12. Oktober 2023

Zweite Rede zum Thema Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie

Plenarrede vom 12. Oktober 2023

Videomitschnitt der Rede

Beim Klicken auf das Bild wird ein externer Link zu YouTube aufgerufen. Es gelten die dortigen Datenschutz-Bestimmungen.

Text der Rede

Es gilt das gesprochene Wort.

Herr Präsident!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Ich kann es mir nicht verkneifen, Herr Najafi: Dass ausgerechnet die AfD die Mehrwertsteuerabsenkung auf 7 % mit der Zahlung des Mindestlohns in der Gastronomie begründet! Darf ich Sie daran erinnern ‑ es wäre gut, wenn Sie mal einen Blick in Ihr arbeitnehmerfeindliches und neoliberales Wirtschaftsprogramm werfen würden ‑, dass Sie als AfD niemals dem Mindestlohn zugestimmt haben, sondern immer dagegen waren, und dass es die SPD war, die den Mindestlohn eingeführt hat.

Und jetzt berufen Sie sich auf den Mindestlohn? Das ist absolut lächerlich, und hat im Übrigen mit der Mehrwertsteuerabsenkung auch gar nichts zu tun.

Aber zur Sache, meine Damen und Herren! Ich habe in der Aktuellen Stunde ‑ das ist keine zwei Stunden her ‑ zur selben Thematik sprechen dürfen und habe für die SPD-Fraktion, glaube ich, sehr deutlich gemacht, dass wir an der Seite der Gastronomie stehen und habe meine Wertschätzung für die dort tätigen Beschäftigten zum Ausdruck gebracht.

Herr Seebeck, ich möchte Ihnen ausdrücklich zu Ihrer Rede gratulieren. Ich habe vorhin einen Satz mitgeschrieben, den ich jetzt mal zitieren möchte. Sie haben als gelernter und tätiger Gastronom gesagt: Die Corona-Maßnahmen zum Schutz des menschlichen Lebens waren richtig.

Das möchte ich unterstreichen. Ich danke Ihnen auch für diese Aussage, weil ich weiß, dass Sie als Gastronom natürlich mit den Corona-Maßnahmen der Landes- und der Bundesregierung schwer zu kämpfen hatten. Aber Sie haben die richtige Einschätzung geäußert und bringen damit zum Ausdruck, dass wir uns als Demokraten hier nicht von den Corona-Leugnern am rechten Rand dieses Haus auseinanderdividieren lassen. Vielen Dank dafür.

Zur Sache selbst muss ich Ihnen allerdings sagen, Herr Seebeck, Sie kommen mit Ihrem Antrag „7 % Mehrwertsteuer erhalten!“ schlicht zu spät. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es eine aktuelle Bundesratsinitiative aus Mecklenburg-Vorpommern zur dauerhaften Absenkung auf 7 % gibt – übrigens ausgelöst durch unsere SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig.

Daher möchte ich auch mit einem Schmunzeln hinzufügen: Manuela Schwesig ist eine Berufskollegin von mir. Sie ist gelernte Finanzbeamtin und war zuletzt bei der Steuerfahndung. Die gute Frau weiß, wovon sie spricht, und ist eine gute Ministerpräsidentin. Deswegen hat sie diese Bundesratsinitiative ins Leben gerufen.

Sie kommen also mit Ihrer Initiative deutlich zu spät. Das Thema wird ‑ übrigens unter Beteiligung Niedersachsens; Niedersachsen ist bei den Bundesratsdiskussionen beteiligt ‑ sehr intensiv im Bundesrat beraten. Ich habe darauf hingewiesen, dass es in drei Bundesratsausschüssen Thema war.

Vizepräsident Marcus Bosse:

Herr Kollege Henning, ich muss Sie unterbrechen. Es gibt eine Zwischenfrage des Kollegen Thiele.

Frank Henning (SPD):

Das machen wir wie in der Aktuellen Stunde: Fragestunde. Bitte!

(Ulrich Watermann [SPD]: Ich kenne mich da aus! Das kann lange gehen!)

– Ich weiß.

Ulf Thiele (CDU):

Alles gut. – Herr Präsident! Recht vielen Dank für die Möglichkeit. Nachdem Sie gerade ‑ einleitende Bemerkung ‑ die Initiative der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat in höchsten Tönen gelobt haben, frage ich Sie: Haben Sie Informationen darüber, wie das Abstimmungsverhalten der Niedersächsischen Landesregierung zu dieser Initiative sein wird? Und welcher Grund könnte jetzt noch dagegenstehen, gleich unserem Antrag hier zuzustimmen?

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frank Henning (SPD):

Vielen Dank für die Frage, weil ich Ihnen das gleich sowieso beantworten wollte. Das kommt jetzt nämlich alles. Ich hatte es schon vorbereitet. Insofern: Hören Sie einfach weiter zu; Ihre Frage wird gleich beantwortet.

Wie gesagt, der Bundesrat hat sich in drei Fachausschüssen schon mit der Thematik befasst. Der Wirtschaftsausschuss hat unter Beteiligung Niedersachsens beschlossen, zunächst mal nur um zwei Jahre zu verlängern ‑ das ist der Vorschlag ‑ und die Zwischenzeit bis 2024 zur Evaluation des Umsatzsteuerrechts insgesamt zu nutzen.

Was soll in dieser Zwischenzeit passieren? Ich habe das vorhin auch schon mal ‑ leider wiederholt sich das jetzt ein bisschen ‑ in der Aktuellen Stunde gesagt. Gucken Sie sich das Umsatzsteuerrecht an. Das ist höchst bürokratisch. Der Wirtschaftsausschuss hat gesagt: Der Reformbedarf ist groß; deswegen ist es viel zu einseitig, sich nur damit zu befassen. – Das ist übrigens auch noch eine Begründung, warum Ihr Antrag eigentlich zu kurz greift; Sie beschäftigen sich ja nur mit der Mehrwertsteuerabsenkung auf 7 %. – Insofern will der Bundesrat jetzt das Thema ausweiten, eine Evaluierung des Umsatzsteuerrechts durchsetzen und im Grunde genommen eine Überprüfung, insbesondere was Verschlankung und Bürokratieabbau angeht, vornehmen.

Sehr lesenswert ist Anlage 2 zu § 12 Umsatzsteuergesetz mit 50 Einzeltatbeständen. Heerscharen von Finanzbeamten sind mit entsprechenden Fragen konfrontiert. Herr Seebeck hat das gerade wunderbar geschildert: Cappuccino mit Hafermilch oder Kuhmilch – je nachdem, was man dafür verwendet, man hat einen anderen Steuersatz. Insofern müssen die Betriebsprüfer und Finanzbeamten sich wochenlang damit beschäftigen, welche Milchsorte in den Cappuccino gekippt wird.

Das kann es nicht sein! Deswegen hat der Bundesrat gesagt: Wir versuchen, zu reformieren und zu entschlacken, und versuchen, die Umsatzsteuer insgesamt deutlicher und zielgenauer aufzustellen. – Insofern greift Ihr Antrag zu kurz. Es wird im Bundesrat viel breiter diskutiert.

Eines eint alle, und das wird Sie auch einen. Wir können uns als SPD-Fraktion natürlich eine Mehrwertsteuerabsenkung vorstellen; aber immer unter der Maßgabe ‑ und auch das ist Bestandteil der Initiative von Manuela Schwesig ‑, dass der Bund die Einnahmeausfälle der Länder vollständig kompensiert. Da der Bund und die Länder durch die Corona-Entlastungsmaßnahmen schon erheblich belastet waren und die Länder in der Corona-Zeit vieles mitfinanziert haben, sind wir, glaube ich, alle gemeinsam der Auffassung ‑ das eint uns ja auch ‑, dass der Bund diese Einnahmeausfälle kompensieren muss. Dann kann es auch zu einer Mehrwertsteuerreduktion kommen. Entsprechend wird sich Niedersachsen, denke ich, auch positionieren.

Bisher gibt es keine Entscheidung. Im Bundesrat wird aller Voraussicht nach im November darüber abgestimmt, und die Bundesregierung will im November eine Entscheidung treffen. Insofern warten wir noch mal ab ‑ der Bund ist zuständig ‑, was unser aller Kanzler dazu zu sagen hat. Er wird sich da sicherlich positionieren.

Sie haben hier ja sofortige Abstimmung beantragt. Ihrem Antrag können wir heute nicht zustimmen, weil es, wie gesagt, eine einseitige Festlegung auf die 7 % in der Mehrwertsteuerfrage ist. Wir wollen das im Bundesrat breiter diskutieren, was den Bürokratieabbau und die Verschlankung angeht. Deswegen macht es keinen Sinn, heute eine Vorfestlegung zu den 7 % zu treffen.

Ich halte es als Finanzpolitiker auch für höchst verantwortungsvoll, wenn wir die Herbst-Steuerschätzung jetzt abwarten, wie das der Bundestag und insbesondere die Bundesregierung vorgeschlagen haben, um dann im November eine Entscheidung im Lichte der Erkenntnisse der Haushaltslage zu treffen. Denn 3,4 Milliarden Euro bundesweit und 155 Millionen Euro in Niedersachsen ‑ Herr Thiele, das sollten Sie als Haushaltspolitiker berücksichtigen ‑ können wir nicht mal einfach so schultern.

Jetzt will ich noch einen Seitenhieb loswerden ‑ das muss ich jetzt einfach mal sagen ‑: Lieber Kollege Thiele, Sie von der CDU haben jahrzehntelang im Bund und im Land den Finanzminister gestellt.

Ich kann mich noch an Finanzminister Hilbers erinnern – ein Gralshüter der Schuldenbremse, der nicht müde wurde, immer wieder zu sagen, dass wir kein Geld für Investitionen haben, weil wir diese unsägliche Schuldenbremse einhalten müssen. Wo sind denn jetzt Ihre Gegenfinanzierungsvorschläge für die 155 Millionen Euro? Was ist auf Ihrer Seite vorgesehen? Ich kann in Ihrem Antrag nichts dazu finden, wie Sie diese 155 Millionen Euro ausgleichen wollen.

Insofern würde ich sagen: Lassen Sie uns mal abwarten, ob der Bund bereit ist, das zu tragen, und dann können wir neu diskutieren. Ich glaube, dass es durchaus sinnvoll ist, das dem Bund aufzuerlegen. Da sind wir uns ja auch einig. Aber Ihr Antrag gibt dazu aus meiner Sicht nichts her.

Ich komme zum Schluss. Die SPD-Fraktion kann sich eine Absenkung vorstellen, wenn der Bund es trägt. Und was die Wertschätzung der Gastronomie angeht, ist heute Morgen, glaube ich, hinreichend zum Ausdruck gekommen, dass ich einen hohen Respekt vor den Gastronomen und ihrer Lebensleistung habe. Deswegen hoffe ich gemeinsam mit ihnen am Ende auch auf die Mehrwertsteuerabsenkung.

Vielen Dank.