28. März 2019

Rede zu Tempolimits und Abbiegeassistenten

Plenarrede vom 28. März 2019

Videomitschnitt der Rede

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Text der Rede

Es gilt das gesprochene Wort.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Frau Piel, Sie haben Recht: Jeder Tote im Straßenverkehr ist ein Toter zu viel. In dieser Analyse sind wir uns, glaube ich, völlig einig. Es geht um Menschenleben und die Vermeidung von Unfällen. Umso wichtiger aber ist es aus meiner Sicht, die Dinge sachlich zu betrachten und vor allen Dingen Maß und Mitte zu bewahren. Ich möchte nicht falsch verstanden werden, Frau Piel. Ja, die Grünen beklagen in dieser Aktuellen Stunde völlig zu Recht die Zunahme der Zahl der Verkehrstoten. Aber zur Wahrheit der aktuellen Verkehrsstatistik gehört auch, dass zwar die Zahl der Verkehrstoten zugenommen hat, die Zahl der Verkehrsunfälle insgesamt aber zurückgegangen ist.

(Eva Viehoff [GRÜNE]: Umso schlimmer! Die Unfallschwere nimmt zu!)

Meine Damen und Herren, so viel Zeit muss sein. Vor diesem Hintergrund frage ich mich, ob es richtig sein kann, reflexartig die grüne Forderung nach allgemeinen Tempolimits zu erheben. Halten wir uns doch lieber an die Fakten, die unser Innenminister Pistorius am Montag bei der Präsentation der Verkehrsunfallstatistik dargelegt hat! Im Jahre 2018 hatten wir 212 137 Verkehrsunfälle. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um fast 2 %. Richtig ist allerdings auch, dass die Zahl der Verkehrstoten auf 417 angestiegen ist, ein Anstieg um 3,5 %.

Aus diesem Grund unterstützt die SPD-Fraktion die Haltung unseres Innenministers Pistorius, auf bessere Prävention, mehr Kontrollen und, soweit erforderlich, auch härtere Strafen gegen Raser zu setzen. Auch mehr Geschwindigkeitskontrollen sind aus unserer Sicht sicherlich ein Weg, um mehr Verkehrssicherheit zu erreichen. Gegen die – ich nenne es einmal: – Telefonitis am Steuer, also die Ablenkung von Verkehrsteilnehmern, die mit dem Handy ohne Freisprecheinrichtung Dauergespräche führen, helfen diese Geschwindigkeitskontrollen allerdings nicht. Denn diese Zeitgenossen sind so abgelenkt, dass Sie beim Fahren so ziemlich gar nichts mehr mitbekommen. Wir unterstützen auch die Forderung unseres Innenministers, mehr Durchgriffsrechte für die Polizei zu schaffen, etwa bei den Mobilfunkdaten, um bei Unfällen zu kontrollieren, ob der Fahrer oder die Fahrerin zum Zeitpunkt des Unfalls telefoniert hat.

Die Regierungsfraktionen von SPD und CDU haben darüber hinaus erst kürzlich, im Oktober-Plenum – der Kollege Heineking hat es schon erwähnt -, eine Initiative eingebracht, für Nutzfahrzeuge von mehr als 3,5 t Gesamtgewicht schrittweise Abbiegeassistent-Systeme vorzuschreiben. Soweit besteht also grundsätzliche Einigkeit mit der Opposition. Ich glaube, Brems- und Abbiegesysteme wollen wir alle.

Präsidentin Dr. Gabriele Andretta:

Herr Kollege Henning, Frau Kollegin Viehoff bittet darum – – –

Frank Henning (SPD):

Ich würde gern im Zusammenhang ausführen. Das machen wir dann später.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Was ist denn mit Ihnen los?)

Präsidentin Dr. Gabriele Andretta:

Dann fahren Sie fort, bitte!

Frank Henning (SPD):

Wo ich allerdings keine Einigkeit sehe, ist, wenn die grüne Opposition auch heute Morgen wieder einmal das Kind mit dem Bade ausschüttet und allgemeine Tempolimits auf Autobahnen fordert. Das mag der grünen Verbotsmentalität entsprechen;

(Helge Limburg [GRÜNE] lacht)

denn nach den Grünen dürfen wir ja auch nur noch dreimal im Jahr fliegen. Aber zielführend sind allgemeine Tempolimits aus unserer Sicht nicht. Sie sollten zur Kenntnis nehmen, Frau Piel, dass der größte Teil der Unfälle mit schweren Folgen durch Lkws verursacht wurde, die auf ein Stauende auffuhren. Die Lkws unterliegen aber bereits einem Tempolimit auf Autobahnen. Die fahren meines Erachtens 85 km/h, mehr nicht, und in Baustellenbereichen haben wir ohnehin schon Tempolimits.

(Anja Piel [GRÜNE]: Dann können die Autos ja weiter schneller fahren! Super!)

Ich erlaube mir auch den Hinweis, dass wir ungefähr 25 000 Straßenkilometer im Autobahnnetz in Deutschland haben und dass davon bereits heute ein Drittel mit dauerhaften Tempolimits zwischen 100 und 130 km/h beschränkt ist.

(Zuruf von Anja Piel [GRÜNE])

Ein Blick in die Statistik belegt – auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen, Frau Piel -: Die sichersten Straßen in Deutschland sind Autobahnen. Im Jahr 2017 wurde auf Autobahnen etwa ein Drittel aller Kraftfahrzeugkilometer zurückgelegt. Der Anteil der Verkehrstoten auf Autobahnen nach der Statistik ist mit 12 % unterdurchschnittlich.

(Zuruf von Anja Piel [GRÜNE])

70 % der Verkehrstoten in Niedersachsen – Frau Piel, bitte hören Sie zu! – gibt es nicht auf Autobahnen, sondern auf Bundes-, Land- und Kreisstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften.

(Zuruf von Eva Viehoff [GRÜNE])

Präsidentin Dr. Gabriele Andretta:

Einen Moment, bitte, Herr Kollege! – Wir haben eben zugehört, wir tun das auch jetzt. Wir müssen die Meinungen nicht teilen, aber wir respektieren sie und hören zu. Jetzt hat der Kollege Herr Henning weiter das Wort, und nur er. Bitte!

Frank Henning (SPD):

Technische Lösungen wie Telematikanlagen sind aus meiner Sicht sicherlich auch ein Teil der Lösung; denn da, wo dichter Verkehr herrscht – darüber, Frau Piel, sind wir uns einig -, kann das Tempo z. B. durch elektronische Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf beispielsweise 120 km/h beschränkt werden. Aber was spricht dagegen, in Schwachlastzeiten oder in den Abendstunden dann die Tempobeschränkungen auch wieder aufzuheben?

Die SPD-Fraktion steht nach meiner Einschätzung generellen Tempolimits auf Autobahnen sehr kritisch gegenüber. Sie steht damit an der Seite unseres Ministerpräsidenten Weil, der sich erst kürzlich gegen Tempolimits ausgesprochen hat.

(Anja Piel [GRÜNE]: Und Herr Scheuer!)

Dieser Auffassung kann ich mich nur anschließen, meine Damen und Herren. Ich plädiere für technische Lösungen – wie Telematikanlagen -, für Maß und Mitte. Eine grüne Verbotspolitik und Bevormundung brauchen wir jedenfalls nicht. Ich glaube, Vertrauen in die Einsichtsfähigkeit der Bevölkerung und das eigene Fahrverhalten ist da der bessere Weg.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)