30. Januar 2025
Rede zur Mehrwertsteuer in der Gastronomie
Plenarrede vom 30. Januar 2025
Videomitschnitt der Rede
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Text der Rede
Es gilt das gesprochene Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst: Ich freue mich, dass die CDU-Fraktion meine Anregung aus dem Wirtschaftsausschuss aufgegriffen hat und ihren ursprünglichen Antrag, der ja zwei Jahre alt war und völlig unverändert im Ausschuss vorlag, noch mal geändert hat, also einen Änderungsantrag zu ihrem eigenen Antrag eingebracht hat. Denn der Ursprungsantrag war erledigt und hätte so hier heute gar nicht mehr abgestimmt werden können. Wir helfen immer gerne, denn Demokraten müssen zusammenarbeiten – selbst bei der Formulierung von Anträgen, meine Damen und Herren.
Wir sprechen heute über ein zwei Jahre altes Thema. Herr Seebeck, ich habe es Ihnen schon häufiger gesagt: Selbstverständlich haben wir eine große Wertschätzung für die Gastronomie. Ich habe das hier in der Aktuellen Stunde gesagt, ich habe das schon vor zwei Jahren gesagt, ich habe das im Ausschuss gesagt. Wir haben großen Respekt vor den Lebensleistungen der Menschen, die in der Gastronomie tätig sind. Die Beschäftigten müssen nämlich dann arbeiten, wenn wir uns vergnügen, wenn wir zu Abend essen – ich habe das letzte Mal von Candle-Light-Dinnern gesprochen, das will ich nicht wiederholen.
Während wir uns also vergnügen, gehen viele Menschen bei einem spärlichen Salär ihrer Arbeit nach. Auch die Unternehmer, die diese Arbeitsplätze schaffen, haben andere Arbeitszeiten, und ich finde es ist es wert, das mal zu erwähnen.
Wir haben in Corona-Zeiten der Gastronomie auf der einen Seite einiges zugemutet – Stichworte „Lockdown“ und „Schließungsszenarien“. Das war aber auch nötig, um das Virus zu bekämpfen. Auf der anderen Seite haben wir die Gastronomie aber nicht allein gelassen. Es gab immense Hilfeleistungen vom Bund und vom Land. Ich erinnere nur an das Investitionsprogramm in Höhe von 130 Millionen Euro allein aus Landesmitteln, mit dem so mancher Gastronom seine Investitionen ausweiten und seinen Gastronomieraum erheblich erweitern konnte.
Im Übrigen ist die Gastronomie natürlich ein Teil der Tourismusbranche in Niedersachsen und auch ein Teil der Tourismusstrategie. Ich habe die Zahl noch mal rausgesucht: 13,6 Milliarden Euro jährlicher Bruttoumsatz – das ist mehr als in der Bauwirtschaft. Durch meine Ausführungen wird, glaube ich, deutlich, dass die Gastronomie, die Hotellerie, aber auch die Tourismusbranche in diesem Land – das gehört ja alles zusammen – eine sehr große Wertschätzung von unserer Seite genießen.
Allerdings, Herr Seebeck, kann man auch nicht alles über einen Kamm scheren. Ich gebe Ihnen recht, dass im ländlichen Raum leider die eine oder andere dörfliche Kneipe oder das eine oder andere dörfliche Restaurant akut gefährdet sind und damit auch Zusammenkünfte von Menschen im ländlichen Raum immer schwieriger werden. Es gibt aber auch andere Regionen – das sind die Ballungszentren; das ist Nordwestniedersachsen; das sind die großen Städte wie Braunschweig, Hannover und Osnabrück –, in denen die Gastronomie geradezu boomt. Sie bekommen da gar keinen Platz mehr, und die Umsätze steigen enorm. Die brauchen keine Mehrwertsteuerabsenkung. Ich gebe allerdings zu, dass das für den ländlichen Raum nicht gilt.
Ich möchte darauf verweisen – im Ausschuss habe ich das auch schon mal gesagt –, dass es in Osnabrück eine Wirtschaftsförderung gibt – da hat man sich diese Situation genauer angesehen. Wir haben aber auch da sozusagen eine veränderte Situation: Während es jahrzehntelang so war, dass die Menschen die Innenstädte aufgesucht haben, weil sie den Einzelhandel besuchen und dort einkaufen wollten, suchen in Osnabrück und auch im Emsland die Leute die Innenstädte mittlerweile deshalb auf, weil es dort eine gute Gastronomie gibt. Das heißt, die Gastronomie ist dort der stärkste Umsatztreiber. Das zeigt die Stärke der Gastronomie in bestimmten Bereichen.
Ich muss allerdings auch sagen, dass ich nicht verstehe, warum Sie, Herr Seebeck, die Gastronomie an einer Stelle privilegieren wollen. Was ist denn mit den anderen Branchen? Durch Corona sind viele, viele Betriebe in Schieflage geraten. Ich nenne mal ein Beispiel: Wir haben gestern und heute über das Thema Wohnungsbau und bezahlbaren Wohnraum gesprochen. Warum kommen Sie eigentlich nicht auf die Idee, die Umsatzsteuer auf Bauleistungen zu halbieren, um zu bezahlbarem Wohnraum zu kommen? So könnten wir auch andere Branchen stützen.
Ich will damit Folgendes zum Ausdruck bringen: Wenn man eine Branche mit 7 % Mehrwertsteuer stützt, warum – das frage ich Sie noch mal – macht man das dann in anderen Brachen nicht auch? Sind andere Branchen nicht genauso wichtig und systemrelevant? Ich glaube, da greift Ihr Antrag einfach zu kurz. Meine Kollegin von den Grünen, die heute ihre erste Rede gehalten hat, hat noch mal sehr richtig darauf hingewiesen, dass man diese Ungleichbehandlung zugunsten der Gastronomie so nicht machen kann.
Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass die Endverbraucher davon profitieren. Da kann ich nur auf die Unterrichtung im Wirtschaftsausschuss verweisen. Frau Pürschel, seit Jahren Expertin in diesen Fragen, hat uns dargelegt, dass es überhaupt keine wissenschaftlichen und gesicherten Erkenntnisse dazu gibt, dass diese Mehrwertsteuerabsenkung am Ende überhaupt beim Endverbraucher ankommt. Meine Erfahrung sagt mir, das bleibt beim Unternehmen. Jetzt kann man argumentieren, dass das gut angelegtes Geld ist und die Unternehmen stärkt. Aber man nicht automatisch davon ausgehen, dass man damit die Endverbraucher unterstützt.
Vizepräsidentin Sabine Tippelt:
Herr Henning, holen Sie mal kurz Luft, dann kann ich Ihnen die Frage stellen, ob Sie eine Zwischenfrage von Herrn Seebeck zulassen.
Frank Henning (SPD):
Aber klar!
Claus Seebeck (CDU):
Frau Präsidentin! Herr Henning, vielen Dank für das Zulassen der Zwischenfrage.
Ich kann Ihnen sagen, warum das bei der Gastronomie anders ist als beim Baugewerbe – oder vielleicht beantworten Sie mir die Frage, die ich dazu stelle. Das ist ja meine Aufgabe jetzt, Entschuldigung!
Wer bezahlt wie viel Vorsteuer, für die Waren, die eingekauft und verarbeitet werden? Genau da liegt die Problematik der ganzen Geschichte. Vielleicht können Sie mir das beantworten.
Frank Henning (SPD):
Ich habe Ihre Frage überhaupt nicht verstanden: Wer bezahlt wie viel Vorsteuer?
Claus Seebeck (CDU):
Ja. Wer bezahlt wie viel Vorsteuer? Wer ist vorsteuerabzugsberechtigt bei den Betrieben? Was bezahlen die Baugewerblichen für die Materialien, die sie einkaufen, und was bezahlen die Gastronomen für die Lebensmittel, die sie einkaufen?
Frank Henning (SPD):
Vorsteuerabzugsberechtigt sind sowohl die Gastronomen als auch die Bauindustrie, da gibt es überhaupt keinen Unterschied. Ich verstehe die Frage überhaupt nicht. Natürlich sind beide vorsteuerabzugsberechtigt. Wollen wir jetzt ein Steuerseminar machen? Natürlich kann ein Gastronom steuerpflichtige Endumsätze tätigen, und genauso kann ein Bauunternehmen bei Bauleistungen, bei Vorleistungen die Vorsteuer abziehen, wenn es entsprechende umsatzbesteuerte Leistungen in der Baubranche erbringt. Das brauchen Sie mir nicht zu erklären. Ich war 25 Jahre lang Betriebsprüfer, da brauche ich keine Nachhilfe. Vielen Dank, Herr Seebeck, aber wirklich nicht! Ich glaube, die Frage sollten Sie sich noch mal genauer überlegen.
Lassen Sie mich noch auf einen Punkt hinweisen, auf den meine Kollegin schon hingewiesen hat. Gucken Sie sich mal die Anlage 2 des § 12 des Umsatzsteuergesetzes an! Da fängt das Problem an. Das Problem ist nicht die einzelne Frage, ob wir 7 % oder 19 % Mehrwertsteuer erheben. Lassen Sie uns doch endlich mal das Umsatzsteuerrecht entschlacken und entbürokratisieren und die vielen Ausnahmetatbestände angehen! Ich will nicht wieder das Beispiel mit dem Cappuccino und der Hafermilch bringen; das kommt hier jede Sitzung. Es gibt zig Tatbestände in Anlage 2: Außer-Haus-Verkauf, In-Haus-Verkauf usw. An die Frage, warum man Dinge unterschiedlich behandelt, da müssten wir ran. Der Bundesrat hat auch schon beschlossen, dass es eine Evaluation des Umsatzsteuerrechts geben soll und die Sondertatbestände der Anlage 2 einer Überprüfung zugeführt werden sollen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch auf einen Punkt eingehen – gleich spricht ja auch noch unser Finanzminister dazu. Die Sache ist entschieden! Der Bund hat entschieden: Es bleibt bei 19 %. Damit hat man übrigens auch den Gastronomen Planungssicherheit gegeben. Denn sie wussten von Anfang, dass diese Mehrwertsteuersenkung nur zeitlich begrenzt war und dass irgendwann zu 19 % zurückgekehrt wird.
Diese Mehrwertsteuersenkung würde 3,4 Milliarden Euro an Steuermindereinnahmen bedeuten, 155 Millionen Euro für den niedersächsischen Landeshaushalt. Ich habe von Ihrer Seite noch keine Gegenfinanzierungsvorschläge – außer, dass der Bund es bezahlen soll – gesehen. Ich glaube aber nicht, dass der Bund diese Leistung übernehmen wird. Deswegen müssten Sie sich, wenn Sie es ernst meinen, mal Gedanken machen, wie denn diese 155 Millionen Euro gegenfinanziert werden sollen. Ich sehe auf Ihrer Seite nur einen typischen Oppositionsantrag, der keinerlei Gegenfinanzierungsvorschläge macht.
Frau Thiemann hat im Ausschuss darauf verwiesen, dass es so ein tolles CDU-Wahlprogramm gibt, in dem drinsteht, dass die Mehrwertsteuer abgesenkt und das alles finanziert wird. Ich weise darauf hin, dass Sie in Ihrem Steuerkonzept auf Bundesebene jetzt schon eine Finanzierungslücke von satten 100 Milliarden Euro haben.
Die 3,4 Milliarden Euro aus der Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie kommen auf die 100 Milliarden Euro dann noch oben drauf. Ich glaube, Ihre Rechnung geht schlicht nicht auf.
Sollten Sie die nächste Bundesregierung stellen – was ich nicht hoffen möchte –, seien Sie vorsichtig! Denn Ihre Konzeption – erstens eine schwarze Null, ein Einhalten der Schuldenbremse; zweitens Steuersenkungen; drittens Dauersubventionierungen bestimmter Branchen – ist der typische Dreiklang in der Opposition, der aber in der Regierung niemals aufgehen wird, weil man nicht alle drei Forderungen erfüllen kann.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Antwort auf die Zwischenintervention:
Mehrwertsteuerseminar, Teil zwei!
Sie haben in Ihrer Zwischenfrage ausgeführt – so war das zu versehen –, dass ein Bauunternehmen eine andere Vorsteuerabzugsberechtigung habe als ein gastronomischer Betrieb. Richtig ist: Beide sind grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigt. Das war meine Aussage.
Recht haben Sie damit, dass die Gastronomie beim Bezug von Lebensmittel nur 7 % Vorsteuer abziehen kann. Das ist klar, denn sie zahlen ja auch nur 7 %.
Die Gastronomie veredelt dann die Lebensmittel sozusagen mit ihren Dienstleistungen, indem sie einen Raum anbietet, indem sie Geschirr und Besteck bereitstellt, indem sie eine angenehme Atmosphäre schafft. Sie bietet nicht einfach Lebensmittel an, sondern bietet mehr. Deswegen zahlt man dann 19 %.
Bei den Bauleistungen ist das anders. Da beträgt der Steuersatz sowohl bei den Vorleistungen als auch bei den Ausgangsumsätzen 19 %.
In der Gastronomie beträgt der Steuersatz 7 % bei Außer-Haus-Verkäufen und 19 % beim Verzehr vor Ort. Der Vorsteuerabzug beträgt aber nur 7 %, weil man auch nur 7 % zahlt.
Das war das Steuerseminar.
Worauf bezog sich noch die zweite Frage? Ach ja, auf Olaf Scholz.
Sehen wir es einfach so: Es gab eine demokratische Entscheidung im Bundesrat. Sie haben die Bundesratsinitiative des Landes Mecklenburg-Vorpommern angesprochen. Ich fand die Initiative von Manuela Schwesig gut und hätte sie unterstützt. Aber am Ende ist die demokratische Mehrheitsentscheidung leider so gefallen, wie sie gefallen ist. Der Bundestag ist dieser Initiative nicht gefolgt; die Ampel hat anders entschieden. Das muss man irgendwann mal akzeptieren.
Der Bundestag hat das gemacht, was immer gesagt worden ist: Wir bleiben bei 19 %; die Senkung auf 7 % sollte nur eine befristete Corona-Sonderhilfe sein. Ich hätte mir eine dauerhafte Senkung vorstellen können, wenn der Bund sie finanziert hätte. Das hat er aber nicht.