14. März 2017
Rede zum Nachtragshaushalt 2017 der Stadt Osnabrück
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Frau Ratsvorsitzende, meine sehr geehrten Damen und Herren,
„Wir würden es sehr begrüßen, wenn in den städtischen Haushaltsberatungen die Varianten ausgewählt würden, die alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt gleichermaßen in den Blick nehmen.
Warum ausgerechnet die Familien, die durch die Erziehungsarbeit, die sie tagtäglich leisten, ununterbrochen einen Beitrag zur Zukunftssicherung der Stadt erbringen, zusätzlich zur Kasse gebeten werden sollen, ist für mich unverständlich.
Die zusätzliche Belastung, die für eine Familie dadurch entsteht, dass die Geschwisterkinderregelung dahin geändert wird, dass 50 % der Kosten zu tragen sind und zudem eine Erhöhung von 6 % erfolgen soll, ist für Familien immens. Dies ist eine unverhältnismäßige Mehrbelastung und schadet vor allem denen, die den Mut zu mehr als einem Kind haben.
Die Argumentation anderer Fraktionen, dass die Erhöhung notwendig sei, da die Kosten steigen ist für mich absurd. Die Kosten steigen, da zunehmend mehr Kinder ganztags betreut werden. Dies geschieht wiederum, da beide Elternteile Erwerbsarbeit in größerem Umfang nachgehen.
Wenn nun die Gebühren derartig erhöht werden, stellt sich in der einen oder anderen Familie vielleicht durchaus die Frage, ob es dann überhaupt noch lohnt, arbeiten zu gehen, wenn der Großteil eines Gehalts für die Betreuung der Kinder investiert werden muss. Es besteht somit die Gefahr, dass die Zahl der Erwerbstätigen und damit der Steuerabgaben sinkt.
Hätte die Stadt sich hiermit nicht einen sprichwörtlichen „Bärendienst“ erwiesen? Ich befürchte, ja. Kurz und gut: Wir wünschen Ihnen für die heutige Sitzung viel Erfolg und hoffen, dass die Gebühren nicht erhöht, sondern wie sie es perspektivisch darstellen, ganz abgeschafft werden.
Familien sind auch Wählerinnen und Wähler, momentan fällt es mir persönlich leicht, hier eine Entscheidung zu treffen. Vielleicht hilft es, die anderen Parteien hieran zu erinnern.“
Was ich hiermit getan habe meine Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sie werden es gemerkt haben: diese soeben vorgelesenen Worte stammen nicht aus meiner Feder, sondern sind wörtlich zitiert aus einem Brief des Elternbeirats der katholischen Kindertagesstätte Liebfrauen, der uns in diesen Tagen erreichte. Und glauben Sie mir, das war nicht der einzige Brief von Elternräten, der uns mit ähnlichem Inhalt in den letzten Tagen und Wochen erreicht hat.
Für die SPD-Fraktion kann ich nur sagen: Recht haben sie, die Eltern! Wir unterstützen die Eltern ausdrücklich in ihrer Forderung nach einer beitragsfreien Kita. Die Eltern in der Stadt Osnabrück können sich auf die SPD-Fraktion verlassen. Wir werden die von einer sogenannten Jamaika-Koalition aus CDU/BOB/Grünen/FDP und UWG gewünschte Beitragserhöhung für den Kita-Bereich auf keinen Fall mittragen und werden deshalb heute bei der Schlussabstimmung über den Nachtragshaushalt für 2017 eben diesen Nachtragshaushalt ablehnen. Eine Sparpolitik auf dem Rücken der Eltern ist mit der SPD nicht zu machen. Wir wollen keine Beitragserhöhung, weder im Kita-Bereich, noch beim Hort und auch nicht bei den Krippen!
Was CDU/BOB/Grüne/FDP und UWG da machen ist verantwortungslos. Sie belasten beispielsweise mit ihrer Entscheidung die Geschwisterregelung abzuschaffen, gerade die jungen Familien, die sich in diesen wirtschaftlich unsicheren Zeiten trotzdem für ein zweites Kind entschieden haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, Sie werden doch nicht müde, weitere Baugebiete für das freistehende Einfamilienhaus zu fordern, damit sich junge Familien hier in Osnabrück niederlassen.
Zu Recht übrigens, das fordert die SPD auch. Nur: Was machen Sie? Gerade die jüngeren Familien, die wirtschaftlich noch nicht so abgesichert sind und die sich das kleine Einfamilienhaus vielleicht gerade noch so leisten können: Wenn die dann ein zweites Kind wollen, belastet ausgerechnet die christdemokratische Fraktion in diesem Hause diese Familien mit einer Gebührensteigerung von 50 % oder ungefähr 1.200 Euro im Jahr.
Das halte ich für einen Skandal, denn diese Familien werden dann entweder auf das zweite Kind verzichten oder, wie es der Elternbeirat der katholischen Kindertagesstätte Liebfrauen so treffend ausdrückte: „Dies ist eine unverhältnismäßige Mehrbelastung und schadet vor allem denen, die den Mut zu mehr als einem Kind haben.“
Ob das noch christdemokratische Politik sein kann, müssen Sie selbst entscheiden, wir entlarven jedenfalls Ihre Politik der Ansiedlung junger Familien im Stadtgebiet als reine Lippenbekenntnisse. Wenn es ernst wird, dann kneifen Sie, meine Damen und Herren Ratskollegen von der CDU. Und die Grünen? Ja was machen die Grünen da eigentlich? Heute scheinen den Grünen die Haushaltskonsolidierung und der Schuldenabbau wichtiger zu sein als gesellschaftspolitische Zielsetzungen wie Gerechtigkeit und Chancengleichheit im Bildungswesen umzusetzen. Mein Gott, was ist aus den Grünen geworden? Vor 30 Jahren saßen sie strickenderweise als Revoluzzer in den Parlamenten und wollten die Welt verbessern. Und nun haben die Grünen, als in der Regel gut verdienende Akademiker den Marsch durch die Institutionen geschafft und was machen sie jetzt, wo sie ihr Ziel erreicht haben?
Statt Politik für die Menschen zu machen, sorgen sie sich um Haushaltskonsolidierung und Schuldenabbau und erhöhen man eben munter die Kita-Beiträge für junge Familien um satte 50 %. Wollten die Grünen früher eine nachhaltige Politik, Chancengleichheit, Frauenförderung oder die Ausbeutung der Dritten Welt beenden, so liest man bei den Grünen heute so seltsame Vokabeln wie Personalreduzierung, Effizienzsteigerung und Kostensenkungspotenziale nutzen. Was das noch mit grüner Politik zu tun hat, kann wohl nur der Kollege Hagedorn erklären. Wir gehen diesen Sozialabbau und diese familienfeindliche Politik jedenfalls nicht mit.
Nach der Abschaffung der Studiengebühren durch die SPD-geführte Landesregierung gehen wir jetzt einen Schritt weiter. Wir werden nach einem Wahlsieg der SPD bei den kommenden Landtagswahlen auf Landesebene die beitragsfreie Kita einführen. Denn auch frühkindliche Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Deshalb macht es jetzt auch überhaupt keinen Sinn mehr, ein Jahr vor Abschaffung der Kita-Gebühren noch einmal im Schweinsgalopp die Kita-Beiträge in Osnabrück zu erhöhen. Frühkindliche Förderung und eine verlässliche und qualitätsvolle Betreuung von Kindern sind entscheidend für die weitere Entwicklung eines Kindes und damit wesentliche Voraussetzung für Chancengleichheit. Deswegen wollen wir die Barrieren vor der ersten Stufe unseres Bildungssystems absenken. Ein Kita-Besuch stärkt die Bildungschancen – egal welche Förderung die Kinder im Elternhaus erfahren. Kitagebührenfreiheit ist ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit. Gerade in Familien mit einem geringen Einkommen tun Kita-Gebühren oft weh. Das wollen wir ändern.
Und liebe Kolleginnen und Kollegen, das geht auch finanziell. Wir haben als einzige Fraktion im Rat schon sehr frühzeitig ein alternatives Finanzierungskonzept für den Nachtragshaushalt vorgelegt. Das unterscheidet uns von CDU, Grünen, FDP und UWG: Sie wollen auf dem Rücken der Eltern sparen und aus der Erhöhung der Kita-Gebühren in Summe 1,5 Mio. Euro einnehmen. Die von Oberbürgermeister Wolfgang Griesert geführte Verwaltung hat sogar vorgeschlagen, die Elternbeiträge in einer Größenordnung von 3,5 Mio. Euro zu erhöhen. Wir dagegen wollen das nicht, sondern erhöhen stattdessen die Gewerbesteuer um 5 Punkte beim Hebesatz, was etwa 1,3 Mio. Euro ausmacht. In etwa die gleiche Summe, die Sie den Eltern abnehmen wollen.
Die Politische Alternative lautet also: beim Jamaika Bündnis höhere Elternbeiträge, bei der SPD eine moderate Gewerbesteuererhöhung, die die Unternehmen auch verkraften können, da wir im Vergleich mit entsprechenden Oberzentren mit einem Hebesatz von dann 445% noch in der Mitte vergleichbarer Oberzentren liegen.
Ich kann Sie nur auffordern: Nehmen Sie Abstand von dieser unsozialen und familienfeindlichen Politik und schließen Sie sich unseren Vorschlägen an, dann können wir den Haushalt sanieren ohne die Mitte der Gesellschaft für das Vorhandensein von Kindern über Gebühr zu belasten.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.