19. Juni 2013

Rede zur Verstärkung der Maßnahmen gegen Steuerbetrug

Es gilt das gesprochene Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Über Steuergerechtigkeit und die faire Finanzierung des Gemeinwesens, über Steuervollzug und über Steuerbetrug wurde schon heute Morgen im Rahmen der Aktuellen Stunde einiges ausgetauscht. Der Kollege Nacke – leider ist er nicht mehr da – hatte ja schon gestern in der Plenardebatte die Anregung gegeben – – –
(Zurufe von der CDU: Doch, er steht dort hinten!)

– Herr Nacke ist da, wunderbar. Ich würde gern Ihre Anregung in Richtung einer höheren Debattenkultur aufgreifen. Sie haben gestern ja moniert, dass wir doch stärker auf die Reden der Vorgänger eingehen sollen. Deswegen möchte ich Ihre Anregung heute zum Anlass nehmen, noch auf den einen oder anderen Satz aus der Aktuellen Stunde heute Morgen einzugehen, weil sie unmittelbar mit unserem Entschließungsantrag zum Steuervollzug zusammenhängt.

Herr Bode, der auch dort vorne sitzt – guten Tag, Herr Bode! -, hat heute in der Aktuellen Stunde zum wiederholten Mal beklagt, dass 10 % der Eliten und Leistungsträger in diesem Land mehr als die Hälfte des Einkommensteueraufkommens zahlen.
(Jörg Bode [FDP]: Das habe ich nicht beklagt! Ich habe es festgestellt!)

– Ja, Sie haben recht, Herr Bode. Sie haben völlig recht. Es ist nämlich so, dass 10 % der Steuerzahler mehr als die Hälfte zum Einkommensteueraufkommen beitragen. Meine Damen und Herren, das ist auch gut und richtig so.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist nämlich überhaupt nichts Neues, weil sich diese Bevölkerungsgruppe diese Steuerlast auch leisten kann. Betroffen sind nämlich diejenigen in diesem Land, die deutlich mehr verdienen und zur Verfügung haben als die Normalbürgerin oder der Normalbürger in diesem Land.

Im Übrigen möchte ich Sie, Herr Bode, noch einmal daran erinnern, dass in diesem Land immer noch der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gilt, auch wenn die FDP das nicht so gerne hört. Deswegen sollte gelegentlich daran erinnert werden: Wer viel hat, der kann auch viel zahlen. – Das ist völlig richtig.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Im Übrigen übersehen Sie, meine Damen und Herren Kollegen von der FDP-Fraktion, und verschweigen Sie geflissentlich, dass das Einkommensteueraufkommen nur 34 % des gesamten Steueraufkommens dieses Staates ausmacht. Weitere 34 % – da wird es dann interessant – resultieren aus dem Mehrwertsteueraufkommen in diesem Land. Die Belastung durch die Mehrwertsteuer trifft die Millionäre in gleichem Maße wie den Hartz-IV-Empfänger. Ich gehe sogar so weit und sage: Den Hartz-IV-Empfänger trifft die Mehrwertsteuerbelastung deutlich mehr als den Millionär, insbesondere dann, wenn man es prozentual sieht.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Geringverdiener werden also vom Staat ebenso wie Reiche überdurchschnittlich belastet, nur eben an anderer Stelle, nämlich durch die Mehrwertsteuer und andere Mechanismen.
Warum erzähle ich Ihnen all das, Herr Bode? – Ganz einfach; denn auch in der Steuerdebatte heute Morgen im Rahmen der Aktuellen Stunde über Spitzensteuersätze ging bzw. geht es genauso wie bei unserem heutigen Entschließungsantrag zum Steuervollzug um die immer gleiche Frage: Wie bekommen wir es eigentlich hin, dass der Staat seinen Aufgaben im Bereich der Bildung und der Infrastruktur überhaupt nachkommen kann? Wie kriegen wir unsere Aufgaben finanziert? – Da kann die Debatte in der Aktuellen Stunde heute Morgen ganz hilfreich sein.

Ein anderer, ergänzender Weg – ich nenne es einmal so – ist aber auch der, den Steuervollzug zu verbessern und Steuerhinterziehung wirksam zu bekämpfen. Meine Damen und Herren, das Geld liegt auf der Straße. Dazu brauchen wir gar kein neues Gesetz zu schaffen. Das Geld liegt auf der Straße. Wir müssen es nur einsammeln, weil hier dringender Handlungsbedarf besteht.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

– Ja, es darf ruhig geklatscht werden. Vielen Dank.

So entgehen nämlich dem Staat nach seriösen Schätzungen durch Steuerhinterziehung jedes Jahr Einnahmen in Milliardenhöhe. Um diese Zielsetzung zu erreichen, um also diese Steuereinnahmen zu generieren, die uns rechtmäßig zustehen, ohne dass wir irgendein Gesetz ändern müssen, müssen wir die Steuerverwaltung des Landes Niedersachsen so ausrichten, dass sie ihrer Rolle als tragende Einnahmeverwaltung dieses Landes gerecht werden kann. Das heißt, wir brauchen eine bedarfsgerechte Personalausstattung, und wir brauchen eine Stärkung der Betriebs- und Steuerfahndungsstellen in diesem Land. Dafür steht unser Antrag, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich sage das sehr deutlich, weil Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt sein sollte und auch keine lässliche Sünde, wie das vielleicht in den Augen der FDP der Fall ist, sondern eine Straftat, die das Vertrauen in den Rechtsstaat untergräbt und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft gefährdet.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir als SPD-Fraktion wollen deshalb ganz konkret 100 neue Stellen im Bereich der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung schaffen, um die Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen. Da Betriebsprüfer nun mal nicht vom Himmel fallen, müssen wir dementsprechend die Ausbildungskapazitäten für die Finanzanwärterinnen und Finanzanwärter anpassen, damit wir hier zu einer vernünftigen Verbesserung kommen. Alles das finden Sie in unserem Entschließungsantrag.

Ich möchte auf einen weiteren interessanten Punkt eingehen: auf den sogenannten Benchmarking-Prozess, den wir in unserem Antrag formuliert haben. Dieser soll alle Länder dazu verpflichten, jährlich die finanzielle und personelle Ausstattung ihrer jeweiligen Steuerverwaltungen offenzulegen.

Warum machen wir das, meine Damen und Herren? – Das ist ganz einfach: Es kann doch nicht wahr sein, dass einzelne Bundesländer – wie beispielsweise Bayern – weniger intensiv prüfen und damit auch noch eine Standortwerbung zum Nachteil des Landes Niedersachsen betreiben, wo deutlich intensiver geprüft wird als in Bayern. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Frage der Ausstattung der Betriebsprüfungsstellen und die Häufigkeit und Intensität von Betriebsprüfungen als ein Argument für die Ansiedlung von Unternehmen im jeweiligen Bundesland genutzt werden nach dem Motto: „Kommt doch in die schwarz regierten Bundesländer, da geht es euch besser; denn in den rot regierten wird intensiv geprüft!“ Das kann nicht sein, meine Damen und Herren. Damit muss Schluss sein!
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich aus Gerechtigkeitsgründen noch auf einen Punkt aus dem Landesrechnungshofbericht hinweisen, der die Defizite bei der Prüfung von Einkommensmillionären klar aufgezeigt hat. Wir sind bereit, diese Defizite zu beseitigen, indem wir mehr Personal für die Steuerverwaltung bereitstellen. Nach Schätzungen des Landesrechnungshofs entgehen uns in Niedersachsen jährlich 170 Millionen Euro an Steuereinnahmen, weil die Einkommensmillionäre nicht vernünftig geprüft werden. Das kann so nicht weitergehen. Deswegen müssen wir handeln. Dazu dient unser Entschließungsantrag.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss auch noch einmal auf das leidige Thema Steuerdaten-CD eingehen. Der Kollege Grascha hat am 16. April eine Pressemitteilung herausgegeben, in der er den Ankauf von Steuerdaten-CDs deutlich kritisiert. Ich zitiere wörtlich aus Ihrer Pressemitteilung; Sie machen das ja auch immer gerne.
(Christian Grascha [FDP]: Gerne! – Grant Hendrik Tonne [SPD]: Herr Grascha, das ist kein Lob!)

Herr Grascha hat ausgeführt:
„Ich wundere mich darüber, dass sich der niedersächsische Finanzminister damit brüstet, sich am Kauf in Rheinland-Pfalz zu beteiligen. Die Ankäufe sind juristisch umstritten und treffen nur einige wenige Steuersünder. Ein Abkommen mit der Schweiz wäre die wesentlich bessere und gerechtere Lösung gewesen.“
(Beifall bei der FDP)

– Da können Sie ruhig lange applaudieren.

Aber diese Pressemitteilung, lieber Herr Kollege Grascha, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, war ein klassischer Rohrkrepierer. Denn erstens ist der Ankauf keineswegs juristisch umstritten, wie Sie behaupten, sondern durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 2010 eindeutig legitimiert. Wir bewegen uns da auf rechtlich einwandfreiem Boden. Das sollten Sie eigentlich wissen, Herr Grascha.
Zweitens – das ist der eigentliche Rohrkrepierer – wurde nur zwei Tage nach Ihrer Pressemitteilung der Fall Hoeneß öffentlich, der über eine Steuerdaten-CD aufgedeckt wurde.
(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

Vizepräsident Karl-Heinz Klare:
Herr Kollege, darf ich Sie kurz unterbrechen? – Die Entscheidung, ob wir für Ruhe sorgen oder nicht, treffen wir hier oben. Sie reden einfach so weiter, wie Sie es gerne vorhaben.

Frank Henning (SPD):
Jedenfalls war der Fall Hoeneß dazu geeignet – das wissen Sie sehr genau -, weitere 1 000 Selbstanzeigen in diesem Land zu generieren. Mittlerweile kriegen nämlich die Steuerhinterzieher kalte Füße.

Vizepräsident Karl-Heinz Klare:
Herr Henning, eine Sekunde! Mir liegt eine Bitte für eine Zwischenfrage vor. Erlauben Sie sie?

Frank Henning (SPD):
Sie können gleich im Anschluss Fragen stellen. Dann haben Sie noch genug Gelegenheit dazu in Ihrem eigenen Redebeitrag.
(Jens Nacke [CDU]: Was ist das eigentlich für eine Unart?)

Wenn Sie von nur wenigen Steuersündern sprechen, lieber Kollege Grascha, dann muss ich sagen: Allein die 1 000 Selbstanzeigen infolge der Veröffentlichung des Falls Hoeneß zeigen, dass es sich nicht nur um wenige Steuerfälle, sondern um einen ganz groß angelegten Steuerbetrug in diesem Land handelt. Das decken wir u. a. durch den Ankauf von Steuerdaten-CDs auf.

Lassen Sie mich noch einmal auf die betriebswirtschaftliche Seite hinweisen. Nach Auskunft unseres Finanzministers hat das Land Niedersachsen bisher 600 000 Euro für den Ankauf von Steuerdaten-CDs ausgegeben und dafür sage und schreibe 148 Millionen Euro eingenommen. Meine Damen und Herren, ein besseres Geschäft kann man in diesem Land gar nicht machen!
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich beglückwünsche unseren Finanzminister – leider ist er gerade nicht da – ausdrücklich zu dieser Entscheidung. Machen Sie weiter so, lieber Peter-Jürgen Schneider! Lassen Sie sich durch die vor allem ideologisch geprägten Vorbehalte der FDP nicht von Ihrem richtigen Weg abbringen!

Ich beglückwünsche die Landesregierung für den richtigen Weg. Wenn sie jetzt noch unseren Entschließungsantrag in die Tat umsetzt, können wir mit Recht davon sprechen, dass Rot-Grün in Niedersachsen heute zu deutlich mehr Steuergerechtigkeit in diesem Land beigetragen hat.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)