15. Juli 2015
Rede zu Erbschaftsteuer und Steuergerechtigkeit
Videomitschnitt der Rede
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Text der Rede
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
„die Erbschaftsteuer dient nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern ist zugleich ein Instrument des Sozialstaats, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst.“
Meine Damen und Herren, dieser eben zitierte Satz stammt nicht von mir, sondern aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014. Dieser Satz der Verfassungsrichter macht deutlich, worum es bei der Erbschaftsteuer im Kern geht: Mehr Steuergerechtigkeit statt grenzenloser Ausnahmen ist nicht nur das Thema der heutigen Aktuellen Stunde, sondern dieser Satz zieht sich wie ein roter Faden auch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer. Die Verfassungsrichter haben richtig erkannt, dass die Erbschaftsteuer ein Instrument des Sozialstaats ist.
Aufgrund der zahlreichen Ausnahmetatbestände und der übermäßigen Privilegierung des Betriebsvermögens in der Praxis der letzten Jahre hat die Erbschaftsteuer aber eher zur Ungleichheit der Vermögensverhältnisse in diesem Land beigetragen. Es gibt krasse Unterschiede in der Einkommens- und Vermögensverteilung in diesem Land. Auf Dauer kann es für den sozialen Frieden in diesem Land nicht gut sein, wenn beispielsweise 10 % der Bevölkerung mehr als 60 % des Vermögens in diesem Land besitzen, während 27 % der Bevölkerung negatives Vermögen – sprich: Schulden – haben.
Als wichtiger Baustein für mehr Leistungsgerechtigkeit rückt deshalb die Erbschaftsteuer in den Blick. Erbe ist leistungsloses Einkommen, weil die Erbenden nichts zu ihrem Vermögenszuwachs beitragen. Im Jahr 2013 lag das Aufkommen der Erbschaftsteuer bei ca. 4,6 Milliarden Euro bundesweit.
Im Vergleich zum Aufkommen aus der Tabaksteuer von rund 13,8 Milliarden Euro ein extrem geringer Betrag. Das Ungleichgewicht wird umso deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass 2013 Vermögen im Wert von 254 Milliarden Euro vererbt wurde. Das bedeutet in Relation zum Aufkommen eine reale Steuerbelastung von 1,7 Prozent. Durch diese mangelnde Besteuerung von Erbe potenziert sich soziale Ungleichheit über Generationen hinweg.
Die Erbschaftsteuerreform ist für das Land Niedersachsen aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit enorm wichtig, sondern natürlich auch unter dem Aspekt der Haushaltskonsolidierung. Die Erbschaftsteuer ist eine reine Ländersteuer. Der Ertrag aus der Steuer fließt also ausschließlich dem Landeshaushalt zu.
Aus Ländersicht ist es daher wichtig, dass das Erbschaftsteueraufkommen im bisherigen Umfang beibehalten wird. Das Steueraufkommen aus der Erbschaftsteuer beträgt allein in Niedersachsen rund 300 Mio. Euro jährlich. Umgerechnet entspricht dies rund 6.000 Lehrerstellen, die wir allein aus dem Erbschaftsteueraufkommen finanzieren können.
Dieser Vergleich macht deutlich, dass wir als Land Niedersachsen auf diese Einnahmen nicht verzichten können. Ziel der SPD-Landtagsfraktion ist eine verfassungskonforme Erbschaftsteuer durch den Abbau der gerügten Überprivilegierung des Betriebsvermögens und zugleich Erhalt und Sicherung von Arbeitsplätzen insbesondere bei kleinen und familiär geprägten Unternehmen zu erreichen.
Für uns standen bisher die im Eckwertepapier des Bundesfinanzministeriums genannten Kennzahlen als gute Ausgangsbasis für die Erbschaftsteuerreform im Fokus. Nun mussten wir überraschenderweise feststellen, dass maßgebliche Strukturelemente des bisherigen Eckwertepapiers von Bundesfinanzminister Schäuble durch den vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Erbschaftsteuer aufgegeben worden sind.
Wir werden uns den Kabinettsbeschluss zur Reform der Erbschaftsteuer unter dem Aspekt einer verfassungsfesten Neuformulierung nun genau ansehen. Die Vorgaben aus Karlsruhe müssen dabei beachtet werden, auch um nicht in einigen Jahren erneut vor dem Bundesverfassungsgericht stehen zu müssen.
Daher ist es geboten, dass die bisherigen und gerügten Verschonungsregeln bei betrieblichen Vermögensübergängen künftig so formuliert und ausgestaltet sind, dass diese den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Je großzügiger die Privilegierung, umso größer das verfassungsrechtliche Risiko.
Dies sollte auch CDU und FDP hier im Hause bewusst sein, da Sie mit Ihren Forderungen nach noch weitgehenderen Privilegien die aktuelle Reform direkt in die erneute Verfassungswidrigkeit steuern würden, wenn wir Sie denn ließen.
Ziel sozialdemokratischer Steuerpolitik ist eine verfassungskonforme Neuregelung der Erbschaftsteuer zu erreichen, das solidarische Miteinander in diesem Land zu fördern, der sozialen Spaltung in diesem Land entgegenzuwirken und vor allen Dingen die öffentlichen Haushalte fit für die Zukunftsaufgaben dieses Landes zu machen.
Vielen Dank.