30. Oktober 2019

Leiharbeit reformieren, Arbeitnehmerrechte in den Fokus rücken

Betriebs- und Personalrätekonferenz diskutiert über Leiharbeit und Digitalisierung

Nils Bielkine, Gewerkschaftssekretär der IG Metall, warf ein Schlaglicht auf die Themen Leiharbeit und prekäre Beschäftigung.

Nils Bielkine, Gewerkschaftssekretär der IG Metall, warf ein Schlaglicht auf die Themen Leiharbeit und prekäre Beschäftigung.

Leiharbeitsmissbrauch und die Chancen und Risiken der Digitalisierung standen im Zentrum der diesjährigen Betriebs- und Personalrätekonferenz, die ich auch in diesem Jahr wieder gemeinsam mit der AfA in der Region Osnabrück veranstaltet habe. Die Konferenz, moderiert vom Pressesprecher der Stadtwerke Osnabrück, Marco Hörmeyer, ging der Frage nach, was Gute Arbeit in Zeiten von Leiharbeit und fortschreitender Digitalisierung bedeutet. Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden der AfA Region Osnabrück, Frank Lewek, warf Gewerkschaftssekretär Nils Bielkine einen Blick auf die Schattenseiten der Leiharbeit, die auch in der späteren Podiumsdiskussion aufgegriffen wurden: weniger Entgelt für die Leiharbeiter im Vergleich zur Stammbelegschaft, weniger Bonität bei den Banken und keine starke Position gegenüber den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, auch aus Angst davor, den Job zu verlieren.

Hanne Modder, die als SPD-Fraktionsvorsitzende im Niedersächsischen Landtag zur Podiumsdiskussion nach Osnabrück gekommen war, griff den Ball in der Diskussion auf: Leiharbeit werde oftmals missbräuchlich genutzt, um von Festanstellungen abzusehen. Hier müsse dringend nachgesteuert und die Leiharbeit wieder zu dem zurückgeführt werden, wofür sie eigentlich gedacht war: für das Abdecken von Spitzen. Es gehe nicht darum, die Leiharbeit komplett abzuschaffen, aber die Bedingungen müssten stimmen. Es müsse fair zugehen und die Menschen in Leih- und Zeitarbeit müssen eine faire Chance gegenüber der Stammbelegschaft haben.

Stephan Soldanski, der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Osnabrück, berichtete, dass es durchaus vorkomme, dass Arbeitgeber mit den Hoffnungen auf eine Festanstellung spielten und eine hohe Flexibilität einforderten, die Hoffnungen dann aber nicht erfüllten. In Unternehmen mit Betriebs- und Personalräten habe man hier zumindest die Möglichkeit, etwas dagegenzusetzen. Das sei aber nicht in allen Betrieben der Fall.

Bei der Podiumsdiskussion zu den Themen Leiharbeit und Digitalisierung

Bei der Podiumsdiskussion zu den Themen Leiharbeit und Digitalisierung

Für Christiane Fern, die Leiterin der Arbeitsagentur Osnabrück, hat die Leiharbeit nicht nur Schattenseiten. Gerade für Langzeitarbeitslose, für Geringqualifizierte und für Migranten könne die Leiharbeit ein Sprungbrett in die Berufstätigkeit sein, berichtete Fern. Fraglich sei aus ihrer Sicht aber, wieso die EU-Zeitarbeitsrichtlinie, die ab dem ersten Tag eine gleiche Bezahlung von Leiharbeitern und Stammbelegschaft vorsehe, so nicht ins deutsche Gesetz übernommen wurde. Diesen Punkt kritisierte auch Petra Schubert, Betriebsratsvorsitzende von Autovision, die aus Wolfsburg zur Diskussion nach Osnabrück gekommen war. Mit Nachdruck wies sie auf die besondere Gefahr gerade für junge Leute hin, bei der Zeitarbeit hängenzubleiben und nicht den Weg hin zu einer vernünftigen Ausbildung zu finden. Zeitarbeiter müssten mehr Geld verdienen als die Stammbelegschaft, nicht weniger, da sie durch die fehlende Absicherung ein höheres Risiko eingingen.

Ich habe im Rahmen der Podiumsdiskussion unter anderem auf die Wichtigkeit der Qualifizierung von Arbeitskräften im Kontext der Digitalisierung hingewiesen. Wir erleben mit der Digitalisierung, dass gering qualifizierte Tätigkeitsbereiche wegfallen, aber höher qualifizierte Arbeitsplätze entstehen. Die Digitalisierung ist die größte Herausforderung an den Arbeitsmarkt der Zukunft – wir müssen hier Sorge dafür tragen, dass niemand abgehängt wird. In diesen Bereich spielen auch die Arbeitnehmerrechte, wie zum Beispiel das Recht auf Nichterreichbarkeit in Zeiten der omnipräsenten digitalen Medien und ein Recht auf Weiterbildung, nicht auf eigene Kosten, sondern bezahlt vom Arbeitgeber, eine wichtige Rolle. Hier muss das Betriebsverfassungsgesetz reformiert werden.

Von links nach rechts: MdL Frank Henning, Marco Hörmeyer (Moderator), Johanne Modder (Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion), Christiane Fern (Leiterin der Osnabrücker Arbeitsagentur), Petra Schubert (Betriebsratsvorsitzende von Autovision Wolfsburg), Stephan Soldanski (1. Bevollmächtigter der IG Metall Osnabrück) und Frank Lewek (Vorsitzender der AfA Region Osnabrück).

Von links nach rechts: MdL Frank Henning, Marco Hörmeyer (Moderator), Johanne Modder (Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion), Christiane Fern (Leiterin der Osnabrücker Arbeitsagentur), Petra Schubert (Betriebsratsvorsitzende von Autovision Wolfsburg), Stephan Soldanski (1. Bevollmächtigter der IG Metall Osnabrück) und Frank Lewek (Vorsitzender der AfA Region Osnabrück).

Ich freue mich sehr darüber, dass die Konferenz auch in diesem Jahr wieder auf eine sehr gute Resonanz bei den Betriebs- und Personalräten und vielen weiteren Interessierten gestoßen ist und wir durch die rege Beteiligung des Publikums mit Fragen und Anmerkungen während der Podiumsdiskussion ins direkte Gespräch miteinander gekommen sind. Viele der angesprochenen Themen wurden mit dem Publikum lebhaft diskutiert. Neben Anmerkungen zur Situation der Leiharbeit in der Pflege und zur Problematik der Befristungen an sich kam hier unter anderem der Appell an jeden einzelnen, auch einmal das eigene Handeln zu überdenken. Wenn wir alle eine kostenlose Lieferung unserer Amazon-Bestellungen am nächsten Tag erwarten, müssen wir uns nicht wundern, dass dieser ‚Service‘ auf dem Rücken anderer ausgetragen wird, so die bedenkenswerte Anmerkung aus dem Publikum.

Viele Grüße
Frank Henning