15. Juli 2020

Rede zum zweiten Nachtragshaushalt im Rahmen der Corona-Pandemie

Plenarrede vom 15. Juli 2020

Videomitschnitt der Rede

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Text der Rede

Es gilt das gesprochene Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das COVID‑19-Sondervermögen, das wir heute mit dem Zweiten Nachtragshaushalt beschließen, umfasst insgesamt 7 Milliarden Euro. Davon entfallen annähernd 2 Milliarden Euro auf die Säule Wirtschaft. Sie bilden aus meiner Sicht die tragende Säule, um die Wirtschaft hier in diesem Lande vernünftig durch die Krise zu bringen.

Herr Dr. Birkner, ich habe Ihrer Rede zum wirtschaftspolitischen Teil außerordentlich aufmerksam zugehört. Sie haben der Landesregierung vorgeworfen, dieser Nachtragshaushalt lasse einen wirtschaftspolitischen Gestaltungswillen der Landesregierung nicht erkennen. Ich kann nur sagen: Ihre Rede glich für mich eher einem wirtschaftspolitischen Amoklauf, Herr Dr. Birkner. Ich glaube, dass Sie selbst nicht wissen, was Sie wollen. Auf der einen Seite haben Sie uns in Ihrer Rede vorgeworfen, wir würden nur Geld ausgeben. Auf der anderen Seite haben Sie vor drohenden Insolvenzen gewarnt.

Genau darum geht es, meine Damen und Herren: Es geht bei der Säule Wirtschaft um die nackte Existenz von zahlreichen Unternehmen und Wirtschaftsbetrieben in diesem Land. Deswegen ist das sehr gut angelegtes Geld.

Ich halte es da lieber mit Bruno Kreisky. Bruno Kreisky hat mal gesagt – ich zitiere –: „Ein paar Milliarden mehr Schulden bereiten mir weniger schlaflose Nächte als 100.000 Arbeitslose.“ Recht hatte der liebe Bruno Kreisky, meine Damen und Herren.

Genau darum geht es nämlich wirtschaftspolitisch: um die nackte Existenz der Unternehmen, die schlicht und einfach Angst haben, demnächst nicht mehr auf dem Markt zu existieren.

Die Landesregierung verfolgt hier mit dem Nachtragshaushalt eine klare Doppelstrategie. Wir verfolgen zum einen – je nachdem, ob das Pandemiegeschehen das zulässt – eine Lockerungsstrategie. Mithilfe dieser Lockerungsstrategie versuchen wir, den Unternehmen zusätzliche Umsätze zu ermöglichen und zu generieren. Es ist immer noch besser, dass die Unternehmen Umsätze machen, als durch staatliche Transferleistungen die Insolvenz zu vermeiden. – Das ist der eine Teil des Doppelhaushalts und der eine Teil der Strategie, nämlich für Umsätze und für eine Belebung der Wirtschaft zu sorgen.

Zum anderen werden wir aber auch da, wo es Betriebe gibt, die in wirtschaftliche Notlage geraten, durch Investitionsanreize und durch Liquiditätsbeihilfen entsprechend tätig.

Ich verweise mal auf das Sonderprogramm für Tourismus und Gastronomie – auch Schaustellerbetriebe gehören dazu – mit 120 Millionen Euro. Hier sollen Investitionsanreize und Liquiditätshilfen gegeben werden. Die Schausteller – heute Nachmittag sind übrigens auch Schausteller aus dem Bereich Weser-Ems hier im Landtag zu Gast – haben seit Dezember letzten Jahres keinerlei Einnahmen mehr erzielt. Ihre wirtschaftliche Lage ist schlicht existenzbedrohend.

Damit ist übrigens auch das Kulturerbe Volksfest in seiner Existenz bedroht. Wie Sie wissen, wird seit Jahren versucht, das Volksfest als UNESCO-Weltkulturerbe zu verankern. Wenn wir so weitermachen und die Schausteller im Regen stehen lassen, wird es dieses Volksfest nicht mehr geben und kommt es damit zu einem kulturellen Einbruch in diesem Land.

Genauso geht es um die Landgastronomie und um die Tourismusbetriebe sowie den Bereich der Gastronomie insgesamt. Hierfür sind die 120 Millionen Euro vorgesehen. Der DEHOGA hat uns gegenüber erklärt, dass 80 % der Landgasthöfe in ihrer Existenz bedroht sind und kurz vor der Pleite stehen. Gerade in den ländlichen Regionen – da, wo es eben nicht um das À-la-Carte-Geschäft geht, sondern vielfach noch Feiern, Konfirmationen und Hochzeiten notwendig sind, um den Saalbetrieb auszulasten – gestaltet sich die wirtschaftliche Situation äußerst schwierig. Gleiches gilt für die Schausteller.

Wir sind der Auffassung, dass neben den 120 Millionen Euro Investitions- und Liquiditätsbeihilfen, die hier im COVID‑19-Sonderprogramm manifestiert und festgeschrieben sind, auch der stark kritisierte Notfallfonds von 100 Millionen Euro in Anbetracht der prekären Situation in diesem Bereich natürlich zur Abwehr unzähliger Insolvenzen herangezogen werden muss.

Ich kann den Änderungsantrag der Grünen an dieser Stelle in keinster Weise nachvollziehen. Ich habe ja gesehen, dass Sie diesen 100‑Millionen-Euro-Fonds streichen wollen. Das trifft genau die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Das trifft die Schausteller, die Hotellerie und die Gastronomie. Wir werden das auf keinen Fall mitmachen.

Dieser Notfallfonds dient auch der Kofinanzierung der Bundesmittel. Der Bund gibt weitere Liquiditätsbeihilfen in der Größenordnung von 9.000 und 15.000 Euro bis maximal 150.000 Euro. Was glauben Sie, meine Damen und Herren, wie lange dieser Topf reichen wird? Deswegen ist es richtig, dass wir noch einen weiteren Notfallfonds auflegen, um diese Unternehmen zu stützen.

Ich verweise auf die Liquiditätsbeihilfen für den ÖPNV. Das ist eine weitere wichtige Säule. 190 Millionen Euro dienen der Kofinanzierung des Rettungsschirms für den ÖPNV-Bereich, den der Bund zur Verfügung stellt. Der Bund stellt nach Textziffer 21 der Koalitionsvereinbarung insgesamt 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Wir geben 190 Millionen Euro dazu, um die geringeren Fahrgeldeinnahmen der ÖPNV-Unternehmen auszugleichen und den ÖPNV, der gerade im ländlichen Raum auch durch viele private Busunternehmen aufrechterhalten wird, weiterhin am Leben zu erhalten.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Um die Abwärtsspirale aufzuhalten und wirtschaftliche Strukturen hier in diesem Land zu erhalten, investieren wir und sparen nicht gegen die Krise an. Wir glauben, dass wir mit diesen 7 Milliarden Euro gut angelegtes Geld zur Verfügung stellen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.