrückliche Frage, ob das Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim als Fachbehörde, die heute noch, wie vom ehemaligen Umweltminister Sander beauftragt, die Feinstaubminderung durch die Umweltzonen untersucht, immer noch der Auffassung ist, dass die Umweltzonen das wirksamste Mittel zur Bekämpfung der Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid sind, ist dies bestätigt worden. Auch nach heutiger Auffassung der Fachbehörde sind die Umweltzonen das wirksamste Mittel, um die Stickstoffdioxidbelastungen in den Griff zu bekommen.
Das war der Grund, warum wir bei der EU eine Verlängerung der Ausnahmegenehmigung beantragen konnten und diese auch erhalten haben. Die Aufhebung einer Umweltzone – das ist das Ergebnis der Anhörung – wäre formal erst dann möglich, wenn der Grenzwert für Stickstoffdioxid sicher eingehalten wird. Das ist eben nicht der Fall. Deshalb wäre eine vorzeitige Aufhebung grob rechtswidrig.
Der damalige Umweltminister Sander hat als einziger Umweltminister landauf, landab die Zuständigkeit des Landes für die Umweltzonen verneint und sie den Kommunen aufgebürdet mit der Folge, dass die Kommunen für die Aufstellung der Luftreinhaltepläne zuständig waren, und der weiteren Folge, dass das Land den Kommunen die Kosten aufgebürdet hat. Deshalb wundert es mich schon, dass ausgerechnet die FDP, die den Kommunen die Zuständigkeit für die Umweltzone gegeben hat, sie ihnen offensichtlich über eine Bundesratsinitiative entziehen will.
(Dr. Gero Hocker [FDP]: Lesen Sie mal den Antrag! Das steht da gar nicht drin! Haben Sie da überhaupt mal reingeguckt? Sie schmoren im eigenen Saft!)
Zuständig sind im Augenblick die Kommunen, Herr Dr. Hocker. Belassen Sie doch die Zuständigkeit bei den Kommunen; denn die Kommunen Osnabrück und Hannover haben zu Recht gesagt, dass sie den Ausnahmegenehmigungsantrag stellen müssen und wir die Umweltzonen noch brauchen, solange die Grenzwerte überschritten werden. Ich weiß gar nicht, warum Sie da unzulässigerweise in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen wollen.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Die Kommunen müssen übrigens, wenn wir Ihrem Antrag folgen würden, die Luftreinhaltepläne ändern. Dazu wären Beschlüsse in den Räten mit umfassender Öffentlichkeitsbeteiligung und einem damit verbundenen sehr großen zeitlichem Aufwand erforderlich. Sie können sich vielleicht noch an die Anhörung erinnern. Da ist davon gesprochen worden, dass das Ganze bis zu anderthalb Jahre dauern kann. Das ist aus meiner Sicht völlig überflüssig; denn wir werden 2015 sowieso wieder über diese Frage sprechen müssen, weil dann die Ausnahmegenehmigungen der EU auslaufen. Das heißt, dann werden wir uns überlegen müssen: Wie gehen wir zukünftig mit den Umweltzonen um? Ich sage einfach mal: Ihr Antrag kommt schlicht zu früh.
(Dr. Gero Hocker [FDP]: In einem halben Jahr würden Sie es wollen, oder was? Dann schicke ich ihn noch mal!)
Im Augenblick können wir ihn aus rechtlichen Gründen nicht umsetzen, weil es immer noch zu Grenzwertüberschreitungen kommt.
Im Übrigen will ich Ihnen sehr deutlich ins Stammbuch schreiben: Auch ausweislich der Antwort auf die Anfrage, die Sie selber gestellt haben – Sie müssen sie nur lesen -, stimmt es nicht, dass die Umweltzonen gar nichts gebracht haben. Es ist Fakt, dass die Feinstaubbelastung um 4 % und die Stickstoffdioxidbelastung um 5 μg, was etwa 10 % der Belastung entspricht, zurückgegangen sind.
Vizepräsident Karl-Heinz Klare:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hocker?
(Frank Henning [SPD] – zu Dr. Gero Hocker [FDP] -: Das haben wir schon lang und breit im Ausschuss diskutiert! Wir bringen das jetzt zu Ende!)
– Ich wollte gerne fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen. – Nein.
(Zuruf von Dr. Gero Hocker [FDP] – Gegenruf von Frank Henning [SPD]: Außerdem habe ich das Wort!)
– Ihr Mikrofon bleibt ausgeschaltet. Wenn ich Ihnen wieder das Wort gebe, haben Sie das Wort. So kommt es ordnungsgemäß zustande. Bitte schön!
Frank Henning (SPD):
Meine Damen und Herren, mit der Einführung der Euro-6-Norm wird sich das Problem nach meiner festen Überzeugung in der Zukunft sowieso erledigen. Deswegen raten ich Ihnen: Warten Sie noch zwei Jahre ab! Dann wird sich die Euro-6-Norm, bei deren Durchsetzung sich die FDP aus meiner Sicht allerdings nicht als Vorreiter hervorgetan hat – sie wurde von anderen eingefordert -, weitestgehend im Flottenbestand durchgesetzt haben, sodass es zu einer weiteren Reduzierung der Belastungen kommt. Dann sind wir selbstverständlich bereit, nicht nur über eine Abschaffung nachzudenken, sondern die Umweltzonen auch tatsächlich abzuschaffen. Ich sage aber – das hat die Anhörung der Fachleute im Umweltausschuss sehr deutlich gemacht -, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist, weil eben nicht sicher ist, dass wir die Grenzwerte einhalten können. Das Gegenteil ist der Fall, und deswegen brauchen wir die Umweltzonen. Ihre Abschaffung wäre grob rechtswidrig.
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Herr Dr. Hocker, Sie sprechen in Ihrem Antrag immer von „Bürokratie“ und vom „Verwaltungsaufwand“. Das, was Sie da schreiben, stimmt schlicht nicht.
(Dr. Gero Hocker [FDP]: Fragen Sie mal die Selbstständigen in Osnabrück, was das für eine Bürokratie verursacht! Die Ausnahmegenehmigungen!)
Der damit verbundene Aufwand ist in der Vergangenheit längst angefallen. Wir mussten aufgrund Ihrer damaligen Initiativen in Osnabrück 125 000 Euro ausgeben, um die Beschilderung an den Autobahnen zu realisieren. Das sind Kosten der Vergangenheit; das ist längst gelaufen. Die Kosten des Personals, das für die von Ihnen kritisierten Ausnahmegenehmigungen zuständig ist, werden längst durch die Gebühreneinnahmen gedeckt; das hat die Antwort auf Ihre Anfrage längst gezeigt.
(Dr. Gero Hocker [FDP]: Derbe Wegelagerei ist das! Nichts anderes!)
Das heißt, der bürokratische Verwaltungsaufwand und die Kosten des Apparats sind Dinge aus der Vergangenheit. Das ist doch längst gelaufen. Die Ausnahmegenehmigungen werden in Osnabrück und Hannover völlig unbürokratisch per Fax erledigt.
(Dr. Gero Hocker [FDP]: Nein! Per Fax wird das erledigt!?)
Das macht überhaupt keinen Aufwand. Darüber spricht niemand in Osnabrück. Ich sage Ihnen, Herr Dr. Hocker: Sie reden hier ein Problem herbei, das es in Osnabrück und Hannover überhaupt nicht gibt. Die Menschen haben die Umweltzone in Osnabrück längst akzeptiert. Es gibt keine Diskussion in Osnabrück über die Umweltzone. Ich möchte übrigens darauf hinweisen, dass der damalige Stadtbaurat und heutige Oberbürgermeister, den die CDU gestellt hat, diese Umweltzone vorgeschlagen und eingeführt hat. Daran sehen Sie, dass das so falsch nicht gewesen sein kann.
Meine letzte Bemerkung: Von den 565 000 Fahrzeugen, die im Landkreis und in der Stadt Osnabrück zugelassen sind, haben etwa 65 000 immer noch keine grüne Plakette. Ihrem Antrag zum jetzigen Zeitpunkt zu folgen, würde bedeuten, diese Fahrzeuge in die Stadt fahren zu lassen. Das würde – auch das ist uns übrigens in der Anhörung bestätigt worden – zu einem sprunghaften Anstieg der Stickstoffdioxidbelastung führen. Denn ältere Dieselfahrzeuge haben einen dreimal höheren Schadstoffausstoß als moderne Fahrzeuge.
Fazit aus meiner Sicht: Eine vorzeitige Auflösung wäre Sache der Kommunen, in deren Zuständigkeit Sie unzulässig eingreifen wollen. Im Übrigen wäre sie grob rechtswidrig. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)