2. Juli 2020
Rede zum Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie
Plenarrede vom 2. Juli 2020
Videomitschnitt der Rede
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Text der Rede
Es gilt das gesprochene Wort.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Menschenunwürdige Arbeits- und Wohnbedingungen für Werkvertragsbeschäftigte in der Fleischindustrie sind uns seit Jahren bekannt. Die großen Fleischkonzerne lagern einen Großteil ihrer Kerntätigkeiten an Subunternehmer aus, die ihrerseits Beschäftigte aus Ost- und Südosteuropa anwerben. Gearbeitet wird im Akkord, 12- bis 14-Stunden-Schichten sind keine Seltenheit, und schlecht bezahlt ist es obendrein.
Ich zitiere unseren Bundesarbeitsminister Hubertus Heil aus dem Spiegel. Viele Beschäftigte arbeiteten ‑ Zitat ‑:
„nicht nur zu miesen Löhnen und Arbeitsbedingungen, sondern werden auch in Absteigen zusammengepfercht, in denen Abstand und grundlegende Hygienemaßnahmen kaum möglich sind.“
Das rächt sich nun in der Corona-Pandemie, meine Damen und Herren. Rund 850 Beschäftigte in Schlachthöfen hatten sich bis Mitte Mai mit dem Virus infiziert. Das sind 6 % aller in der Bundesrepublik bekannten COVID-19-Fälle. Nun kommt auch noch Tönnies in Gütersloh dazu: 1 300 Angestellte sind positiv getestet worden.
Meine Damen und Herren, was brauchen wir in diesem Zusammenhang eigentlich noch? Die Bundesregierung, allen voran Arbeitsminister Hubertus Heil, hat völlig recht: Werkverträge gehören in der Fleischbranche schlicht verboten, meine Damen und Herren.
Werkverträge sind menschenverachtend, sie beuten Menschen aus, und elementare Arbeitnehmerrechte werden verweigert. Der ganze Skandal, der derzeit durch die Gazetten geistert, macht doch deutlich, unter welchen Bedingungen die Werkvertragsarbeitnehmerinnen und ‑arbeitnehmer ihr Dasein fristen müssen. Die Werkverträge begünstigen letztendlich – die Statistik zeigt es auch – den Corona-Ausbruch.
Vor diesem Hintergrund beantworte ich, Frau Staudte, sehr eindeutig die Frage 1 der Grünen für die SPD-Fraktion hier im Hause. Die SPD-Fraktion steht selbstverständlich geschlossen hinter dem Bundeskabinettsbeschluss vom 20. Mai und unterstützt unseren Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, aber auch unsere Landesgesundheitsministerin Carola Reimann in ihrem Kampf gegen ausbeuterische Werkverträge. Werkverträge gehören schlicht verboten.
Die Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischindustrie sind nicht akzeptabel. Auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen wird in diesem Industriezweig ein gnadenloser Konkurrenzkampf ausgetragen.
Grundsätzlich sind wir als SPD-Landtagsfraktion nicht gegen Werkverträge, wo sie in einer arbeitsteiligen Wirtschaft sinnvoll sind. Wir wenden uns aber da gegen Werkverträge, wo sie dazu missbraucht werden, Kernbestandteile der Produktion auszulagern, Stammbelegschaften zu entlassen und gut bezahlte Mitarbeiter durch Werkvertragsmitarbeiter zu ersetzen, wo Tarife und Arbeitsbedingungen unterlaufen und Handlungsmöglichkeiten von Betriebsräten ausgehebelt werden und wo es Unternehmen vor allen Dingen darum geht, die Verantwortung für ihre Beschäftigten abzugeben.
Am Freitag – das habe ich bereits erwähnt – ist die Beratungsstelle für mobile Beschäftigte in Osnabrück eröffnet worden. Da haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Beratungsstelle sehr genau über die Zustände in dieser Branche berichtet. Ich kann Ihnen nur sagen, meine Damen und Herren, es geht Angst in der Branche um. Es ist die Angst der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Werkvertragsarbeitnehmer: Wenn ich den Job verliere, verliere ich in der Regel auch die Unterkunft. – Die Geschichte mit den Mietaufwendungen, die gleich vom Lohn abgezogen werden, hat Herr Althusmann gerade sehr anschaulich verdeutlicht.
Was die Unterbringung der Werkvertragsarbeitnehmer angeht, so hat unsere Gesundheitsministerin, Carola Reimann, ebenfalls bereits gehandelt. Dafür möchte ich Carola Reimann ausdrücklich danken. Das Sozialministerium hat nämlich mit Erlass vom 11. Mai die Kommunen aufgefordert, eine explizite Überprüfung der Unterkünfte durchzuführen und speziell darauf einzuwirken, dass die Bewohner in Einzelzimmern untergebracht werden.
Wenn die Arbeitgeber als Mieter auftreten, ist auch eine Vor-Ort-Inspektion der Wohnungen durch die Behörden jederzeit möglich. Wenn das Gesundheitsamt vor der Tür steht, ist natürlich durchaus auch eine Beratung der Mitarbeiter und auch der Arbeitgeber möglich.
Als zusätzliches Instrument hat die Landesregierung am 24. März das Niedersächsische Wohnraumschutzgesetz in den Landtag eingebracht. Dieses wird künftig greifen, wenn Beschäftigte in entsprechenden Wohnungen leben.
Der vorliegende Entwurf sieht allerdings noch keine Anwendung auf Arbeitnehmer- oder Flüchtlingsunterkünfte vor, die nicht als Wohnungen zu qualifizieren sind. Aber auch dazu haben wir heute gehört – und das begrüßen wir ausdrücklich –, dass die Beratung zum jetzt anstehenden Gesetzgebungsverfahren dazu genutzt werden soll, diese Qualitätsstandards auch auf diese Unterkünfte auszuweiten.
Ich nenne nur mal vier Bereiche aus dem Wohnraumschutzgesetz, die uns persönlich besonders wichtig sind: ausreichende natürliche Belichtung, ausreichende Belüftung, Schutz gegen Feuchtigkeit, Anschlüsse für Energie- und Wasserversorgung, Entwässerung – alles normale Standards, die hier aber erst mal durchgesetzt werden müssen – und vor allen Dingen die gesetzliche Definition der Belegungsdichte mit 10 m2 pro Person.
Mit dem Wohnraumschutzgesetz wollen wir sicherstellen, dass es in niedersächsischen Wohnungen keine Überbelegungen mehr gibt und vor allen Dingen dem Geschäftsmodell der Überbelegung Einhalt geboten werden kann.
Gemeinden sollen vor allen Dingen zukünftig die Möglichkeit erhalten, in solchen Fällen gegen Eigentümer und Vermieter vorzugehen. Ebenso nimmt das Wohnraumschutzgesetz jene Vermieter in die Verantwortung, die sich nicht hinreichend um ihre Wohnungen kümmern. Wer sein Eigentum verwahrlosen lässt und damit seine Mieter im Stich lässt, kann aufgrund des neuen Gesetzes verpflichtet werden, bestimmte Mindeststandards wiederherzustellen.
Meine Damen und Herren, Frau Staudte, ich kann Ihre Liste an Bedenken, die Sie hier vorgetragen haben, nicht nachvollziehen. Ich glaube, dass sich sowohl der Ministerpräsident – in den vergangenen Tagen – als auch unser Wirtschaftsminister Althusmann – heute – sehr deutlich geäußert haben. Sie haben sich klar zum Werkvertragsverbot geäußert und klar zum Zehnpunkteprogramm geäußert. Heute ist noch mal vorgestellt worden, welche zehn Punkte die Landesregierung auf den Weg gebracht hat, um den Werkvertragsmissbrauch zu bekämpfen. Ich glaube, dass die Landesregierung da auf einem guten Weg ist. Gerade die SPD-Fraktion braucht in dieser Hinsicht keine Belehrungen durch die Grüne-Fraktion.
Vielen Dank.