1. Mai 2012

Grußwort zur Kundgebung des DGB am 1. Mai 2012

Es gilt das gesprochene Wort.

Liebe Petra, lieber Hartmut, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich freue mich, dass ich heute Morgen als Mitglied des Rates der Stadt Osnabrück, aber auch als langjähriges Personalrats- und Verdi-Mitglied zu Euch sprechen darf.

Der Tag der Arbeit steht dieses Jahr unter dem Leitmotto: Gute Arbeit für Europa!

Ich begrüße dieses Motto sehr, denn gute Arbeit ist bitter nötig in diesem Land. Auch wenn die offiziellen Arbeitslosenzahlen in der Statistik zurückgehen, so darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahl der Beschäftigten in Leiharbeit, mit Schein-Werkverträgen, in befristeten und geringfügigen Arbeitsverhältnissen weiter steigt. Zu Lasten sozial abgesicherter und unbefristeter Beschäftigung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Trend müssen wir umkehren, in dem wir das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit durchsetzen. Der Leiharbeiter muss den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft erhalten und Frauen müssen endlich für gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten. Mit einem Gesetz über Entgeltegleichheit muss diese strukturelle Lohnbenachteiligung beendet werden.

Und ich sage dies in einem Land, das über Fachkräftemangel klagt. Wir können und wollen es uns nicht länger leisten, die Potentiale von Millionen Frauen zu verschenken.

Der Kollege Hartmut Tölle hat als DGB-Landeschef in diesem Zusammenhang eine grundlegende Kurskorrektur der schwarz-gelben Landesregierung gefordert – und zwar völlig zu Recht. Hartmut Tölle warf der Landesregierung u. a. vor, die Zunahme prekärer Beschäftigung ignoriert zu haben. So sei die Zahl der Leiharbeiter in Niedersachsen in wenigen Jahren um das Dreifache gestiegen, jeder fünfte Beschäftigte arbeite im Niedriglohnsektor und jeder zehnte Arbeitnehmer in Niedersachsen habe nur einen befristeten Vertrag. Und damit nicht genug. Ich zitiere Hartmut Tölle wörtlich:

„Die Landesregierung hätte sich entschieden für gute Arbeit einsetzen müssen, das hat sie nicht getan und auch keinen gesetzlichen Mindestlohn forciert.“ Zitat Ende

Ich kann mich den Worten des Kollegen Tölle nur anschließen. Gute Arbeit in Europa, d.h. auch gute Arbeit in Niedersachsen und Osnabrück.

Wie aber sieht die Situation bei der Stadtverwaltung Osnabrück aus, für die ich als SPD-Fraktionsvorsitzender zumindest Mitverantwortung trage. Auch in der Osnabrücker Stadtverwaltung gibt es befristete Verträge, etliche Kolleginnen und Kollegen etwa beim Abfallwirtschaftsbetrieb bewegen sich eher in den unteren Lohngruppen und Personalabbau gibt es auch in der Verwaltung seit Jahren. Diese Situation ist allerdings der katastrophalen finanziellen Situation der Kommunen geschuldet.

Wobei ich betone und darauf bin ich stolz: Es hat in der Vergangenheit keine betriebsbedingten Kündigungen gegeben und es wird sie auch in Zukunft nicht geben. Auch wenn die Ratskollegen der FDP bei jeder Haushaltsberatung stets betriebsbedingte Kündigungen verlangt haben. Wir haben dies stets verhindert und werden dies auch weiterhin verhindern.

Doch was ist die Ursache der Misere? Das liegt doch auf der Hand. Die Verarmung der öffentlichen Haushalte, die Senkung der Staatsquote und das Vernachlässigen der Einnahmeseite – das sind die wahren Ursachen – politisch von den Neoliberalen seit Jahren aus ihrer Sicht erfolgreich betrieben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen, einen armen Staat und eine arme Stadt können sich nur die Reichen leisten!

Ich bin meiner Gewerkschaft Verdi deshalb sehr dankbar, dass wir gemeinsam eine seriöse Rechnung aufmachen können, von der die allermeisten profitieren. Ich denke, es ist bekannt, dass ich die Seriösität solcher Berechnungen – auch beruflich bedingt – vielleicht ein wenig glaubhafter als viele Kritiker dokumentieren kann.

Es ist nämlich exakt so, wie auf Verdi-Ebene berechnet:

Einkommensteuererhöhungen für Besserverdienende, Wiedereinführung der Vermögenssteuer, Reform der Erbschaftssteuer und der Unternehmensbesteuerung. Wieso zahlen Großkonzerne eigentlich nur noch 15% Körperschaftsteuer? Da ist die kommunale Hundesteuer ja vielfach ertragreicher, liebe Kolleginnen und Kollegen. Übrigens zu Zeiten von Helmut Kohl betrug der Körperschaftsteuersatz noch 56% – und Kohl war bekanntlich alles andere als ein Sozialist!

Aber das reicht noch nicht: Warum zahlen Rechtsanwälte, Zahnärzte und gut verdienende Steuerberater und Wirtschaftsprüfer eigentlich keine Gewerbesteuer? Was wir brauchen ist eine Gemeindewirtschaftssteuer, die auch die mit den starken Schultern, also die gut verdienenden Freiberufler, mit einbezieht in die Finanzierung des Gemeinwesens.

Die europaweite Finanztransaktionsteuer und ein besser ausgestatteter Steuervollzug könnten, alles zusammen gerechnet, was ich bisher genannt habe, jährlich rund 75 Mrd. Euro in die öffentlichen Kassen spülen. 75 Milliarden jährlich für sozialen Ausgleich, für gute Bildung, für lebenswerte Städte, für eine gesunde Umwelt – und nicht zuletzt für gute Arbeit!

Für so etwas lohnt es sich, insbesondere am 1. Mai zu kämpfen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Also nicht irgendwo verschämt auf die Schuhsolen gucken und murmeln, sondern es laut und ganz klar sagen:

Wir sind Gewerkschafter, wir wollen eine andere Politik und wir sind solidarisch!

In diesem Sinne: Glück auf und gute Arbeit für Osnabrück!