6. Oktober 2020
Rede zur Situation der Kultur- und Veranstaltungsbranche
Plenarrede vom 6. Oktober 2020
Videomitschnitt der Rede
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Text der Rede
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
„Wann kommen Hilfen für Kultur- und Veranstaltungsbranche?“ – so ungefähr lautet sinngemäß das Motto der heutigen Aktuellen Stunde. Aus meiner Sicht ist die beste Hilfe gerade keine staatliche Subvention, keine verlorenen Zuschüsse, keine Umsatzbeihilfen oder Kredite des Staates, sondern aus meiner Sicht ist die beste Hilfe immer eine vorsichtige Öffnung unter Berücksichtigung des Infektionsgeschehens, eine vorsichtige Öffnung der erlassenen Schutzvorschriften durch die Corona-Verordnungen des Bundes und des Landes.
Die Unternehmen der Veranstaltungsbranche, aber auch die Kulturschaffenden wollen nämlich in erster Linie keine Staatsknete. Sie wollen selbst Geld verdienen und Umsätze erzielen. In dem Maße, in dem der Staat durch Corona-Verordnungen Schutzvorschriften erlässt, umso mehr ist er natürlich auch in der Pflicht, durch staatliche Zuwendungen – wie beispielsweise verlorene Zuschüsse oder Kredite – diesen Unternehmen zu helfen. Aber, meine Damen und Herren, bitte zunächst die Reihenfolge beachten. Erst prüfen, inwieweit man unter Beachtung des Infektionsgeschehens weitere Lockerungen verantworten kann, damit die Unternehmen und Kulturschaffenden tatsächlich Geld verdienen können. Erst dann, wenn durch Corona-Schutzverordnungen Berufsausübungsmöglichkeiten eingeschränkt werden, ist der Staat aus meiner Sicht in der Pflicht, mit Steuergeldern unterstützend einzugreifen.
Genau diese Strategie verfolgt die Landesregierung, meine Damen und Herren. Die Landesregierung beobachtet einerseits das Infektionsgeschehen und erlässt Corona-Schutzvorschriften zum Wohle und Schutz der Bevölkerung, aber vor allen Dingen auch, um einen erneuten Lockdown für die Wirtschaft zu vermeiden. Andererseits hilft die Landesregierung immer dann, wenn Umsatzverluste auszugleichen sind, die durch Corona-Verordnungen zwangsläufig entstehen.
Die Unternehmen der Veranstaltungsbranche – darauf ist hingewiesen worden – sind in einer Vielzahl von der Krise beeinträchtigt: Messen-, Ausstellungs- und Kongressveranstalter, Schaustellerbetriebe, aber auch Landgasthöfe im ländlichen Raum.
Vizepräsident Bernd Busemann:
Herr Henning, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schulz-Hendel zu?
Frank Henning:
Aber bitte!
Vizepräsident Bernd Busemann:
Bitte!
Detlev Schulz-Hendel (Grüne):
Vielen Dank, Herr Kollege Henning, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben gerade beschrieben, dass man unter Berücksichtigung von Hygiene und Gesundheitsschutz Veranstaltungen wieder zulassen müsste; das wäre die bessere Lösung. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie – es finden ja jeden Mittwoch die „Alarmstufe-Rot“-Demos statt –, wie Sie es bewerten, dass Wirtschaftsminister Bernd Althusmann, obwohl das Ganze über vier Wochen keine 10 m von seinem Ministerium entfernt stattfand, nicht einmal den Versuch unternommen hat, mit der Veranstaltungswirtschaft in einen Dialog zu treten.
Frank Henning:
Lieber Kollege Schulz-Hendel, meines Wissens ist der Minister sehr fleißig im Gespräch mit der Veranstaltungswirtschaft. Im Übrigen sorgt er dafür, dass Veranstaltungen ermöglicht werden. Ich hätte gleich darauf hingewiesen – insofern nehmen Sie durch Ihre Frage meinen Redebeitrag vorweg –, dass diese Landesregierung mit ihren Corona-Verordnungen Veranstaltungen unter Berücksichtigung des Infektionsgeschehens ermöglicht. Beispielsweise sind Messen möglich, wenn ein genehmigtes Hygienekonzept vorliegt. Es gibt den von Herrn Hillmer bereits erwähnten Stoppelmarkt in Vechta, es gibt das Herbstvergnügen hier in Hannover auf dem Schützenplatz. Es gibt übrigens auch in Osnabrück gerade einen Jahrmarkt.
Ich finde, dass diese Landesregierung mit Augenmaß, mit Maß und Mitte, daran geht, Veranstaltungen wieder zu ermöglichen. Ob der Minister jetzt im Einzelfall mit dem einen oder anderen gesprochen hat, entzieht sich meiner Kenntnis; da müssen Sie ihn selbst fragen. Ich habe nur Kenntnis davon, dass er durchaus regelmäßig Gespräche mit den Messe- und Veranstaltungsbetreibern führt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal auf die Schaustellerbetriebe, die ja auch ein Teil der Veranstaltungsbranche sind, eingehen.
Die Schausteller haben eigentlich zuletzt im Dezember des letzten Jahres richtig Geld verdient. Es geht da wirklich ums Eingemachte. Wir haben Schaustellerbetriebe in diesem Land, die jahrhundertealt sind und in der fünften oder sechsten Generation betrieben werden. Das Volksfest ist Kulturgut – zumindest ist beantragt, es unter das UNESCO-Weltkulturerbe fallen zu lassen. Da gilt es jetzt, zu handeln. Ich finde, dass die Landesregierung mit ihren vorsichtigen Corona-Verordnungen, die einerseits den Infektionsschutz gewährleisten, andererseits aber auch Veranstaltungen zulassen, auf dem richtigen Weg ist.
Ich möchte zudem darauf verweisen, dass wir auch nicht untätig waren, was die Hilfen, die Sie gerade angesprochen haben, liebe Kollegin, betrifft. Diese Hilfen in Höhe von 10 Milliarden Euro aus dem Landeshaushalt haben wir beschlossen. Wir haben im Nachtragshaushalt im Corona-Sondervermögen 10 Milliarden Euro aus Landesmitteln bereitgestellt. Der Bund hat ein Konjunkturpaket über 130 Milliarden Euro erlassen. Das sind doch kraftvolle Signale, die zeigen, dass die Landes- und auch die Bundesregierung verstanden haben, worum es hier geht.
Der Bund hilft kleineren und mittleren Unternehmen in der Corona-Krise mit Fixkostenzuschüssen in einer Größenordnung von 25 Milliarden Euro, die hier in Niedersachsen über die NBank ausgezahlt werden. Allerdings bin ich auch hier der Auffassung – das hat das MW ja längst erkannt –, dass die Fördervoraussetzungen beim Bund zu streng sind. Bedeutende Kostenfaktoren wie Abschreibungen oder Kredittilgungen werden eben nicht berücksichtigt. Ebenso werden Kosten für den Lebensunterhalt von Künstlern nicht berücksichtigt. Da wird auf die Grundsicherung verwiesen. Das ist allerdings Angelegenheit des Bundes, und es kann nicht sein, dass das Land den Bund an dieser Stelle, die die Grundsicherung angeht, entlastet.
Vizepräsident Bernd Busemann:
Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Viehoff zu?
Frank Henning:
Ich würde jetzt gern zu Ende ausführen, damit ich mit meiner Botschaft zu einem Ende komme.
Vizepräsident Bernd Busemann:
Alles klar. Danke.
Frank Henning:
Frau Viehoff, das können wir vielleicht hinterher im Anschluss klären.
Die Landesregierung versucht, dort, wo es möglich und sinnvoll erscheint, die Lücken in der Förderung des Bundes auszugleichen. Es kann nicht sein, dass wir den Bundeshaushalt entlasten. Aber dort, wo es sinnvoll ist, gehen wir mit Landesgeld rein, um den Künstlern und der Veranstaltungsbranche zu helfen.
So hat die Landesregierung erst am vergangenen Freitag im Wirtschaftsausschuss deutlich gemacht, dass das MW zurzeit intensiv an einer Förderrichtlinie dazu arbeitet, wie man den Notfallhilfefonds des Landes, der immerhin mit 100 Millionen Euro ausgestattet ist, zugunsten der Veranstaltungswirtschaft gestalten kann. Hier stehen, wie gesagt, 100 Millionen Euro zur Verfügung. Beispielsweise wird geprüft, ob es möglich ist, einen anteiligen Ersatz von Umsatzausfällen oder Tilgungen von Krediten im Bereich der Veranstaltungswirtschaft und der Schausteller, die ja sehr kapitalintensive Betriebe haben, aus diesem Notfallhilfefonds zu finanzieren. Wir warten alle gespannt auf die Förderrichtlinie. Sie ist uns noch letzten Freitag im Wirtschaftsausschuss zugesagt worden.
Außerdem verweise ich auf die 120 Millionen Euro Sondervermögen im Bereich Tourismus, Gastronomie und Veranstaltungswirtschaft. Auch insofern hat das MW am Freitag im Ausschuss, wie ich finde, sehr überzeugend dargestellt, dass die Förderrichtlinien kurz vor der Verabschiedung stehen. Wir sind gespannt, wie diese weiteren 120 Millionen Euro – in Summe sind es dann 220 Millionen Euro aus Landesmitteln – aus dem Sondervermögen verausgabt werden.
Ich komme zum Schluss. Zusammengefasst: Man erkennt, die Landesregierung hat das Problem erkannt. Sie legt die Hände nicht in den Schoß, sondern versucht, in den engen Grenzen des Landeshaushaltes – wir können hier nicht den Bundeshaushalt ausgleichen – dazu beizutragen, dass die schlimmsten Härten für Künstler und die Veranstaltungsbranche ausgeglichen werden.
Vielen Dank.