20. November 2025

Für ein faires Erbbaurecht

Plenarrede vom 20. November 2025

Videomitschnitt der Rede

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Plenarrede vom 20. November 2025

Text der Rede

Es gilt das gesprochene Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die rot-grüne Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben sich zum Ziel gesetzt, das Wohnen wieder bezahlbar zu machen. Bezahlbaren Wohnraum zu finden, ist eine der zentralen sozialpolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Ich habe schon häufiger darauf hingewiesen: Wohnen – und das zu bezahlbaren Preisen – ist Menschenrecht.

Die Maßnahmen der Landesregierung, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, basieren im Kern auf vier Säulen. Die erste Säule ist die WohnRaum Niedersachsen GmbH. Mit der landeseigenen Wohnungsgesellschaft haben wir ein zentrales Wahlversprechen umgesetzt und einen Fehler der alten schwarz-gelben Landesregierung korrigiert.

Wir haben die WohnRaum Niedersachsen im ersten Step mit 100 Millionen Euro Kapital ausgestattet, was erst mal für 1 600 Neubauwohnungen reichen wird. Im jetzt laufenden Haushaltsaufstellungsverfahren ‑ das haben wir gestern erst diskutiert ‑ hat die Landesregierung nachgelegt und führt der WohnRaum Niedersachsen noch einmal satte 200 Millionen Euro Eigenkapital zu, sodass diese in der Lage sein wird, mindestens 5 000 bezahlbare Wohnungen zu schaffen.

Die zweite Säule ist der Wohnraumförderfonds der NBank. Der Fonds wird um weitere 200 Millionen Euro ‑ von 350 auf dann 550 Millionen Euro ‑ aufgestockt. Zusammen mit der Eigenkapitalaufstockung bei der eben genannten WohnRaum Niedersachsen liegen wir dann im Segment des bezahlbaren Wohnraums bei einer Verstärkung um 400 Millionen Euro durch das laufende Haushaltsausstellungsverfahren. Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann sich sehen lassen.

Die dritte Säule ist die auch hier schon vielfach diskutierte Reform der NBauO, der Niedersächsischen Bauordnung. Mit den eingeleiteten Reformen haben wir dazu beigetragen, das Bauen schneller, einfacher und kostengünstiger und vor allem im Ergebnis auch bezahlbarer zu machen. Ich erinnere nur an die Stichworte „Wegfall der Stellplatzpflicht“, „Beschleunigung der Genehmigungsverfahren“, „Einführung des Mitteilungsverfahrens durch die Architekten“ und „weitere verfahrensfreie Baumaßnahmen“, bei denen keine Baugenehmigungen mehr erforderlich sind. Weitere Novellen werden folgen, insbesondere im Bereich des Brandschutzes. Ich kündige das schon einmal an.

Und um die vierte Säule geht es heute. Ein Punkt, um zu bezahlbarem Wohnraum zu gelangen, kann eben auch das Erbbaurecht sein, vor allem dann, wenn man die Rahmenbedingungen für das Erbbaurecht richtig setzt. Mit unserem Entschließungsantrag für ein sozial gerechtes und bezahlbares Erbbaurecht in Niedersachsen wollen wir die Menschen entlasten, und wir wollen zu fairen und bezahlbaren Erbbauzinsen kommen. Hintergrund ist, dass in den nächsten 20 Jahren rund die Hälfte der bestehenden Erbbaurechtsverträge ausläuft und bei vielen Betroffenen teils drastische Erhöhungen des Erbbauzinses drohen. Steigende Bodenrichtwerte gerade in den Ballungszentren, etwa in Lüneburg ‑ durch die Nähe zu Hamburg ‑, Osnabrück, Hannover, Braunschweig, aber selbst im ländlichen Raum wie im Emsland und hohe Zinssätze führen dazu, dass es häufig zu finanziellen Überforderungen von Familien und Haushalten mit durchschnittlichen Einkommen kommt. Genau das wollen wir nicht.

Es haben sich zahlreiche Bürgerinitiativen gegründet: in Lüneburg, in Osnabrück, in Hannover, in Hildesheim. Wir sind mit ihnen in Kontakt. Wir haben uns häufig ausgetauscht. Aufgrund der exorbitant gestiegenen Bodenrichtwerte ist bei Vertragsabschlüssen eine Verzwanzigfachung ‑ das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen ‑ des Erbbauzinses keine Seltenheit mehr, teilweise droht eine Verachtzigfachung wie im Beispielfall Kirchrode.

Der Antrag fordert nun die Landesregierung auf, soziale und planbare Regeln für die Erneuerung von Erbbaurechtsverträgen zu schaffen und dabei sicherzustellen, dass die wirtschaftliche Tragfähigkeit für die Erbbauberechtigten gewahrt bleibt. Konkret geht es darum, landesweit einheitliche, rechtssichere Verfahren zu entwickeln, übermäßige Erhöhungen zu begrenzen, die Berechnung der Bodenrichtwerte auf einen durchschnittlichen Bodenrichtwert der letzten zehn Jahre zurückzuführen und Kappungsgrenzen, ähnlich wie bei der Mietpreisbremse, einzuführen.

In unserem Entschließungsantrag gibt es drei Stellschrauben, um diese Ziele zu erreichen. In Nr. 4 unseres Entschließungsantrags fordern wir, die Möglichkeiten, die es heute schon mit den §§ 63 und 64 LHO gibt, zu nutzen, also ohne dass wir die Landeshaushaltsordnung ändern müssten. So kann in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten auf bis zu drei Viertel des Erbbauzinses verzichtet werden, was dann einer Reduktion auf 1,25 % entspricht ‑ das fordern wir hier ausdrücklich ein ‑, statt der bisher üblichen 5 %. In Zeiten, in denen der Zinssatz beispielsweise für ein Baudarlehen, ein sogenanntes Annuitätendarlehen, vielleicht bei 3 oder 3,5 % liegt, kann es nicht richtig sein, von Erbbaurechtsnehmern 5 % Zinsen zu verlangen. In diesem Fall wird das Erbbaurecht sozusagen ad absurdum geführt, denn das Erbbaurecht war ja mal ein Instrument, um Menschen mit kleinem Einkommen den Eigenheimbau zu ermöglichen, weil eben gerade kein Grundstück erworben werden musste und man sich auf die Finanzierung des Hauses konzentrieren konnte.

Bei der aktuellen Marktsituation ist es sogar wirtschaftlicher, das Grundstück gleich zu kaufen bzw. mit einem Darlehen zu erwerben, da das Annuitätendarlehen eben günstiger ist als die Erbpachtzinsen.

Das war bei Einführung des Erbbaurechts 1919 – so lange gibt es das schon – übrigens nie so gewollt. Bei Erbbauzinsen von 5 % und Annuitätendarlehenszinsen von 3 % kann man das Grundstück einfach gleich besser kaufen und braucht keinen Erbbaurechtsvertrag einzugehen.

Doch die Herabsetzung des Erbauzinses alleine löst das Problem nicht. Die Bemessungsgrundlage ist das Problem, meine Damen und Herren. Selbst wenn man niedrige Erbbauzinsen von 1,25 % hat, bedeutet das bei Vertragsverlängerungen, dass immer noch eine erhebliche Steigerung der Erbbauzinsen fällig wird, da die Bodenrichtwerte, auf die dieser reduzierte Zinssatz angewendet wird, so exorbitant gestiegen sind.

Unsere Lösung finden Sie in den Nrn. 3 a und 3 b des Entschließungsantrags. Dort heißt es, dass wir uns zukünftig an einem gleitenden Zehnjahresmedian, also dem durchschnittlichen Bodenrichtwert der letzten zehn Jahre orientieren wollen und nicht an dem aktuell sprunghaft angestiegenen. Das gleiche gilt für die Kappungsgrenze. Dieses Modell kommt so ähnlich auch schon bei der Mietpreisbremse zur Anwendung.

Die Mechanismen, die in den Nrn. 3 a und 3 b genannt sind, greifen sozusagen ineinander. Der gleitende Zehnjahresmedian der Bodenrichtwerte glättet kurzfristige Ausschläge und mindert spekulative Einflüsse. Die Kappungsgrenze verhindert übermäßige Sprünge und, dass Haushalte mit durchschnittlichen Einkommen übermäßig belastet werden.

Abschließend noch ein Wort zur Klosterkammer selbst, die auch Gegenstand unseres Entschließungsantrags ist. Die Klosterkammer ist mit rund 17 000 Erbbaurechten die größte Erbbaurechtsgeberin Deutschlands. Wir sind froh ‑ das will ich an dieser Stelle auch sagen ‑, dass es die Klosterkammer gibt, denn sie erfüllt ihre satzungsgemäßen Aufgaben nach Stiftungsrecht, nach Recht und Gesetz und ist auch durch unsere Niedersächsische Verfassung ausdrücklich geschützt. Niemand will die Klosterkammer zum Zuwendungsempfänger des Landes Niedersachsen machen.

Selbstverständlich soll die Klosterkammer die ihr nach Recht und Gesetz zustehenden Erbbauzinsen zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch zukünftig erhalten. Es ist allen klar, und das ist nach meinem Eindruck auch bei den Bürgerinitiativen der Fall, dass bei Vertragsverlängerungen künftig mehr gezahlt werden muss. Das ergibt sich aus den Berechnungsmodi und aus den gestiegenen Bodenrichtwerten und Wertverhältnissen der Grundstücke. Es geht also nicht darum, der Klosterkammer diese Mehrerlöse wegzunehmen. Es wird immer zu Mehrerlösen bei Vertragsverlängerungen kommen. Es geht im Prinzip darum, diese Mehrerlössteigerung auf ein sozialverträgliches Maß zu begrenzen. Denn eine Verzwanzigfachung des Erbbauzinses, meine Damen und Herren, ist sicherlich nicht sozialverträglich. Vielleicht reicht hier auch eine Verdreifachung oder Vervierfachung aus. Das müssen die nächsten Diskussionen im Ausschuss zeigen.

Hier das vernünftige Maß zu finden, wird in den nächsten Monaten Aufgabe der Klosterkammer, der Landesregierung, der beteiligten Ministerien, aber auch von uns in den Ausschussberatungen sein. Lieber Kollege Hilbers, ich freue mich auf die Diskussion mit der Klosterkammer im Ausschuss, um hier das richtige Maß zu finden. Ich kündige schon einmal an, dass wir im Ausschuss eine Anhörung beantragen werden, um in dieser noch zu terminierenden Anhörung sowohl die zahlreichen Vertreter der Bürgerinitiativen als auch die Klosterkammer selbst anzuhören. Übrigens werden wir auch den Verband der Wohnungswirtschaft anhören, der gestern dankenswerterweise unseren Entschließungsantrag unterstützt und ausgeführt hat, dass wir mit unserer Initiative Forderungen des Verbandes der Wohnungswirtschaft aufgreifen. Das begrüßt Frau Dr. Schmitt ausdrücklich. Vielen Dank an dieser Stelle.

Die Anhörung und die Diskussion im Ausschuss sollen also dazu führen, das vernünftige und sozialverträgliche Maß der Berechnung der zukünftigen Erbbauzinsen zu finden – und zwar für beide Seiten. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Rechte der Erbbaurechtsgeberin genauso zu wahren sind wie die Rechte der Erbbaurechtsnehmer.

Vielen Dank, meine Damen und Herren. – Das waren genau 8:30 Minuten.

Zwischenintervention auf den Redebeitrag der CDU-Fraktion:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen!

Lieber Kollege der CDU-Fraktion, ich muss ganz ehrlich sagen: In den ersten fünf Minuten Ihres Redebeitrags war ich so begeistert, dass ich gesagt habe: Mensch, da können wir ja Einigkeit erzielen und werden im Ausschuss wahrscheinlich eine gute Lösung für die beteiligten Erbbaurechtsnehmer finden.

Bei den letzten zwei Minuten hatte ich allerdings ein Problem. Das ist typisches CDU-Verhalten ist: Im Allgemeinen, im Nebulösen, stimmen Sie zu und sind bei uns. Aber wenn wir konkrete Vorschläge machen, sind Sie dagegen.

Sie haben sich gerade gegen die Ziffer 4 – 1,25 % Erbbauzinsen – ausgesprochen, weil das zulasten der Klosterkammer geht. Ja, was denn sonst? Natürlich geht das zulasten der Klosterkammer! Das ist ja auch gewollt, damit wir zu niedrigeren Erbbauzinsen kommen.

Dann haben Sie gesagt, dass der Zehnjahresmedian rechtswidrig sei. Wir müssen prüfen, ob Sie recht haben. Das weiß ich im Augenblick nicht; das wird im Ausschuss geklärt.

Aber wozu Sie gar nichts gesagt haben, Herr Kollege, ist die Kappungsgrenze unter Nr. 3 b), der Kernbereich des Antrags. Das ist das Spannende. Wenn wir uns im Ausschuss darauf verständigen könnten, den Anstieg auf 100 % zu begrenzen ‑ gucken Sie sich Nr. 3 b) mal an ‑, wäre den Erbbaurechtsnehmern schon sehr geholfen.

Der Grund, weshalb ich mich zu Wort gemeldet habe, ist allerdings Ihr Schlussstatement, in dem Sie auf das Gremium unter Nr. 2 zu sprechen gekommen sind. Nein, da wollen wir nichts Verfassungswidriges machen. Es gibt bereits das Kuratorium. Wenn Sie genau lesen, dann steht da „durch ein gegebenenfalls bestehendes Gremium der Klosterkammer“. Damit ist das Kuratorium gemeint, besetzt mit Vertreterinnen und Vertretern, die sich dafür einsetzen sollen, dass die Gespräche der Klosterkammer dazu führen, dass die Erbbauzinssteigerung sozial verträglicher werden. Das ist also nichts Dramatisches; das Gremium gibt es schon, und es soll sich vernünftig dafür einsetzen.

Vielen Dank.