26. September 2013
Rede zu einer gerechten Steuerpolitik für eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung
Es gilt das gesprochene Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Land steht vor gewaltigen Zukunftsaufgaben, die wir alle gemeinsam miteinander hoffentlich gut bewältigen werden. Wir haben den demografischen Wandel zu gestalten. Wir haben im Interesse der Unternehmen in diesem Land den Fachkräftemangel zu beseitigen, und wir müssen den Bildungsbereich kräftig ausbauen und in diesen kräftig investieren.
(Zustimmung bei der SPD)
Von Verfassungs wegen müssen wir gleiche Lebensverhältnisse überall in Niedersachsen herstellen; ich nenne nur das Stichwort „Südniedersachsenplan“. Im Übrigen verweise ich darauf, dass uns die bisherige Landesregierung schwarz-gelber Natur einen erheblichen Sanierungsstau im Straßenbau und auch bei den öffentlichen Gebäuden hinterlassen hat, den es zu beseitigen gilt.
Jeder, der kommunalpolitisch aktiv ist, weiß, wovon ich spreche, und wird mir zustimmen, wenn ich sage, dass wir die Kommunen finanziell zukünftig so ausstatten müssen, dass sie ihren Aufgaben gerecht werden.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN – Zuruf von Astrid Vockert [CDU])
– So ist das, meine Damen und Herren.
Durch Ausgabenkürzungen allein, meine Damen und Herren, werden wir all dies nicht bewältigen können, und schon gar nicht vor dem Hintergrund der Rahmenbedingungen, die uns Schwarz-Gelb hinterlassen hat.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Die Vorgängerregierung hat uns sage und schreibe 60 Milliarden Euro Schulden hinterlassen und hat es damit geschafft, innerhalb von zehn Jahren Regierungszeit den Schuldenstand um 50 % zu erhöhen. Auch wenn Sie es nicht mehr hören können, haben Sie im Haushalt 2013 ein strukturelles Defizit von 1,3 Milliarden Euro hinterlassen, auf dem wir aufsetzen müssen.
1,3 Milliarden Euro, meine Damen und Herren! Innerhalb dieser Rahmenbedingungen, die uns Schwarz-Gelb hinterlassen hat, müssen und – vor allem – wollen wir die Schuldenbremse von Verfassungs wegen spätestens ab 2020 einhalten, meine Damen und Herren.
Vizepräsident Karl-Heinz Klare:
Herr Henning, ich darf Sie kurz unterbrechen. Es liegt die Bitte zu einer Zwischenfrage von Herrn Grascha vor.
Frank Henning (SPD):
Das können Sie gleich im Anschluss machen, Herr Grascha.
(Christian Grascha [FDP]: Das will ich aber nicht!)
Vizepräsident Karl-Heinz Klare:
Herr Grascha, keine Zwischenfrage. – Herr Henning, Sie haben das Wort.
Frank Henning (SPD):
Vor dem Hintergrund der geschilderten Schuldenbremse und der geschilderten Rahmenbedingungen ist es unserem Finanzminister Peter-Jürgen Schneider hoch anzurechnen, dass er erstmals in der neuen Mipla für den Zeitraum von 2013 bis 2017 einen wirklich realistischen Abbaupfad zur Reduzierung der Nettoneuverschuldung bis zum Jahr 2020 vorgelegt hat und wir damit die Verfassung einhalten können, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)
Unsere wesentlichen Reformvorhaben – an der Stelle will ich mit dem Ammenmärchen aufräumen, wir seien auf Steuererhöhungen angewiesen – wie die Stärkung des Bildungsbereichs haben wir auch ohne zusätzliche Steuereinnahmen in diesem Haushalt finanziert. Ich verweise auf die Abschaffung der Studiengebühren. Wir haben vor allen Dingen – das sollte uns Sozialdemokraten und Grüne hier in diesem Hohen Hause stolz machen – den Universitäten den Ausgleich 1 : 1 versprochen und haben das im Haushalt auch abgebildet, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Die Abschaffung der Studiengebühren ab dem kommenden Wintersemester 2014
(Christian Grascha [FDP]: Schuldenfinanziert!)
wird insbesondere dazu beitragen, die Bildungsgerechtigkeit in diesem Lande wieder ein Stück weit wiederherzustellen, weil gerade Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien durch Ihre Studiengebühren, Herr Grascha, vom Studium abgehalten worden sind. An der Stelle gehen wir einen konsequent anderen Weg.
Ich verweise noch auf die 420 Millionen Euro, die in den Ganztagsschulausbau gesteckt werden, was absolut notwendig ist. Außerdem verweise ich auf den Einzelplan 06 – Wissenschaft und Kultur -: Er ist noch nie so hoch anfinanziert worden wie in diesem Jahr. Wir haben die 3-Milliarden-Euro-Grenze in diesem Einzeletat überschritten.
Vizepräsident Karl-Heinz Klare:
Herr Kollege, es liegt wieder der Wunsch nach einer Zwischenfrage von der rechten Seite des Hauses vor, von Herrn Hilbers. Lassen Sie die Frage zu?
Frank Henning (SPD):
Das machen wir im Ausschuss. Bleiben Sie mal ganz ruhig. Das kriegen wir schon hin.
(Zurufe von der CDU und von der FDP: Das ist die abschließende Beratung!)
Vizepräsident Karl-Heinz Klare:
Sie haben das Wort.
Frank Henning (SPD):
Obwohl der Haushalt solide finanziert ist, werden wir nach meiner festen Überzeugung auf die Dauer, um einen Haushaltsausgleich zu erreichen, nicht umhinkommen, auch über die Einnahmeseite nachzudenken. Ich denke an die gewaltige Aufgabe der Inklusion. Ich denke aber auch an viele wünschbare Angelegenheiten, die an dieses Hohe Haus herangetragen werden, die im Augenblick nicht im Haushalt stehen, z. B. die dritte Kraft in der Kindertagesstättengruppe oder ein noch schnellerer Ausbau der Straßeninfrastruktur in diesem Land. Wir alle wissen, wovon wir reden, wenn wir uns die Straßeninfrastruktur anschauen. Oder es geht auch um die energetische Sanierung von Landesliegenschaften.
Wenn wir all das noch schneller hinbekommen wollen, ist es notwendig, dass wir die mit den starken Schultern in diesem Land stärker zur Finanzierung des öffentlichen Gemeinwesens heranziehen, meine Damen und Herren. Deswegen ist eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, wie wir sie in unserem Antrag fordern, unumgänglich. Sie entspricht auch dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, meine Damen und Herren.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Interessant ist in diesem Zusammenhang – wer heute Morgen Zeitung gelesen hat, weiß es schon -: Auch auf der schwarzen Seite des Hauses ändert sich einiges.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Der Bundesfinanzminister ist einer Spitzensteuersatzerhöhung gar nicht mehr so abgeneigt. Auch der CDU-Generalsekretär Gröhe hat sich da erstaunlicherweise flexibel gezeigt. Was noch vor einer Woche Teufelszeug war, nämlich die Spitzensteuersatzerhöhung – von SPD und Grünen vorgeschlagen -, ist vom Bundesfinanzminister offensichtlich durchaus in nächster Zeit zu realisieren. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Ich habe auch noch eine Hoffnung, meine Damen und Herren. Wir haben auch noch eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Erbschaftsteuer und eine Wiedererhebung der Vermögensteuer auf unserem Programm. Vor dem Hintergrund dessen, was Herr Schäuble heute Morgen in der Zeitung erklärt hat, könnte ich mir vorstellen, dass man das gemeinsam mit der CDU hinkriegt; denn die FDP hat sich ja atomisiert und ist als Verhinderer in dieser Sache im Deutschen Bundestag nicht mehr vorhanden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Wir jedenfalls sind der Auffassung, dass wir den Ertrag in Höhe von 1 Milliarde Euro, den uns das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung für den Fall berechnet hat, dass wir die Vermögensteuer verfassungskonform in diesem Land wieder einführen, sehr gut für unsere Haushaltsreformen gebrauchen können. Wir sind der Auffassung, dass es dabei nicht nur um die Frage der Einnahmeverbesserung des Landes geht. Für uns ist es vor allen Dingen eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Der Armutsbericht der Bundesregierung, der ja so gern von der FDP korrigiert wird, zeigt es auf:
(Christian Grascha [FDP]: Es heißt „Armuts- und Reichtumsbericht“!)
Es gibt krasse Unterschiede in der Einkommens- und Vermögensverteilung in diesem Land. Auf Dauer kann es für den sozialen Frieden in diesem Land nicht gut sein, wenn beispielsweise 10 % der Bevölkerung mehr als 60 % des Vermögens in diesem Land besitzen, während 27 % der Bevölkerung negatives Vermögen – sprich: Schulden – haben.
Meine Damen und Herren, das kann so nicht weitergehen. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf. Auch deswegen ist eine Reform der Erbschaftsteuer und der Vermögensteuer dringend geboten, um zu einer Umverteilung und zu mehr sozialer Gerechtigkeit in diesem Land zu kommen.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf die Gewerbesteuer in diesem Land eingehen.
(Glocke des Präsidenten)
Auch da sagen die Kommunalpolitiker sicherlich quer durch alle Parteien, dass unsere Forderung richtig ist. Wir müssen die Gewerbesteuer auf eine breitere Bemessungsgrundlage stellen. Wir brauchen eine Reform der Gewerbesteuer hin zur Gemeindewirtschaftssteuer. Meine Damen und Herren, es kann doch nicht sein, dass jeder Pommesbudenbesitzer in diesem Land, der oberhalb bestimmter Freibeträge liegt, Gewerbesteuer zahlen muss, aber gut verdienende Freiberufler wie Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer – allesamt offenbar das Klientel der FDP – keinen Cent zum Gewerbesteueraufkommen beitragen.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Und das, obwohl die eben erwähnten Freiberufler die Infrastruktur einer Kommune genauso in Anspruch nehmen wie der schon erwähnte Pommesbudenbesitzer.
(Christian Grascha [FDP]: Deshalb zahlen sie auch Einkommensteuer!)
Herr Grascha, falls die FDP jetzt wieder auf den Gedanken kommt, wir seien eine Steuererhöhungspartei: Das Gegenteil ist der Fall. Sie wissen sehr genau, dass die Gewerbesteuer, auch wenn sie zur Gemeindewirtschaftssteuer umfunktioniert wird, keinerlei Belastung mehr für die deutschen Unternehmen darstellt, sofern es sich um Einzelunternehmen oder um Personenunternehmen handelt, weil die Gewerbesteuer auf die persönliche Einkommensteuer anrechenbar ist, meine Damen und Herren.
(Glocke des Präsidenten)
Deswegen ist das insoweit völlig in Ordnung.
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf ein weiteres Ammenmärchen eingehen. Sie behaupten ja – und Sie werden nicht müde, dass immer wieder zu behaupten -, wir hätten – – –
Vizepräsident Karl-Heinz Klare:
Herr Kollege Henning, Sie müssen zum Schluss kommen, und nicht noch einen weiteren Absatz machen. Das wird nichts.
Frank Henning (SPD):
Okay.
Dann sage ich als Fazit: Das Ziel sozialdemokratischer Steuerpolitik ist, das solidarische Miteinander in diesem Land zu fördern, der sozialen Spaltung in diesem Land entgegenzuwirken und vor allen Dingen – das ist entscheidend – die öffentlichen Haushalte fit für die Zukunftsaufgaben dieses Landes zu machen. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns dafür gemeinsam eintreten!
Vielen Dank.
(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)