8. Oktober 2025
Rede zum Bürokratieabbau für Niedersachsen
Plenarrede vom 8. Oktober 2025
Am 8. Oktober 2025 habe ich im Plenum zum Antrag von SPD und Grünen, „Bürokratieabbau für Niedersachsen – Effizienz fördern, Handwerk stärken“ gesprochen. Hier finden Sie meine Rede als Video zum Nachschauen.
Videomitschnitt der Rede
Text der Rede
Es gilt das gesprochene Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Beste kommt immer zum Schluss: Bürokratieabbau! Wir als regierungstragende Fraktionen wollen die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Niedersachsen sichern, wir wollen die Effizienz steigern, wir wollen die Verwaltung modernisieren – und ein Bestandteil dieser Maßnahmen ist der Bürokratieabbau, weil gerade kleinere und mittlere Unternehmen, aber auch das Handwerk, unter der Bürokratielast ächzen. Das betrifft die Kosten, das betrifft aber auch die vielen Personalstellen, die sozusagen für bürokratische Hemmnisse aufgewendet werden.
Aber die Landesregierung ist auf einem sehr guten Weg. Im Gegensatz zu dem Kollegen der AfD, der unseren Antrag nicht gelesen hat, kann ich nur sagen: Wir unterstützen mit diesem Entschließungsantrag zum Bürokratieabbau die Landesregierung auf dem Weg, alles einfacher, schneller und günstiger zu machen.
Wir begrüßen insbesondere die Erweiterung der Kompetenzen und den Ausbau, aber auch die finanzielle Absicherung der Clearingstelle. Wir haben ihr durch einen Rahmenvertrag mit dem Wirtschaftsministerium ein Initiativrecht gegeben. Das hat die Clearingstelle immer eingefordert. Ich verweise aber gleichzeitig darauf, dass die IHKen und Handwerkskammern, die im Beirat der Clearingstelle sitzen, damit mehr Verantwortung zugewiesen bekommen haben. Denn: Wenn ich ein Initiativrecht habe ‑ die IHKen und die Handwerkskammern fordern von der Politik immer ein, Bürokratie abzubauen ‑, dann sitze ich in diesem Beirat in der gleichen Verantwortung und muss natürlich initiativ tätig werden, um zusammen mit der Clearingstelle bürokratische Vorschriften zu identifizieren und zu streichen.
Die Initiative der Landesregierung „Einfacher, schneller, günstiger“ hat viele Facetten. Eine wesentliche Facette haben wir hier schon mehrfach diskutiert: die NBauO, die bundesweit einmalig ist und bundesweit sehr große Resonanz gefunden hat. Mit der NBauO haben wir ein Instrument zum Bürokratieabbau geschaffen, um Bauen kostengünstiger, schneller und vor allen Dingen bürokratieärmer zu gestalten. Ich will hier jetzt nicht wieder ein Koreferat zur NBauO halten, aber: Bei allem, was wir hier tun, bei allen entlastenden Gesetzen, die wir schaffen, bei aller Bürokratie, die wir abbauen wollen: Wenn die Menschen draußen in den Betrieben, in den Verwaltungen nicht mitspielen, dann werden wir uns an diesem Thema möglicherweise verheben.
Was wir brauchen, ist eine neue Fehlerkultur. Wir brauchen ein Umdenken innerhalb der Verwaltung. Es ist nicht allein damit getan, Gesetze zu ändern oder zu streichen, sondern man muss auch mal die Möglichkeiten, die man in den Baubehörden, in den kommunalen Verwaltungen unstreitig hat, wahrnehmen und sich damit auch zugestehen, dass man Fehler machen kann. Gleichzeitig müssen diese Fehler aber auch toleriert werden. Das heißt, wir brauchen eine andere Fehlerkultur in diesem Land.
Ich will das kurz erläutern. Nehmen Sie beispielsweise den Gebäudetyp E, der in der NBauO gut gemeint als Experimentierklausel drinsteht, aber in der Praxis noch nicht zu laufen scheint. Aber daran ist nicht die Politik schuld, sondern das hat etwas mit den DIN-Normen zu tun. Die DIN-Normen wiederum legt nicht die Politik fest ‑ abweichend von den anerkannten Regeln der Technik ‑, sondern ein Beirat des jeweiligen Normenausschusses. Und in dem ist nicht die Politik vertreten, sondern Verbände, Kammern und Wirtschaftsunternehmen. Diese DIN-Normen müssten herabgesetzt oder auch mal ausgesetzt werden. Aber auch das ist nicht Aufgabe der Politik, sondern derjenigen, die in den DIN-Normenausschüssen sitzen.
Oder nehmen Sie § 85 a NBauO, mit dem wir das Mitteilungsverfahren eingeführt haben. Ich höre, dass das in der Praxis nur zögerlich umgesetzt wird – weil die Entwurfsverfasser zögern, Verantwortung zu übernehmen! Wenn wir entschlacken, wenn wir als Staat loslassen und man beispielsweise baugenehmigungsfrei bauen kann und nur noch im Mitteilungsverfahren arbeiten muss, dann bedeutet das eben auch eine höhere Verantwortung für andere. Wenn aber die andere Seite nicht bereit ist, diese Verantwortung zu übernehmen, dann geht so etwas ins Leere. Ich bin gespannt, wie sich das weiter entwickelt.
Oder nehmen Sie unsere letzte NBauO-Novelle, mit der wir eine Vielzahl von verfahrensfreien Baumaßnahmen eingeführt haben. Ich habe von Unternehmern gehört: Nee, das will ich gar nicht, ich will lieber eine Baugenehmigung haben, weil ich dann abgesichert bin, dass ich auch nichts falsch mache. Das meine ich mit Fehlerkultur, das meine ich mit Umdenken innerhalb der Gesellschaft! Mit dem Abschaffen von Gesetzen ist es nicht getan.
Letztens habe ich mich mit einem Investor unterhalten, der drei Lidl-Märkte gebaut hat, alle in unterschiedlichen Landkreisen in Niedersachsen. Es war abenteuerlich, wie unterschiedlich die jeweiligen Baubehörden die Vorschriften auslegen. Die Lidl-Märkte waren baugleich, aber er bekam drei verschiedene Anforderungen der jeweiligen Genehmigungsbehörden. Das hat etwas damit zu tun, dass das Ermessen unterschiedlich ausgelegt wird. Da müssen wir ran! Deshalb fordern wir in unserem Entschließungsantrag vom Land, Berichts- und Nachweispflichten zu reduzieren oder sie im Rahmen eines Moratoriums für einen bestimmten Zeitraum auszusetzen.
Wir wollen das Vergaberecht vereinfachen und sind dabei auch schon erfolgreich. Übrigens, Herr Najafi: Wir haben unseren Entschließungsantrag im Februar eingebracht. Die Landesregierung hat ihn zur Kenntnis genommen. Wir haben ihn noch nicht mal beschlossen, aber er wird trotzdem schon umgesetzt, indem die Vergabevorschriften angepasst werden: Die Wertgrenzen wurden angehoben. Damit befindet sich ein Teil unseres Entschließungsantrags, schon bevor er überhaupt beschlossen wurde, in der Umsetzung durch die Landesregierung. Ein Erfolg dieses Entschließungsantrags!
Das Gleiche gilt für das Tariftreuegesetz, lieber Kollege. Wir fordern in unserem Entschließungsantrag ein möglichst bürokratiearmes Tariftreuegesetz: Nur noch die Unternehmen, die Tariflohn zahlen, sollen öffentliche Aufträge erhalten. Auch das befindet sich in der Umsetzung. Ich habe gehört, wir werden noch dieses Jahr ein Tariftreuegesetz bekommen – bürokratiearm umgesetzt. Auch das ist Ausfluss unseres Entschließungsantrags!
Selbst die Koalitionäre in Berlin haben unseren Entschließungsantrag gelesen und sich Gedanken über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gemacht. Allein das Wort „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“! Ich wundere mich, dass ich das unfallfrei aussprechen konnte. Es ist doch Unsinn, dass sowohl mit der EU-Lieferkettenrichtlinie als auch dem darauf basierenden deutschen Gesetz diese Problematik doppelt aufgegriffen wird. Die Koalitionäre im Bund haben das im Februar in unserem Entschließungsantrag gelesen, das aufgegriffen und in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt ‑ man höre und staune! ‑, dass die im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz enthaltenen Berichts- und Dokumentationspflichten nicht mehr erforderlich sind.
Vizepräsident Marcus Bosse:
Kollege Henning, ich darf Sie kurz unterbrechen. Lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hilbers zu?
Frank Henning (SPD):
Immer, Herr Hilbers! Wie in alten Zeiten, das finde ich gut.
Reinhold Hilbers (CDU):
Herr Kollege, vor dem Hintergrund, dass offensichtlich alle Akteure ihren Entschließungsantrag schon gelesen haben und alles umsetzen, was Sie aufgeschrieben haben: Kann es sein, dass Sie einem Irrtum unterliegen und nur das aufgeschrieben haben, was sowieso schon passiert?
Frank Henning (SPD):
Lieber Herr Kollege, wir schreiben nur das auf, was sinnvoll ist. In diesem Antrag haben wir dokumentiert, wie unsinnig es beispielsweise ist, die EU-Lieferkettenrichtlinie umsetzen zu müssen und dann mit dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz noch einen draufzusetzen. Da uns das aufgefallen war, haben wir es in den Antrag aufgenommen, und die Koalitionäre in Berlin haben sich uns angeschlossen. Ich finde, wir befinden uns schon sehr gut in der Umsetzung dieses Antrags. Der Antrag entfaltet seine Wirkung.
Eines möchte ich noch hinzufügen: In dem Antrag steht übrigens auch, dass wir eine Eins-zu-eins-Umsetzung von EU-Richtlinien fordern. Wir müssen nicht immer besser sein als das, was in der EU gefordert wird. Wir brauchen keine deutschen Bürokratiegesetze, die noch oben aufgesattelt werden. Deswegen fordern wir von den Koalitionären in Berlin sehr deutlich eine Eins-zu-eins-Umsetzung von EU-Richtlinien, ohne noch etwas aufzusatteln, meine Damen und Herren! Auch das ist wesentlicher Bestandteil dieses Antrags.
Wie gesagt, die Bundesregierung hat reagiert und will die Berichts- und Dokumentationspflichten aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gänzlich streichen. Das haben wir alles gefordert. Aber auch die Landesregierung hat reagiert: Wir haben diesen Antrag im Februar eingebracht. Am 12. August, noch vor der Beschlussfassung unseres Entschließungsantrags, hat die Landesregierung beschlossen, dass alle Ressorts bis Ende Oktober jeweils fünf Vorschläge für ein Moratorium, also für eine Aussetzung der Nachweis- und Dokumentationspflichten unterbreiten sollen. Sie hat bereits jetzt einen Arbeitsauftrag an alle Ressorts vergeben. Auch das ist eine Auswirkung unseres Antrags!
Meine Damen und Herren, meine Redezeit läuft ab. Zusammengefasst: Wir sind auf einem guten Weg. Wir erreichen weniger Bürokratie und werden einfacher, schneller und kostengünstiger.
Vielen Dank.