16. Mai 2019
Rede zum Antrag auf Abschaffung der A1-Bescheinigung
Antrag der FDP in der Plenarsitzung vom 16. Mai 2019
Videomitschnitt der Rede
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Text der Rede
Es gilt das gesprochene Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Mit der sogenannten A1-Bescheinigung sollen Unternehmen nachweisen, dass Sozialversicherungsbeiträge im Heimatland gezahlt werden, wenn Arbeitnehmer im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit ins europäische Ausland entsandt werden. Das Ganze dient der Verhinderung von Schwarzarbeit. Das will ich an dieser Stelle noch einmal sagen.
(Eva Viehoff [GRÜNE]: Da sind wir uns alle einig!)
Ich glaube, es ist bitter nötig, den Sozialversicherungsbetrug, der europaweit und auch in unserem Land stattfindet, zu bekämpfen. Nach Schätzungen der Johannes Kepler Universität Linz gehen in Deutschland etwa 65 Milliarden Euro an Steuern und Sozialabgaben verloren – allein durch Schwarzarbeit 50 Milliarden Euro Steuern und Sozialabgaben. Hinzu kommen weitere etwa 15 Milliarden Euro hinterzogene Steuern durch ins Ausland verschobene Vermögen, meine Damen und Herren.
Interessant ist: Würden diese 65 Milliarden Euro in Deutschland ordentlich versteuert und die Sozialabgaben abgeführt und würden diese 65 Milliarden dann in den Konsum fließen, könnte nach den Berechnungen der Linzer Universität die inländische Wirtschaft um satte 4 % wachsen. Dies nur einmal, um die Dimensionen klarzumachen, um die es dabei geht.
Deswegen ist die Bekämpfung der Schwarzarbeit, die die EU betreibt, vom Grundsatz her richtig.
(Eva Viehoff [GRÜNE]: Das hat auch niemand infrage gestellt!)
– Ja, liebe Kollegin, warten Sie es ab! Ich komme jetzt zu Ihnen.
Ich habe durchaus Sympathien für den Antrag der FDP.
(Zuruf von der FDP: Nein!)
Dass ich das hier noch einmal sagen darf, wundert mich auch. Ich habe insofern Sympathien, weil ich glaube, dass es richtig ist, Bürokratie abzubauen. Das wollen auch wir. Das will im Übrigen auch die Landesregierung. Die Probleme sind da deutlich bekannt. Vielen Unternehmen haben erst in den letzten Monaten und Wochen davon erfahren, dass man diese A1-Bescheinigung braucht. Es ist häufig auch Unkenntnis im Spiel. Es gibt technische Probleme. Die Lohnbuchhaltungsprogramme, beispielsweise bei DATEV, können dies bisher noch nicht abbilden. Und es ist natürlich – das muss ich auch sehr deutlich sagen – bürokratischer Unsinn, für eine 14-tägige Dienstreise eine solche A1-Bescheinigung zu verlangen. Das sehe ich genauso.
(Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)
– Vielen Dank.
Nur, meine Damen und Herren, dazu bedarf es nun wirklich nicht dieses FDP-Antrages. Denn Sie suggerieren hier, die Landesregierung sei untätig. Das ist schlicht falsch.
(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Doch; denn die Landesregierung ist untätig!)
Zunächst einmal ist festzustellen, dass nicht die Landesregierung, sondern die EU-Kommission hier zuständig ist.
(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Nein, die Bundesregierung!)
Die EU-Kommission ist auch schon tätig geworden. Sie hat einen Änderungsvorschlag unterbreitet, beispielsweise die A1-Bescheingung für kurzfristige Dienstreisen schlicht abzuschaffen. Das Ganze muss noch durch die Gremien im Europaparlament. Das wird auch erfolgen. Davon gehe ich jedenfalls aus. Man kann ja darüber nachdenken, dass man dann, wenn das bis Ende des Jahres nicht passiert ist – man weiß ja nicht, wie lange die Gremien der EU arbeiten –, in der Tat eine Bundesratsinitiative macht. Aber ich glaube, im Augenblick sind wir noch zu früh mit Ihrem Antrag. Warten wir ab, was sich dort tut!
In Sachen Bürokratieabbau ist auch die Landesregierung schon tätig geworden. Ich verweise auf die Stabsstelle im Wirtschaftsministerium zum Thema Bürokratieaufbau. Es gibt dort einen Beauftragten.
(Dr. Stefan Birkner [FDP] und Jörg Bode [FDP]: Ja, Aufbau!)
– Bürokratieabbau, meine Damen und Herren.
(Unruhe – Glocke der Präsidentin)
Wir haben im Koalitionsvertrag auch das Thema Bürokratieabbau klar geregelt. Ich will die Probleme hier wirklich nicht kleinreden, aber sowohl die Landesregierung als auch die Stabsstelle und die EU sind an dem Thema dran. Deswegen brauchen wir Ihren FDP-Antrag nicht.
(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Jetzt erkenne ich Sie wieder!)
Meine Damen und Herren, die Gelegenheit will ich an der Stelle dann doch nutzen und sagen – da bin ich ganz bei dem Kollegen Scharrelmann –: Der Redebeitrag von Herrn Henze hat es doch wieder gezeigt. Ich will ja der FDP überhaupt nichts unterstellen. Ich kenne die FDP als europafreundliche Partei – selbstverständlich. Sie stehen zu Europa.
Aber so kurz vor den Europawahlen hier ein bürokratisches Monster an die Wand zu malen,
(Christian Grascha [FDP]: Das sind dieselben Probleme, die viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Land haben! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)
sodass die AfD das schon wieder ausnutzen kann, um hier vor einem bürokratischen Monster zu warnen, zeigt doch, dass wir wieder genau in diese AfD-Falle gelaufen sind.
(Zustimmung bei der SPD)
Ich verweise darauf, dass der Binnenmarkt, die Reisefreiheit und die Niederlassungsfreiheit europäische Errungenschaften sind, die wir gemeinsam verteidigen sollten. Wir sollten nicht 14 Tage vor der Europawahl hier vor einem bürokratischen Monster warnen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD – Christian Grascha [FDP]: Mit Schönreden löst man keine Probleme, und damit wirbt man nicht für Europa! Das durchschauen die Menschen nämlich!)
– Wir sind uns da doch einig, Herr Kollege Grascha.
Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch:
Lieber Kollege Grascha!
Frank Henning (SPD):
Europa ist das größte Friedensprojekt. Das muss man an der Stelle vielleicht auch noch einmal in Richtung AfD sagen. Wir haben 70 Jahre Frieden in diesem Land. Das hat etwas mit Europa zu tun. Wenn die AfD will, dass Deutschland mit ihrem Dexit aus der EU austritt, dann kann ich nur sagen: Das ist ein Skandal. Übrigens auch die DKP, also die Rechts- und Linkspopulisten in diesem Land, plakatieren gegen die EU. Bei der DKP habe ich gesehen: „EU gleich Krieg“. Ich finde das abenteuerlich, meine Damen und Herren.
Wir sollten gemeinsam als Demokraten gerade zu den Europawahlen jetzt die EU verteidigen. Und bei allem Respekt vor der europapolitischen Haltung der FDP – die teilen wir ja alle gemeinsam –: Jetzt vor den Wahlen diese technischen Probleme einer Bescheinigung derartig in den Fokus zu rücken, halte ich für völlig daneben und überzogen. Dabei kann ich den Kollegen Scharrelmann nur unterstützen. Wir werden das im Ausschuss auch noch beraten und deutlich machen. Ich glaube, dass die EU das am Ende auch ohne Ihren Antrag in den Griff kriegen wird. Auch die Landesregierung ist da schon tätig.
(Christian Grascha [FDP]: Die ist nicht tätig!)
Deswegen werden wir wahrscheinlich im Ausschuss – darüber müssen wir noch reden – den Antrag ablehnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)