2012
Rede zur Jahreshauptversammlung 2012 des AWO-Ortsvereins Schinkel
Es gilt das gesprochene Wort.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Mitglieder der AWO, liebe Jutta,
zunächst möchte ich mich für die freundliche Einladung zur diesjährigen AWO-Jahreshauptversammlung ausdrücklich bedanken. Mir ist es eine besondere Freude, hier heute sprechen zu dürfen, denn bei der AWO fühle ich mich heimisch, da ich selbst mehr als 20 Jahre AWO Mitglied bin. Ich bin hier also zu Hause, sozusagen Teil der AWO Familie.
Das Thema, welches mir Jutta Schäfferling aufgetragen hat, heißt: „Soziale Fragen – wie steht die SPD dazu?“
Nun, dazu kann man zunächst nur sagen, dass das Thema „Soziales“ natürlich ein weites Feld ist, unter das sich viele Aspekte sogar bis hin zur Finanzpolitik fassen lassen. Zunächst einmal ist das Thema „Soziales“ natürlich bei der SPD gut aufgehoben, nicht weil wir das S vorne im Parteinamen haben, sondern weil ich auch nach über 25 Jahren Mitgliedschaft in der SPD zutiefst davon überzeugt bin, dass die SPD die Partei der sozialen Gerechtigkeit ist und auch immer bleiben wird.
Die soziale Gerechtigkeit stellt sozusagen den Markenkern der SPD dar und macht sie auch nach fast 150 Jahren ihres Bestehens nicht etwa überflüssig. Nein, im Gegenteil, die SPD wird dringender denn je benötigt, denn die Frage der sozialen Gerechtigkeit wird in der täglichen Praxis – im Alltag der Menschen – im Grunde nur von der SPD in praktische Politik umgesetzt.
Die Linken machen uns das Thema zwar streitig. Aber da bitte ich Sie alle genau hinzuschauen. Was hat es mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, unfinanzierbare und utopische Sozialleistungen zu fordern, wie die Linke dies gerne macht? Wirkliche Sozialpolitik funktioniert nur, wenn sie finanzierbar ist und bleibt und alle Lasten der Finanzierung von Sozialleistungen sozial gerecht verteilt werden.
Wenn also der, der mehr tragen kann und die breiteren Schultern hat, mehr zum Gemeinweisen beiträgt und der mit dem kleineren Portmonaie entsprechend weniger.
Im Steuerrecht hat die SPD dies mit der sog. Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit seit Jahren umgesetzt. Wer mehr tragen kann, zahlt mehr Steuern, wer weniger leisten kann, zahlt entsprechend weniger. Zu dieser Wahrheit gehört aber auch, dass man die Wirtschaft nicht abwürgt, vernünftige, wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen als Politik schafft, damit dauerhaft, tariflich abgesicherte und unbefristete Arbeitsplätze entstehen. Denn die noch so gut gemeinte und beste Sozialpolitik lässt sich nun einmal nur dann finanzieren und realisieren, wenn die Wirtschaft gut läuft, viele Menschen Arbeit haben und durch Steuern und Sozialabgaben die staatlichen Sozialleistungen finanzierbar machen. Deshalb hat sich die SPD auch immer als Partei der Arbeit verstanden, denn die Frage der sozialen Gerechtigkeit kann nie alleine unter sozialpolitischen Aspekten betrachtet werden. Dazu gehört immer auch eine solide Finanzpolitik und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die Wachstum, wirtschaftlichen Fortschritt, neue Arbeitsplätze und am Ende aufgrund der Wertschöpfungskette auch mehr Steuereinnahmen für den Staat bedeuten, damit der Sozialstaat in Deutschland auch finanzierbar bleibt.
Nicht die Linken sorgen mit ihren utopischen und unfinanzierbaren Sozialleistungsversprechen für einen dauerhaften Fortbestand des Sozialstaats, sondern es sind dies die Sozialdemokraten, da wir immer beides betrachten, nämlich einerseits die Frage der sozialen Gerechtigkeit, andererseits aber die die Frage nach wirtschaftlicher Prosperität und Gewinnstreben der Unternehmen, das wir zur Finanzierung des Sozialstaats auch dringend benötigen.
Dennoch treibt mich ein Aspekt der Sozialpolitik besonders um und bereitet mir zunehmend Sorge. Ich möchte heute über ein Thema mit Ihnen sprechen, was mich persönlich aber auch breite Teile der Bevölkerung tief bewegt, nämlich die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung sowie die drohende Altersarmut in diesem Land.
Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) belegt, dass die Einkommenskluft zwischen Arm und Reich in Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten erheblich stärker gewachsen ist, als in den meisten anderen Industrienationen. Danach verdienten die 10% der Deutschen mit den höchsten Einkommen etwa 8mal so viel, wie die untersten 10%. Rund 5% der Bevölkerung besitzt knapp 50% des Vermögens in Deutschland also die Hälfte aller Vermögenswerte, während rund 1/3 der Bevölkerung über gar kein Vermögen verfügt oder sogar verschuldet ist.
Die Renten in Deutschland werden zum 01. Juli um rd. 2% erhöht, sagt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Das sind bei einer durchschnittlichen Monatsrente von 750 Euro rd. 16 zusätzliche Euro im Monat. Die Inflationsrate liegt dagegen bei über 2%, im Ergebnis verarmen die Rentner also trotz dieser Rentenerhöhung.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich will hier keine Stimmung machen oder Panik schüren, denn die geringe Rentenerhöhung hängt natürlich auch mit dem zu geringen Lohnniveau in Deutschland zusammen. Da auch die Löhne und Gehälter nur schwach ansteigen, steigen als Folge auch die Renten nur wenig.
Wie sie wissen, ist die Höhe des Rentenniveaus gekoppelt an die Lohn- und Gehaltsentwicklung in Deutschland. Steigen die Löhne und Gehälter nur bescheiden, steigen die Renten dementsprechend langsam. Deshalb kann es aus meiner Sicht nur eine Lösung geben: diese Bundesregierung soll endlich den gesetzlichen Mindestlohn bundesweit einführen, dann steigen auch die Renten wieder, weil auch die Löhne steigen.
Dies wäre ein wirkungsvoller Beitrag, um die Kaufkraft in diesem Land zu erhöhen und die Konjunktur aufgrund steigender Nachfrage anzukurbeln. Dies wäre auch ein Beitrag um der drohenden Altersarmut und der ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen in diesem Land wenigstens etwas entgegen zu setzen.
Die zunehmende Ungleichheit in diesem Lande schwächt die Wirtschaftskraft, sie gefährdet den sozialen Zusammenhalt und schafft damit Instabilität. Dieser Trend muss gestoppt werden.
Denn er belegt einen besorgniserregenden Wandel: Leih- und Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung sowie schlecht oder gar nicht bezahlte Praktika bestimmen mittlerweile das Leben von Millionen Beschäftigten. All das mag dazu beitragen, Unternehmen flexibel und wettbewerbsfähig zu halten.
Doch zugleich ist die Zahl der Arbeitnehmer gestiegen, die von ihrem Lohn nicht leben können. Hier sind vor allem Sozialdemokraten gefordert, uns zum Sprachrohr derer zu machen, die trotz eines Vollzeitjobs nicht genügend Lohn oder Gehalt beziehen, um davon leben zu können.
Diese sog. Aufstockerproblematik, dass also Menschen trotz Vollzeitarbeitsstelle noch zusätzliche staatliche Mittel in Anspruch nehmen müssen, um menschenwürdig leben zu können, muss einer Lösung zugeführt werden.
Und die kann nur die sein, die Anstrengungen in Bildung und Qualifizierung drastisch zu steigern, damit mehr Menschen besser bezahlte Jobs ausüben können. Dazu gehört auch, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und da ist es alle mal zielführender in Krippen- und Kitaplätze zu investieren, als Milliarden für diese unsinnige Herdprämie, auch Betreuungsgeld genannt, auszugeben. Und nicht zuletzt gehört dazu natürlich auch endlich den flächendeckenden Mindestlohn in ganz Deutschland einzuführen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie Sie vielleicht der NOZ entnommen haben, wurde ich von meiner Partei, der SPD, einstimmig zum Landtagskandidaten für den Wahlkreis Osnabrück-Ost, also Schinkel, Voxtrup und Lüstringen gewählt. Auch wenn die Wahl erst am 20. Januar 2013 stattfindet, möchte ich kurz sagen, warum ich mich zu dieser Kandidatur entschlossen habe.
Als langjähriger Kommunalpolitiker weiß ich, wo den Bürgerinnen und Bürgern der Schuh drückt und als Vorsitzender der SPD Stadtratsfraktion würde ich gerne meine Erfahrungen hinsichtlich der katastrophalen Finanzsituation der Kommunen in den Landtag einbringen.
Es muss endlich Schluss sein, mit der schon chronischen Unterfinanzierung der Kommunen und vor allem muss zukünftig gelten, wer die Musik bestellt, der bezahlt sie auch. Es kann nicht sein, dass den Kommunen als Folge hoher Arbeitslosigkeit einseitig die steigenden Sozialhilfelasten aufgebürdet werden oder der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz beschlossen wird, die Kommunen mit der Umsetzung und Finanzierung aber alleine gelassen werden.
Im Landtag möchte ich mich dementsprechend für eine Gemeindefinanzreform einsetzen, die wieder für eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen sorgt.
Aufgrund dieser ständigen Aufgabenverlagerungen von Bund und Land auf die Kommunen, haben wir in Osnabrück mittlerweile rd. 300 Mio. € langfristig gebundene Investitionsschulden angesammelt und rd. 200 Mio. € teure Kassenkredite aufnehmen müsen, um die laufenden Ausgaben zu schultern, mit steigender Tendenz.
Ich fürchte, die im Bund beschlossene Schuldenbremse wird die schwarz-gelbe Landesregierung weiter dazu nutzen, um den Landeshaushalt zu Lasten der Kommunen zu sanieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
um es klar zu sagen: auch sozialdemokratische Finanzpolitiker werden nicht umhin kommen, die Verschuldung des Landeshaushalts zurückzuführen, da auch wir kein Geld im Keller drucken können. Aber hier ist Vorsicht geboten.
Es wird behauptet, die Schuldenbremse sei notwendig, um nachfolgenden Generationen keine zerrütteten Staatsfinanzen zu überlassen. Auch das sei eine Form der Nachhaltigkeit. Dieses Argument unterstellt, dass es per se ungerecht ist und die Lebensqualität nachfolgender Generationen mindert, wenn den später lebenden Menschen Schulden hinterlassen werden. Richtig ist, dass der Staat und die Kommunen auch morgen noch handlungsfähig sein müssen. Insofern ist das Ausmaß der Staatsverschuldung zu begrenzen.
Gleichwohl eignet sich die “Schuldenbremse” dafür nur begrenzt. Es hat nichts mit Generationengerechtigkeit oder Nachhaltigkeit zu tun, überhaupt keine Schulden hinterlassen zu wollen. Wenn die durch den Staat geliehenen Mittel nämlich sinnvoll eingesetzt werden, haben auch zukünftige Generationen einen Nutzen davon.
Es ist daher nicht ungerecht, sie über Zins und Tilgung auch an der Finanzierung zu beteiligen. Wenn Infrastruktur aufgrund mangelnder Investitionen zerfällt, so gefährdet dies Arbeitsplätze, Wirtschaftsleistung und die Refinanzierungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte. Umgekehrt profitieren von Straßen-, Schienen- und Leitungsnetzen, die heute gebaut werden, auch die morgen lebenden Menschen und ihre öffentlichen Kassen. Wenn Bildungsausgaben heute unterbleiben, werden die Menschen morgen darunter zu leiden haben, ihre individuellen Bildungschancen sinken ebenso wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der ganzen Gesellschaft.
Lassen Sie mich noch kurz auf das Thema Bildung eingehen. Die Bildungspolitik von schwarz-gelb ist doch fundamental gescheitert. Oder wie anders ist es zu erklären, dass im Jahre 2012 Kinder aus ärmeren Schichten, aus sog. bildungsbenachteiligten Familien, aus Migrantenfamilien oder nennen wir es beim Wort: aus Arbeiterfamilien trotz Abitur auch heute noch deutlich weniger in der Lage sind an der Universität ein Hochschulstudium aufzunehmen. Während Kinder aus Akademikerkreisen deutlich mehr studieren und es für den Zahnarztsohn in der Regel selbstverständlich ist, ein Studium zu beginnen.
Und das liegt nicht daran, dass Arbeiterkinder etwa dümmer wären, als Kinder aus Akademikerkreisen, sondern sie können es sich schlicht nicht leisten pro Semester 500 Euro Studiengebühren zu bezahlen. Im Jahr sind das 1.000 Euro.
Und dann haben Sie mal 3 Kinder, die studieren wollen und könnten von den Fähigkeiten her. Aber woher soll den der Maler, der Handwerker, die Verkäuferin oder der Schöllermalocher im Jahr dann die 3.000 Euro Studiengebühren hernehmen?
Die Bundesagentur für Arbeit hat erst jüngst darauf hingewiesen, dass Niedersachsen die Studenten weglaufen. Nach den Erhebungen der Bundesagentur hat Niedersachen einen negativen Wanderungssaldo von rd. 33.000 Studentinnen und ist damit das Schlusslicht aller 16 Bundesländer. Es gehen also mehr Studentinnen und Studenten in andere Bundesländer, als von anderen Bundesländern nach Niedersachsen kommen.
Daraus kann es nur eine Konsequenz geben: Schafft endlich diese unsozialen Studiengebühren ab! Denn wenn Niedersachen derartig viele Studentinnen und Studenten verliert, schadet uns das wirtschaftlich erheblich und konterkariert alle Bemühungen auf kommunaler Ebene die besten Köpfe und Hände in Osnabrück zu halten um dem drohenden Fachkräftemangel entgegen zu wirken.
Und falls jetzt wieder eingewendet werden sollte, wie wir denn ohne Studiengebühren die Qualität der Unis und der Forschung und Lehre verbessern wollen, so gibt es dafür nur eine Antwort: Schafft die Studiengebühren ab und führt die Vermögensteuer wieder ein!
Der Ertrag aus der Vermögensteuer steht ausschließlich den Ländern zu, deshalb sollten wir diese wieder einführen und mit den Erträgen in die Bildung investieren.
Die Vermögensteuer und da bin ich wieder am Ausgangspunkt meiner Betrachtungen, wäre auch ein Beitrag, um der ungerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen in diesem Land etwas entgegen zu setzen. Und dann kann man vielleicht auch endlich mal zu einer Rentenerhöhung kommen, die mehr als die mageren 16,- Euro monatlich ausmacht.
Man muss es politisch nur wollen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.